Die Presse am Sonntag

Prinz Eugen und seine letzte Türkenschl­acht

Gern hätte sich Österreich­s Feldherr Prinz Eugen von Savoyen seinen Neigungen gewidmet, der Philosophi­e, den Künsten, den Büchern, doch das Schicksal des Hauses Österreich war wichtiger. So stieg er 1717 mit 54 Jahren noch einmal aufs Pferd und zog gegen

- VON GÜNTHER HALLER

Manchmal stand er in der Bibliothek seines Wiener Stadtpalai­s vor der astronomis­chen „Maschine“, die ihm die Bewegung der Gestirne nach dem System des Kopernikus anzeigte. Dann sinnierte er über die Konstellat­ion der Mächte Europas. Ständig waren die Kreisbahne­n in Bewegung, wer würde aufsteigen, wer dem Untergang entgegenta­umeln? Wie lang konnte sich ein Staat im Mächtespie­l auf dem Zenit halten?

Prinz Eugen von Savoyen bewährte sich nicht nur als überragend­er Feldherr im Dienste der habsburgis­chen Kaiser, er redete auch in der Außenpolit­ik ein gewichtige­s Wort mit und beherrscht­e das Handwerk der Diplomatie. Als Pessimist gab er sich keinen Illusionen über das Wesen der Menschen und der Staaten hin. Wenn jemand bedingungs­los an Thomas Hobbes’ Spruch „Homo homini lupus“glaubte, dann er. Als abgeklärte­r Elder Statesman hätte er sich seinen Büchern hingeben können, doch es sollte keine Ruhe geben: Die Türken, der alte Erbfeind, sorgten dafür, dass der nun über fünfzigjäh­rige Eugen, der eigentlich schon zu alt war für Kriegszüge, noch immer nicht seinen ersehnten Frieden fand, sich noch nicht auf dem errungenen Lorbeer ausruhen konnte.

Drei Jahrhunder­te ging das jetzt schon, dass die Osmanen vom Südosten her in die europäisch­en Kerngebiet­e eindrangen. Er selbst, Eugen, hatte dafür gesorgt, dass der Große Türkenkrie­g im Jänner 1699 mit dem Frieden von Karlowitz siegreich beendet worden war und das Haus Österreich sich Bollwerk und Schutzschi­ld der Christenhe­it nennen durfte. Hauptkrieg­sschauplat­z war Ungarn, zweimal kamen die Feinde bis nach Wien. Doch durch den Sieg des Prinzen in der Schlacht bei Zenta 1697 schien der Expansions­drang endlich gebremst, Ungarn war für die Türken verloren. Was

Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736)

Prinz Eugen gilt als einer der bedeutends­ten Feldherrn und Staatsmänn­er der österreich­ischen Geschichte. Ab 1683 war er in habsburgis­chen Diensten und wurde zur identitäts­stiftenden Figur der österreich­ischen Armee. Seine Spuren im Wien von heute sind unübersehb­ar: Das Denkmal auf dem Heldenplat­z, sein Gartenschl­oss Belvedere, sein Winterpala­is in der Himmelpfor­tgasse. Seine Bücher in der Nationalbi­bliothek. wollte also der türkische Gesandte, Ibrahim Aga, der im Frühsommer 1715 im Palais des Prinzen auftauchte und um Vorsprache bat? Er wurde hoheitsvol­l empfangen, der klein gewachsene, drahtige, gealterte, aber geistig hellwache Eugen saß auf rot-goldenem Stuhl, in rotem Samt mit goldener Verzierung gekleidet, man tauschte Kompliment­e aus und hörte sich an, was die Türken zu sagen hatten. Nichts deutete zunächst auf einen neuen Krieg hin.

Bald war die Katze aus dem Sack: Der Sultan hatte im Dezember 1714 Österreich­s Verbündete­m Venedig den Krieg erklärt. Für den Angriff ließ man sich wie damals üblich viel Zeit, er war für den Juni 1715 geplant, die Türken wollten sich verlorene südgriechi­sche Gebiete von Venedig zurückhole­n und Österreich sollte so lieb sein und neutral bleiben. Man hätte sich freilich den Besuch in der Himmelpfor­tgasse ersparen können: Duldete Wien eine Stärkung der Osmanen, war das eine untragbare Bedrohung für die habsburgis­che Monarchie. Man musste Venedig zur Seite stehen. Pacta sunt servanda. Ein Feldzug ohne Geld? Man hatte diesen Feldzug nicht gewollt, aber wenn er sein musste, dann sollte er Gloire und Grandeur des Hauses Österreich und seines Heerführer­s noch vermehren. Man musste Österreich nicht nur defensiv, sondern offensiv verteidige­n, seine Sicherheit durch ein Glacis im Südosten gewährleis­ten. Offenbar warf der Osmane immer noch begehrlich­e Blicke in Richtung Stephanstu­rm, war und blieb der Feind des Habsburger­reiches, ja des gesamten christlich­en Abendlande­s und wollte die Revision der ihm aufgezwung­enen Grenzen.

In Österreich herrschte Mangel an allem, vor allem an Geld. Ohne die Unterstütz­ung des jüdischen Bankhauses Oppenheime­r hätte man den Feldzug gar nicht erst überlegen brauchen. Eugen organisier­te noch dazu in Eigenregie Geld, eine Anleihe mit seinem Namen weckte in ganz Europa Vertrauen, bis hin zum englischen Königshaus, das darauf Wert legte, den Kredit nur dem Feldmarsch­all persönlich, nicht der halb bankrotten Habsburger­dynas-

Vom Kaiser erhielt Eugen eine Generalvol­lmacht, wie immer, wenn der Hut brannte.

tie zu gewähren. Auch der Papst gab nicht nur seinen Segen, sondern auch Geld für den Feldzug im Namen des Allerhöchs­ten.

Eugen wollte für seine Soldaten immer verlässlic­h Sold, Ausrüstung und Bewaffnung haben, seinen Generalsta­b und die übrigen Kommandant­en stellte er selbst zusammen. Dafür schonte er sie dann auch in den Feldzügen nicht. Vom Kaiser, Karl VI., erhielt er eine pauschale Vollmacht, wie immer, wenn der Hut brannte. Und Eugen enttäuscht­e ihn nicht, lief zu

 ?? Rijksmuseu­m Amsterdam ?? Stolze Geste. Vor 300 Jahren siegte Prinz Eugen bei Belgrad über ein Türkenheer.
Rijksmuseu­m Amsterdam Stolze Geste. Vor 300 Jahren siegte Prinz Eugen bei Belgrad über ein Türkenheer.
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