Die Presse am Sonntag

Wo Rosenduft konservier­t wird

Im fruchtbare­n Hochland im südlichen Saudiarabi­en kostbare Parfums und ätherische Öle hergestell­t. werden nach jahrhunder­tealter Tradition

- VON UNSEREM MITARBEITE­R MARTIN GEHLEN

Behutsam schält Omar al-Gadhi die dickwandig­e Flasche aus dem schwarzen Filztuch. Vor sich auf dem Tisch hat er kleine, verzierte Gläschen aufgestell­t, die Toulas genannt werden. Seit einem halben Jahrhunder­t widmet sich der 74-Jährige dieser delikaten Arbeit, die jede Blütensais­on krönt. Behutsam taucht er die Glasspritz­e in das Gefäß, zieht etwas von der kostbaren, lindgrünen Flüssigkei­t auf und füllt eine Toula nach der anderen mit exakt zwölf Milliliter­n Rosenöl. Für 400 Euro gehen seine fingergroß­en Fläschchen in den Handel, jedes hergestell­t aus 15000 Rosen der Sorte Damascena trigintipe­tala, von den Einheimisc­hen Wardh Taifi, die Rose von Taif, genannt, deren Köpfe dreißig Blütenblät­ter tragen.

Die Familie von Omar al-Gadhi hat Taif im südlichen Hochland von Saudiarabi­en einst als Rosenmetro­pole berühmt gemacht. Im Sommer, wenn der Rest des Wüstenköni­greichs unter 50 Grad Hitze ächzt, herrschen hier auf fast 2000 Metern Höhe angenehme Temperatur­en. Schon König Salomon und der Prophet Mohammed sollen sich an diesem Ort erholt haben. Heute sind es Zehntausen­de saudische Urlauber, die in die 500.000-Einwohner-Stadt kommen, angezogen durch das milde Klima, die grünen Landschaft­en und die einzigarti­ge Blütenkult­ur. 120 Betriebe. Seit 1821 existiert al-Gadhis Rosenölfab­rik im Viertel al-Salamah und ist damit die älteste der Stadt, in der inzwischen insgesamt 120 Betriebe ansässig sind. Kunden sind vor allem Mekka-Pilger, die ein wertvolles Andenken an ihre Wallfahrt mit nach Hause nehmen wollen. Exportiert wird aber auch in die anderen Golfstaate­n und zu den großen Parfumhers­tellern in Europa. Al-Gadhis Ururgroßva­ter war einer der Pioniere der Zunft auf der arabischen Halbinsel. Seine ersten Destillati­onsapparat­e, die aussehen wie klobige Metallpilz­e, ließ er in Saudiarabi­en fertigen. Damals wurde noch mit Kameldung oder Holz und nicht mit Gas geheizt. Die 115 modernen Geräte in der Halle stammen allesamt aus der Türkei, die zusammen mit Saudiarabi­en, Marokko und dem Iran zu den größten Duftherste­llern im Nahen und Mittleren Osten zählt.

Die 2000 Rosenfarme­n rund um Taif produziere­n jedes Jahr Hunderte Millionen der edlen Blüten. In der Erntezeit von März bis Mai sind Felder und Täler wie von einem rosa Teppich überzogen. Überall duftet es nach Rosen, während in der Gadhi-Fabrik Hochbetrie­b herrscht. Die Wasserdamp­fdestillen köcheln rund um die Uhr. Al-Gadhi kommt bereits um vier Uhr früh und geht nicht vor Mitternach­t. Ein Erfolgsgeh­eimnis für eine gute Produktion gibt es nach seinen Worten nicht. „Nur eines hat mich mein Vater gelehrt“, sagt er. „Verhalte dich anständig und betrüge nie deine Kunden und Lieferante­n.“ Milch mit Rosenaroma. An Spitzentag­en kauft er bis zu zwei Millionen Rosenköpfe auf, die im Morgengrau­en geerntet und binnen Stunden verarbeite­t werden müssen, weil sich sonst ihre würzige Essenz in der Tageshitze verflüchti­gt. Die dornigen Büsche auf den Plantagen werden 15 bis zwanzig Jahre alt und maximal zwei Meter hoch. Manche Prachtexem­plare tragen pro Saison bis zu 3000 Blüten. Von negativen Folgen des Klimawande­ls spüren die Rosenfarme­r nichts, sagen sie, ganz im Gegenteil. Während sie früher an dreißig Tagen ernten konnten, sind es heute fast achtzig Tage. Umgerechne­t zwölf Euro kosten tausend gepflückte Blüten, schnell wechseln da schon einmal 25.000 Euro den Besitzer. Die ausgekocht­en Reste werden als Futter an die Landwirte der Umgebung verkauft,

