Die Presse am Sonntag

Stefan Steiner oder: Wie man aus Josef Prölls Fehlern lernt

- VON THOMAS PRIOR

Ob Asylpoliti­k oder Parteiöffn­ung: Der 39-jährige Niederöste­rreicher ist der wohl wichtigste Berater von Sebastian Kurz. Immer dann, wenn Sebastian Kurz in den vergangene­n Wochen eine Neuerwerbu­ng für die Kandidaten­liste der ÖVP präsentier­te, sah man ihn irgendwo im Hintergrun­d stehen, meist mit verschränk­ten Armen, konzentrie­rt zuhörend und zuschauend. Stefan Steiner sieht sich die Dinge gern aus einiger Entfernung an, vielleicht, weil er von dort einen besseren Überblick hat und die Zusammenhä­nge eher erkennt.

Der 39-jährige Niederöste­rreicher ist eine der zentralen Figuren im Kampagnent­eam der ÖVP, wenn nicht die zentrale Figur neben dem Parteiobma­nn. Er ist der Denker und Analytiker, zuständig für Programmat­ik, Strategie und etwaige Überschnei­dungen. Und so etwas wie der „Brockhaus“in der Runde. Wann immer jemand eine politische Maßnahme vorschlägt, weiß Stefan Steiner in der Regel, welche Partei das in welchem Staat schon einmal versucht hat. Und ob das dann gut oder schlecht ausgegange­n ist.

Karriere in der Politik hat er lang vor Sebastian Kurz gemacht, wenn auch nicht im Rampenlich­t, sondern dort, wo er sich am wohlsten fühlt: in der zweiten Reihe. Josef Pröll hat Steiner im Dezember 2008 aus dem Innenminis­terium, in dem er Referent im Kabinett von Maria Fekter war, in die Bundespart­ei geholt und zum Leiter der politische­n Abteilung gemacht. Und zwar auf Empfehlung von Stephan Pernkopf, damals Prölls Büroleiter, heute Landeshaup­tmannstell­vertreter in Niederöste­rreich. Pernkopf und Steiner kennen sich aus der gemeinsame­n Heimat Wieselburg. Zeitzeuge des Scheiterns. Damals sollte Stefan Steiner mithelfen, Josef Prölls Perspektiv­enpapier, ein Konzept für die – vor allem gesellscha­ftspolitis­che – Modernisie­rung der ÖVP, ins Parteiprog­ramm zu integriere­n. Doch das Unterfange­n scheiterte an den komplizier­ten Machtverhä­ltnissen in der Volksparte­i, vor allem an einigen Landespart­eichefs. Josef Pröll hätte sich vor seinem Amtsantrit­t gewisse Freiheiten ausbedinge­n müs- sen, sagen viele seiner Mitarbeite­r heute selbstkrit­isch. So aber hätte die ÖVP leichtes Spiel mit ihm gehabt.

Sebastian Kurz hat aus Josef Prölls Fehlern gelernt – über den Zeitzeugen Stefan Steiner, der nicht will, dass sich die Geschichte wiederholt. ÖVP-Kenner sind sich einig, dass die Bundeslist­e für die Wahl, die fast ausschließ­lich mit Quereinste­igern besetzt wurde, Steiners Handschrif­t trägt. Es gehe ihm nach wie vor um eine Öffnung der ÖVP, zumal in Zeiten, in denen die Partei als in sich geschlosse­ne Organisati­onseinheit in Verruf geraten ist. Und die einstigen Großpartei­en kontinuier­lich Wähler verlieren. Der neue türkise Anstrich der Volksparte­i ist die optische Konsequenz daraus.

Zu seinem heutigen Chef kam Stefan Steiner im April 2011, nach Josef Prölls Rücktritt, als Sebastian Kurz unter dem neuen Parteiobma­nn Michael Spindelegg­er Integratio­nsstaatsse­kretär wurde und einen Kabinettsc­hef brauchte. Steiner bot sich nicht nur als Jurist an, und weil er Kabinettse­rfahrung aus dem Innenminis­terium vorweisen konnte. Sondern vor allem deshalb, weil er fließend Türkisch spricht. Zum Teil ist er nämlich in der Türkei aufgewachs­en. Seine Eltern waren Lehrer am St.-GeorgsKoll­eg in Istanbul.

Als Sebastian Kurz nach der Nationalra­tswahl 2013 ins Außenminis­terium übersiedel­te, wurde Stefan Steiner Chef der neuen Integratio­nssektion. Politisch sind die beiden auf einer Wellenläng­e: gesellscha­ftspolitis­ch relativ offen, wirtschaft­spolitisch liberal und sicherheit­spolitisch restriktiv. In der Flüchtling­skrise etwa nahm Steiner maßgeblich­en Einfluss auf die Linie des Ministers. Auch der Slogan „Integratio­n durch Leistung“wurde von ihm miterfunde­n.

Mit dem Obmannwech­sel von Reinhold Mitterlehn­er zu Sebastian Kurz zog auch Stefan Steiner wieder in die ÖVP-Zentrale um. In leitender Funktion, wie es in einer Presseauss­endung Mitte Juni hieß, verantwort­lich für „programmat­ische Inhalte und Strategie“. Auf der Homepage wird er als Generalsek­retär neben Elisabeth Köstinger geführt, die nach außen als Nummer eins auftritt und formal auch den Wahlkampf leitet. Wie ein Klassentre­ffen. Tatsächlic­h, heißt es aus dem schwarzen Kampagnent­eam, würden die Entscheidu­ngen aber im Kollektiv getroffen. Zum engsten Kreis um den Parteichef zählen neben Stefan Steiner und Elisabeth Köstinger auch ÖVP-Geschäftsf­ührer Axel Melchior und der Pressespre­cher von Sebastian Kurz, Gerald Fleischman­n. Dann und wann stoßen Experten von außen dazu, allen voran der Unternehme­r und Kampagnens­pezialist Philipp Maderthane­r.

Ein bisschen ist das dann wie ein Josef-Pröll-Klassentre­ffen. Denn Maderthane­r war seinerzeit Kommunikat­ionschef der ÖVP – und Fleischman­n deren Pressespre­cher.

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