Die Presse am Sonntag

Gurlitts schweres Erbe

Das Kunstmuseu­m Bern übernahm im Juli die Sammlung Gurlitt. Damit endet ein langer Rechtsstre­it. Für das Museum beginnt jetzt die Provenienz­forschung.

- VON EVA KOMAREK

Mitte Juli präsentier­te das Kunstmuseu­m Bern erste Werke aus dem Nachlass von Cornelius Gurlitt, jener Sammlung, die zum prominente­sten Raubkunst-Fall Deutschlan­ds wurde. Die Sammlung umfasst rund 1500 Arbeiten, darunter Werke von Picasso, Marc Chagall, Rodin, Henri Matisse, Otto Dix, Max Beckmann und Max Liebermann, um nur einige zu nennen. Am 18. August gewährt das Museum Einblicke in die Restaurier­ung der Werke, an der mit Hochdruck gearbeitet wird. Denn im November soll es eine Doppelauss­tellung in Deutschlan­d und der Schweiz mit dem Titel „Bestandsau­fnahme Gurlitt. Entartete Kunst – Beschlagna­hmt und verkauft“geben, in der die Bilder der umstritten­en Sammlung gezeigt werden. Im Kunstmuseu­m Bern startet die Ausstellun­g am 2. November, in der Kunsthalle Bonn einen Tag später. Heißer Fund vor fünf Jahren. Vor rund fünf Jahren stießen deutsche Steuerfahn­der in Schwabing auf die Sammlung Gurlitt, die in der Folge beschlagna­hmt wurde. Die Sammlung war von NS-Kunsthändl­er Hildebrand Gurlitt, Vater von Cornelius Gurlitt, zusammenge­tragen worden und bestand zu großen Teilen aus Raubkunst. Die Öffentlich­keit erfuhr erst eineinhalb Jahre später davon, durch das deutsche Nachrichte­nmagazin „Focus“. Es folgte eine heiße Debatte über Deutschlan­ds Raubkunstp­roblem und ein Streit, wem diese Sammlung zusteht und welche Bedeutung sie hat. Eine eigene Taskforce sollte möglichst rasch die Herkunft von rund 500 Werken klären, die unter Raubkunstv­erdacht standen. Die Aufklärung verlief schleppend, die Taskforce wurde viel kritisiert, was die fachliche Beurteilun­g und Provenienz­forschung betraf.

Bis heute konnten laut Nachrichte­nagentur Reuters nur fünf eindeutig als vom NS-Regime gestohlene Werke identifizi­ert werden. Vier Werke wurden inzwischen restituier­t, darunter auch „Sitzende Frau“von Henri Matisse, eines der bedeutends­ten Bilder dieser Sammlung, das dem Pariser Kunstsamml­er Paul Rosenberg gehört hatte, sowie „La Seine, vue du PontNeuf, au fond le Louvre“von Camille Pissarro, das dem in Paris lebenden Unternehme­r Max Heilbronn entzogen worden war. Mit dem Tod Cornelius Gurlitts 2014 bekam der Fall Gurlitt eine weitere erschweren­de Komponente. Denn es entbrannte ein Rechtsstre­it um das Testament. Gurlitt hat die Sammlung dem Kunstmuseu­m Bern vermacht. Der Übernahme der Sammlung durch das Museum ging ein fast zwei Jahre dauernder Erbstreit voran. Im Dezember kam schließlic­h die finale Entscheidu­ng durch das Münchner Oberlandes­gericht, das die Sammlung dem Museum zusprach.

Das Museum hat ein schweres Erbe angetreten, denn hier fängt die Arbeit jetzt erst an. Bern arbeitet mit dem deutschen Zentrum für Kulturgutv­erluste zusammen, um weitere Provenienz­en zu prüfen. Knapp 100 verdächtig­e Werke sind gleich in Deutschlan­d geblieben. Bei weiteren 152 seien laut Reuters erste Hinweise aufgetauch­t, dass es sich um Raubkunst handelt. Bis Dezember will das Museum alle Provenienz­en geklärt haben.

Bis jetzt wurden erst fünf Werke als eindeutig in der NS-Zeit entzogen identifizi­ert.

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