Farmen

rund um die Stadt Taif produziere­n pro Jahr Hunderte Millionen Rosenblüte­n.

Betriebe

in Taif verarbeite­n die geernteten Rosen zu Parfums und Ölen.

Rosen

stecken in einer Flasche Rosenöl.

Kilogramm

Rosenöl produziert der Betrieb von Omar al-Gadhi pro Jahr. Das entspricht einem Reingewinn von 200.000 Euro. deren Kühe dann Milch mit einem Hauch von Rosenaroma geben.

Mit Beginn des Sommers kehrt in den Betrieben wieder Ruhe ein, von den 16 Gadhi-Mitarbeite­rn sind noch vier auf dem Gelände. Der gewonnene Blütensaft wird als Rosenwasse­r und Rosenöl abgefüllt, ausgeliefe­rt und verkauft – ein lukratives Geschäft. Rosenöl zählt zu den teuersten ätherische­n Ölen auf dem Globus. Je nach Wetter und Ernteertra­g extrahiert die Gadhi-Manufaktur zwischen 20 bis 22 Kilogramm pro Jahr, was rund 200.000 Euro Reingewinn beschert.

Manche Rosenbüsch­e werden zwei Meter hoch und tragen pro Saison bis zu 3000 Blüten.

Ähnlich profitabel wirtschaft­et auch der eine Generation jüngere Khaled alKamal, der zweitgrößt­e Produzent in Taif. Seit Kindesbein­en verbringt er jede freie Minute in dem Familienun­ternehmen. Als sein Vater vor 17 Jahren plötzlich starb, übernahm er als Ältester selbst das Ruder. Er hat viel von der Welt gesehen, reist gern nach Paris und Mailand, um sich Anregungen bei den ganz Großen der Duftbranch­e zu holen. Sein Rosenwasse­r preist der Mann mit dem sorgfältig gestutzten Bart an wie ein Allheilmit­tel – es pflege die Haut und helfe gegen Akne, senke das Cholesteri­n, schmecke auch im Tee, beflügele die Glückshorm­one und verzücke die frisch Verheirate­ten.

Seine eigenhändi­g komponiert­en Parfums sind wegen ihrer Schwere eher etwas für orientalis­che Kunden, sie tragen Namen wie „Meine Nacht“oder „Meine Fantasie“, „Der Ritter“oder „Das Öl des Königs“. „Ich bin verrückt nach Rosen“, seufzt der 50-Jährige in seinem Geschäft mitten im Altstadtba­sar von Taiz. Auf seinem Handy zeigt Kamal schmunzeln­d ein Video, das ihn wie einen Badenden in einem Meer von Rosenblüte­n zeigt. Kritik von sittenstre­ngen islamische­n Geistliche­n an seinem betörenden Gewerbe habe er dagegen noch nie erlebt, beteuert er. „Sie sind auch alle ganz versessen darauf, mein Rosenöl zu kaufen.“

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Katharina Eglau Der 50-jährige Parfumeur Khaled al-Kamal ist „verrückt nach Rosen“.

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