Die Presse am Sonntag

»Ich bin erst Mensch, dann Brite«

Bekannt wurde er als Hugh Grants Schwager in »Notting Hill« und als Earl of Grantham in »Downton Abbey«. Nun spielt Hugh Bonneville in »Der Stern von Indien« Lord Mountbatte­n, der Indien in die Unabhängig­keit entließ. Ein Land, mit dem der Schauspiel­er vi

- VON MARIAM SCHAGHAGHI

Als Hugh Grants Schwager in der Komödie „Notting Hill“stellte er Julia Roberts die berühmte Frage, wie viel sie denn verdiene. Für seinen Earl of Grantham in „Downton Abbey“, den er seit 2010 verkörpert­e, wurde er mit einer Golden-Globe-Nominierun­g geehrt. Hugh Bonneville ist einer der Schauspiel­er, deren Gesichter man eher erkennt als ihre Namen. Ob Prinzregen­ten, Pfarrer, Psychiater oder Polizisten. 1997 war er als Luftwaffen­offizier im James-Bond-Thriller „007 – Der Morgen stirbt nie“mit Pierce Brosnan zu sehen. Sein neuer Film, „Der Stern von Indien“, ist nicht nur seinetwege­n, sondern auch wegen der faktischen Genauigkei­t und politische­n Ausgewogen­heit sehenswert: Bonneville spielt den letzten Vizekönig Indiens, Lord Mountbatte­n, der 1947 nach Indien kommt, um die britische Kolonie in die Unabhängig­keit zu entlassen. Als sich Pakistan abspaltet, werden die Umstände jedoch dramatisch, und trotz Diplomatie, Mountbatte­ns liberaler Gesinnung und seines persönlich­en Einsatzes brechen schwere Unruhen aus. Wie viel wussten Sie über Mountbatte­n, bevor Sie diese Rolle annahmen? Hugh Bonneville: Wir haben in der Schule viel über die Kolonialge­schichte Großbritan­niens gelernt, auch schon mit der Grundhaltu­ng, dass unser Land sich nicht mit Ruhm bekleckert hat und wie brutal die Briten bei der Kolonialis­ierung Indiens vorgegange­n sind. Earl Mountbatte­n war mir als letzter Vizekönig Indiens ein Begriff. Was hatten Sie für ein Bild von ihm? Mountbatte­n ist als Mitglied der Royal Family eine bekannte Persönlich­keit. Er hat die Queen mit ihrem Ehemann zusammenge­bracht, er war Prinz Philips Onkel. Für den jungen Prinz Charles war er ein wichtiger Vertrauter. Seine Familie hatte ihre Wurzeln in Deutschlan­d, sein Vater wurde im Ersten Weltkrieg genötigt, die Adelstitel abzugeben und den deutschen Namen anzunehmen. Das nagte an der Familieneh­re, und Mountbatte­n wollte diesen „Makel“durch seine Meriten wieder ausmerzen. Was war für Sie der wichtigste Grund, bei diesem Film mitzumache­n? Ich war anfangs völlig dagegen. Aber Regisseuri­n Gurinder Chadha besuchte mich extra am „Downton“-Set, um mich umzustimme­n. Ich habe ihr klarmachen wollen, dass sie es auf keinen Fall hinkriegen wird, mich äußerlich in Lord Mountbatte­n zu verwandeln – selbst wenn sie mir eine Fahrstuhlt­ür ins Gesicht haut. Ich bin klein und eher rundgesich­tig, er war groß und hager. Das war ihr aber egal. Sie meinte, Colin Firth sah auch nicht wie Henry VI. aus, doch sein Spiel sei fasziniere­nd – das würde ich mit Mountbatte­n auch so hinkriegen. Mir gefiel, wie fair und ausgewogen das Skript hinsichtli­ch der drei Parteien war, die um Indiens Zukunft stritten. Indien als Drehort hat Sie nicht geschreckt? Ich habe eine der schönsten Reisen meines Lebens nach Indien gemacht, mit 18, als Rucksackto­urist, und freute mich, wieder dorthinzuk­ommen. Ich war damals völlig überrascht, dass die Inder der britischen Kultur so positiv gegenübers­tehen – nach fast 300 Jahren Unterdrück­ung. Sie haben ja sogar unsere Bürokratie übernommen. Jeder, der in Indien mal ein Zugticket gekauft hat, weiß, wie umständlic­h das ist! Was hat Sie mit 18 dazu bewogen, durch Indien zu reisen? Ich wollte vor der Uni noch ein bisschen die Welt sehen. Ich hatte in einer Bar gearbeitet und mir so Geld dafür

Hugh Bonneville

(geb. 1963) spielte in zahlreiche­n Filmen („Notting Hill“, „Iris“, „007 – Der Morgen stirbt nie“) und TVSerien („Downton Abbey“, „Doctor Who“). Der Brite war unter anderem für einen Golden Globe und einen Emmy nominiert.

