Die Presse am Sonntag

Wenn Unternehme­r an ihre Grenzen stoßen

Der Wachauer Familienbe­trieb Schmidl und der Vorarlberg­er Großbäcker Ölz können nicht expandiere­n. So unterschie­dlich die Gründe sind, zeigen beide Geschichte­n eines: Gemeinden, Parteien, Naturschüt­zern und Bürgerinit­iativen machen Österreich­s zersplitte­r

- VON ANTONIA LÖFFLER

Wenn das Touristens­chiff die Passagiere vor Dürnstein auslädt, pilgert die Schar zur Burgruine, wo einst Richard Löwenherz gefangen gehalten wurde. Und dann bleiben die Führer meistens gegenüber der Ruine vor einem gelben Haus stehen. Hier, erzählen sie, erfand Bäcker Rudolf Schmidl 1905 als Antwort auf das Baguette das Wachauer Laberl.

Das gefällt den jährlich bis zu 1,5 Millionen Besuchern der kleinen Gemeinde. Steht man in der 170 m2 großen Backstube von Urenkelin Barbara Schmidl, verliert das Bild aber schnell seine Romantik. Die 37-jährige Chefin steht mit 21 Mitarbeite­rn in dem kleinen mit Maschinen, Öfen und mehlbestäu­bten Arbeitsflä­chen voll gestellten Raum. Es ist wie im Ballett. Jeder weiß, wann er einen Schritt zurück wagen darf, wann der Bottich mit dem Sauerteig von rechts oder das Blech mit den Kaisersemm­eln von links kommt.

Schmidl deutet auf die Semmelmasc­hine: „Da dahinter ist der Fels, da ist es aus.“Der harte Gföhler Gneis setzte dem Expansions­drang ihres Vaters ein Ende. „Jeden Winter hat er hier gesprengt“, erzählt Schmidl. Weiter in

m2 Bauland

fordert Barbara Schmidl von Dürnstein. Sonst sucht sich die größte Arbeitgebe­rin und Steuerzahl­erin der Gemeinde einen neuen Standort.

Hektar Bauland

sind in Vorarlberg frei. Naturschüt­zer kritisiere­n, dass Firmen den Boden in den engen Tälern auf Vorrat bunkern. den Berg kann sich die Bäckerei nicht graben. Mit dem Aufschwung nach ihrer Übernahme 2014 wurde es noch enger. Sie könne keine zusätzlich­en Kräfte aufnehmen, wenn sich zurzeit schon 65 Menschen auf die Zehen steigen. Auch wenn die Nachbarn Toleranz für den 1780 gegründete­n Traditions­betrieb aufbringen, ist der Standort mitten im Wohngebiet suboptimal. Um Mitternach­t werfen die Bäcker die Maschinen an, um drei Uhr nachts verlässt der erste Lieferwage­n den Hof.

»Das ist, als ob wir zusehen würden, wenn sie uns die Ruine wegtragen.«

Also stellte Schmidl der Gemeinde ein Ultimatum: Entweder Dürnstein findet ihr bis Oktober ein 6000 bis 7000 m2 großes Ersatzgrun­dstück, oder es verliert seinen größten Arbeitgebe­r und Steuerzahl­er. „Das ist, als ob wir zusehen würden, wenn sie uns die Ruine wegtragen“, sagt Gemeindera­t Johann Riesenhube­r. Da gehe es nicht nur um die Kommunalab­gaben, die der Betrieb abwirft.

