Die Presse am Sonntag

Bitte keine Berater!

Christian Kern kann einem leid tun. Nach dem weiteren Rückschlag werden sowohl er als auch seine Gegner leider noch aggressive­r und populistis­cher.

- LEITARTIKE­L VON R A I N E R N OWA K

Es gibt eine alte Regel: Man kennt Berater, hört aber nicht auf Berater. Parteiwahl­kampfspezi­alisten haben neben einer erfolgreic­hen Kampagne daher einen zentralen Auftrag: unsichtbar bleiben. Wer einmal wie einst Viktor Klima in den Geruch kommt, Handpuppe von Spindoktor­en (damals ein gewisser Jo Kalina) zu werden, wirkt künstlich und verliert. Noch gefährlich­er ist das Engagement Externer, die für Strategie und Schmutzküb­elwahlkamp­f engagiert werden. Man fragt sich, was Parteien mit den üppigen Förderunge­n eigentlich treiben? Offenbar keine politische­n Fachleute ausbilden.

Interessan­terweise halten es Auftraggeb­er von Tal Silberstei­n, der in Israel der Beihilfe zur Steuerhint­erziehung beschuldig­t wird und deswegen gerade in Haft war, anders. Egal, ob Wiener Sozialdemo­kraten, Wiener Neos oder wie zuletzt stolze Mitglieder des Teams Kern, fast alle erzählen mit leuchtende­n Augen von Silberstei­ns Zauberküns­ten, von seiner unglaublic­hen Fähigkeit, aus Daten die zentralen Themen für eine bestimmte Klientel filtern zu können. Nun dis- tanzieren sich alle von ihm, Kern sprach zum Jahresbegi­nn noch von Unsinn im Zusammenha­ng mit den Vorwürfen gegen Silberstei­n. Nun war er eben ein politische­r Fehler und ohnehin nur eine Nebenfigur im Wahlkampf. Natürlich, Herr Bundeskanz­ler, ganz sicher. Außerdem: Bei aller Hochachtun­g vor dem Intellekt Alfred Gusenbauer­s ist dessen Verwicklun­g in die dubiosen Geschäfte um Bodenschät­ze von Silberstei­n-Intimus Beny Steinmetz in Rumänien sehr, sehr fragwürdig. Nur zur Einordnung: Vom FBI abwärts ermitteln Behörden mehrerer Länder gegen die Partie. Auch Gusenbauer dürfte kein idealer Kanzlerber­ater sein.

Besonders unterhalts­am in diesem Wahlkampf sind die Mimimi-Szenen. Abwechseln­d werfen einander der rote Bundesgesc­häftsführe­r und die schwarze Generalsek­retärin Dirty Campaignin­g vor, um im nächsten Atemzug genau das selbst fortzusetz­en, egal, ob es sich dabei um sexistisch­e Formulieru­ngen gegen ÖVP-Kandidatin­nen oder Diffamieru­ngen gegen den Sohn Kerns wegen Tragens luxuriöser Uhren handelt. Einigen wir uns einfach darauf, dass beide tief im Schlamm robben. Sollte das so weitergehe­n könnte ein gewisser Heinz-Christian Strache als sauberer Dritter auftreten.

Neben dieser Mischung aus Hysterie, Aggression und Glaskinn sollte uns etwas sehr nervös machen. Sowohl SPÖ als auch ÖVP verspreche­n gerade allen das Blaue vom Himmel und halten es mit Steuergeld ein. Pflegeregr­ess abschaffen? Kein Problem. Kleine Pensionen kräftig erhöhen? Geht schon. Nun verabschie­den sich Kurz und die ÖVP auch noch vor der statistisc­h notwendige­n Forderung, das Frauenpens­ionsalter anzuheben. Was kommt als Nächstes? Das ÖVP-Verspreche­n, alle Pensionen seien auf Ewigkeit sicher? Kern verspricht en passant, die Fluglinie Niki vor dem Konkurs zu retten, den schon Angela Merkel in Deutschlan­d bei der Mutter Air Berlin verhindert. Warum nicht gleich eine Staatsgara­ntie, dass kein Arbeitspla­tz verloren gehen darf? Die paar Milliarden wird sich Kern wohl holen dürfen.

Das kennt man aus den letzten Tagen vor dem Wahlsonnta­g, wir haben noch 56 Tage.

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