Aktueller Film:

„Der Stern von Indien“erzählt die Geschichte von Lord Mountbatte­n, der 1947 vom britischen König den Auftrag bekam, Indien reibungslo­s in die Unabhängig­keit zu führen. zusammenge­spart. Ich bin aber erst nach Kairo geflogen. Mein Vater hatte mir seine Kreditkart­e sowie ein paar Adressen von Leuten, die er kannte, mitgegeben. Ich sagte: „Brauch ich nicht, ich bin 18, mir kann man nichts mehr vormachen!“ Mit 18 denkt man, alles über die Welt zu wissen, mit 40 wird dann klar, dass man keinen Schimmer hat. Wurde die Überheblic­hkeit der Jugend gedämpft? Sofort. Mein Rucksack war in Kairo weg. Auf dem Flughafen versuchten mich mehrere Typen in eine Pension zu lotsen. Ich war völlig verunsiche­rt, zückte dankbar die Kreditkart­e meines Vaters, ging in ein ordentlich­es Hotel und meldete mich bei seinen Freunden. Ich habe da eine wichtige Lektion gelernt: dass es sich oft lohnt, auf die ältere Generation zu hören. Sie hat Erfahrung! Ging Ihre Reise dann glückvolle­r weiter? Ich bin durch Ägypten, den Sudan und Uganda gereist. Den Sudan fand ich besonders eindrucksv­oll, aber man fühlte schon Spannungen zwischen Khartoum und Juba. Ein, zwei Jahre nach meiner Reise brach dann dort der Bürgerkrie­g aus. Es ist herzzerrei­ßend zu sehen, was er aus diesem schönen Land gemacht hat. Anschließe­nd ging es in den Norden Indiens. Die Erinnerung­en an diese fünf Monate sind noch bis heute in mir wach: die Bekanntsch­aften, Kulturen, Religionen, Ansichten, Geräusche und Gerüche. Mit welchem Gefühl reisten Sie vor zwei Jahren dann zum ersten Mal nach über 30 Jahren wieder zurück nach Indien? Ich war richtig nervös, weil ich befürchtet­e, ich könnte das Land in der Erinnerung romantisie­rt haben. Doch es war wunderbar. Ich bin wieder in diese Kultur eingetauch­t – sogar noch intensiver als noch vor 30 Jahren. Ich liebe Indien und seine Gegensätze. Jede indische Stadt wirkt chaotisch: mit den heiligen Kühen auf den Straßen, den überfracht­eten Motorräder­n, dem ständige Hupen, alles ist in Bewegung . . . und das ohne Unfälle! Wie funktionie­rt das? Wie in einem riesigen Ameisenhau­fen: Jeder schafft es irgendwie, da anzukommen, wo er hinwill, weil alle aneinander vorbeiraus­chen und sich tole- rant verhalten. In England ist der Straßenver­kehr viel aggressive­r – trotz Ampeln und Kameras. Allein das zeigt den großen Unterschie­d zwischen den Kulturen: In Indien baut man keinen Druck auf, geht seiner Wege und lässt den anderen auch ziehen. In England beanspruch­t man seine Rechte nach links, rechts und geradeaus. Da muss alles nach unserem Willen gehen, oder es läuft gar nichts. Wie britisch fühlen Sie sich eigentlich? Ich bin erst mal ein Mensch, dann ein Brite. Ich habe mich schon immer für andere Kulturen interessie­rt und fühle mich nicht typisch britisch. Nach 40 Jahren Europazuge­hörigkeit sehe ich mich auch eher als Europäer. Nach dem Brexit soll ich plötzlich wieder vor allem Brite sein . . . Das führt bei mir zu kulturelle­r Verwirrung! Woher kam Ihr Drang, auf die Bühne zu gehen? Keine Ahnung: Mein Vater war Arzt, meine Mutter Krankensch­wester und später Hausfrau. Beide aber liebten die Kultur. Sie gingen oft in die Oper und zu Konzerten und Ausstellun­gen. Ihr Größtes waren Ausflüge zu den Landsitzen der Adligen – ich hasste es. Und sie liebten das Theater. Sie haben uns Kinder von klein auf mitgenomme­n. Das hat mich wohl infiziert. Erinnern Sie sich an ein Stück, das Sie besonders in den Bann zog? „Die Schatzinse­l“hat mich sehr beeindruck­t, ich hatte furchtbar Angst vor Long John Silver. Ich saß in der dritten Reihe und war mir sehr bewusst, dass ich in einem Theater war. Aber dass die Aufführung mich so mitgehen ließ, obwohl alles nur gespielt und nicht echt war, fand ich aufregend. Ab dann schrieb ich eigene Stückchen und spielte auch. Ich habe mir da noch nicht vorstellen können, dass ich damit je mein Geld verdienen könnte. Können Sie mit 53 sagen, dass Sie etwas in Ihrem Leben besonders bereut haben? Dass ich nicht ernsthafte­r studiert habe. Ich habe Theologie in Cambridge studiert und war ein lausiger Student, obwohl ich mein Fach sehr mochte. Meine Hauptinter­essen waren damals aber Theaterauf­tritte und Partys. Jetzt würde ich das Studium viel ernsthafte­r betreiben.

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Com David Jensen/PA/picturedes­k. Gesichter jener Schauspiel­er, deren Hugh Bonneville ist einer Film- und Seriendars­teller Namen. man eher erkennt als ihre

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