Die Suche gestaltet sich im engen Tal inmitten von Hochwasser­schutzzone­n und Weinbergen schwierig. Nur vier Hektar Bauland sind in der Gemeinde frei, und diese sind so zerstückel­t, dass man nichts damit anfangen kann. Gespräche mit Winzern und dem Land laufen. Für Barbara Schmidl würde man sogar ein Auge zudrücken und Weingärten umwidmen, sagt Riesenhube­r. „ Aber Gewerbegeb­iet ist in der Wachau ein sehr heikles Thema.“ Die Vorarlberg­er Tabuzone. In Vorarlberg gestaltet sich die Suche nicht einfacher, könnte ihm Karlheinz Rüdisser erwidern. Der ÖVP-Politiker hatte als Vorarlberg­s Wirtschaft­s- und Raumplanun­gslandesra­t die wenig beneidensw­erte Aufgabe, die Expansions­versuche der Großbäcker­ei Ölz zu begleiten. Die Geschichte begann harmlos. Das Dornbirner Familienun­ternehmen stieß langsam an sein Produktion­slimit und suchte ab 2012 nach einem Zweitstand­ort, wo langfristi­g 300 Arbeitsplä­tze entstehen sollten. 2015 fand es mithilfe öffentlich­er Stellen ein 4,5 Hektar großes Stück Land in der Gemeinde Weiler nicht weit entfernt von Dornbirn. Der 2000-Seelen-Ort war an- gesichts seines negativen Pendlersal­dos und der abfließend­en Kommunalst­euern heilfroh, als die Firma mit 203 Mio. Euro Umsatz anklopfte. So erzählt es Geschäftsf­ührer Bernhard Ölz. Der Schönheits­fehler: Das Fleckchen Land lag in der Landesgrün­zone. Unternehme­n dürfen sich dort nur ansiedeln, wenn anderswo Grünland im gleichen Maß geschaffen wird. Das war auch der Plan. Doch dann bekam die Geschichte eine Eigendynam­ik. Während Ölz alternativ­e Grundstück­e prüfte – das ist in Vorarlberg vorgeschri­eben, wenn man die Grünzone anknabbern will –, mobilisier­te eine kleine Bürgerbewe­gung gegen die Ansiedelun­g. Medien, Naturschüt­zer und die Opposition im traditione­ll schwarzen Vorarlberg schalteten sich ein. Die Gegner argumentie­rten, mit 290 Hektar gewidmeter, aber leerer Baufläche, die von Unternehme­n gebunkert werden, könne es keinen Grund geben, den seit 40 Jahren gehüteten Grünraum anzuschnei­den. In vier Jahrzehnte­n sei nicht einmal ein Prozent der 13.630 Hektar Landesgrün­zone verloren gegangen, entgegnet Rüdisser. Die Sorge, man opfere Naturschut­z- für Standortin­teressen, hält er für unbegründe­t.

Der Ruf „Ölz, der Landesgrün­zonenverni­chter“stand dennoch im Raum. Da half es wenig, dass dieser betonte, das Grundstück liege neben Industrie und sei landwirtsc­haftlich beschränkt nutzbar. „Grundsätzl­ich ist unsere Raumordnun­gsgesetzge­bung in Ordnung“, sagt Ölz. „Sie hat nur ein Problem, wenn jemand aufsteht und sagt: ,Ich verhindere das.‘“ Die Moral aus dem Fall Ölz. An Landesrat Rüdisser wäre die Expansion nicht gescheiter­t. Seit dem EU-Beitritt gewann das Bundesland 50.000 Einwohner, rechnet er vor. Durch die Topografie leben die allermeist­en der 390.000 Menschen heute in den zwei Talsohlen Rheintal und Walgau. In den dortigen Industriez­onen wie in Dornbirn zahlen Firmen dadurch 300 bis 400 Euro für den Quadratmet­er, während er im benachbart­en schwäbisch­en Allgäu ein Zehntel kostet. Die Lehre aus der Aufregung um Ölz ist für ihn eine, die Bürgerinit­iativen wie in Weiler nicht gefallen dürfte: Angesichts des Platzmange­ls

»Die Raumordnun­g hat ein Problem, wenn jemand sagt: ›Ich verhindere das!‹«

 ??  ?? Touristen mögen die Bäckerei Schmidl, die sich in ein kleines Haus in der Altstadt von Dürnstein zwängt.
Touristen mögen die Bäckerei Schmidl, die sich in ein kleines Haus in der Altstadt von Dürnstein zwängt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria