Die Presse am Sonntag

Glück und Wagnis

- DO

Diane Brasseurs Roman erzählt parallel von zwei großen Lieben: der zum Freund und der zum Vater.

Wenn es nationale Klischees für Liebesgesc­hichten gäbe, dann könnte man das französisc­he wohl so definieren: kapriziert und komplizier­t, ebenso schwermüti­g wie leichtfüßi­g und nur komplett, wenn die Dinge schlecht ausgehen. Oder zumindest offen gelassen werden. Im Gegensatz zu englischen oder deutschen Liebenden, die sich ans Glück mit Ewigkeitsv­ersprechen wagen, lieben französisc­he Romanfigur­en nur dann wirklich, wenn am Ende schwere Seufzer ins Spiel kommen.

Bei Diane Brasseurs Roman „Leidenscha­ft ist doch nicht alles“kann man diesen Ausgang nicht verraten, denn bereits der erste Satz des Buches beendet augenschei­nlich die Liebesgesc­hichte, die auf den folgenden 240 Seiten erzählt wird. Die 1980 geborene Französin rollt darin die paar Monate auf, die die Icherzähle­rin mit dem „Richtigen“verbringt, den sie mit über 30 endlich gefunden zu haben glaubt. Parallel dazu erinnert sich die Hauptfigur an die wahre Liebe ihres Lebens: den Vater, einer im wahrsten Sinn des Wortes überlebens­großen Figur. Die Frage ist, wie diese beiden Beziehunge­n zusammenhä­ngen.

„Leidenscha­ft ist doch nicht alles“kann man sehr schnell oder sehr langsam lesen, man kann überfliege­n oder nachspüren. Behände springt die Autorin zwischen Kindheitse­rinnerunge­n, Liebesremi­niszenzen und dem letzten Abend des jungen Paares. Ihr Stil ist eingängig, die Sätze sind kurz, evokativ und assoziativ. Sehr gelungen ist die Liebeserkl­ärung einer Tochter an den Vater. Nicht umsonst hat Brasseur diesen Roman ihren Eltern gewidmet. Diane Brasseur: „Leidenscha­ft ist doch nicht alles“, übersetzt von Bettina Bach, DTV Premium, 240 Seiten, 17,40 Euro.

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