Wenn Unternehmer an ihre Grenzen stoßen
Der Wachauer Familienbetrieb Schmidl und der Vorarlberger Großbäcker Ölz können nicht expandieren. So unterschiedlich die Gründe sind, zeigen beide Geschichten eines: Gemeinden, Parteien, Naturschützern und Bürgerinitiativen machen Österreichs zersplitter
Wenn das Touristenschiff die Passagiere vor Dürnstein auslädt, pilgert die Schar zur Burgruine, wo einst Richard Löwenherz gefangen gehalten wurde. Und dann bleiben die Führer meistens gegenüber der Ruine vor einem gelben Haus stehen. Hier, erzählen sie, erfand Bäcker Rudolf Schmidl 1905 als Antwort auf das Baguette das Wachauer Laberl.
Das gefällt den jährlich bis zu 1,5 Millionen Besuchern der kleinen Gemeinde. Steht man in der 170 m2 großen Backstube von Urenkelin Barbara Schmidl, verliert das Bild aber schnell seine Romantik. Die 37-jährige Chefin steht mit 21 Mitarbeitern in dem kleinen mit Maschinen, Öfen und mehlbestäubten Arbeitsflächen voll gestellten Raum. Es ist wie im Ballett. Jeder weiß, wann er einen Schritt zurück wagen darf, wann der Bottich mit dem Sauerteig von rechts oder das Blech mit den Kaisersemmeln von links kommt.
Schmidl deutet auf die Semmelmaschine: „Da dahinter ist der Fels, da ist es aus.“Der harte Gföhler Gneis setzte dem Expansionsdrang ihres Vaters ein Ende. „Jeden Winter hat er hier gesprengt“, erzählt Schmidl. Weiter in
m2 Bauland
fordert Barbara Schmidl von Dürnstein. Sonst sucht sich die größte Arbeitgeberin und Steuerzahlerin der Gemeinde einen neuen Standort.
Hektar Bauland
sind in Vorarlberg frei. Naturschützer kritisieren, dass Firmen den Boden in den engen Tälern auf Vorrat bunkern. den Berg kann sich die Bäckerei nicht graben. Mit dem Aufschwung nach ihrer Übernahme 2014 wurde es noch enger. Sie könne keine zusätzlichen Kräfte aufnehmen, wenn sich zurzeit schon 65 Menschen auf die Zehen steigen. Auch wenn die Nachbarn Toleranz für den 1780 gegründeten Traditionsbetrieb aufbringen, ist der Standort mitten im Wohngebiet suboptimal. Um Mitternacht werfen die Bäcker die Maschinen an, um drei Uhr nachts verlässt der erste Lieferwagen den Hof.
»Das ist, als ob wir zusehen würden, wenn sie uns die Ruine wegtragen.«
Also stellte Schmidl der Gemeinde ein Ultimatum: Entweder Dürnstein findet ihr bis Oktober ein 6000 bis 7000 m2 großes Ersatzgrundstück, oder es verliert seinen größten Arbeitgeber und Steuerzahler. „Das ist, als ob wir zusehen würden, wenn sie uns die Ruine wegtragen“, sagt Gemeinderat Johann Riesenhuber. Da gehe es nicht nur um die Kommunalabgaben, die der Betrieb abwirft.
Die Suche gestaltet sich im engen Tal inmitten von Hochwasserschutzzonen und Weinbergen schwierig. Nur vier Hektar Bauland sind in der Gemeinde frei, und diese sind so zerstückelt, dass man nichts damit anfangen kann. Gespräche mit Winzern und dem Land laufen. Für Barbara Schmidl würde man sogar ein Auge zudrücken und Weingärten umwidmen, sagt Riesenhuber. „ Aber Gewerbegebiet ist in der Wachau ein sehr heikles Thema.“ Die Vorarlberger Tabuzone. In Vorarlberg gestaltet sich die Suche nicht einfacher, könnte ihm Karlheinz Rüdisser erwidern. Der ÖVP-Politiker hatte als Vorarlbergs Wirtschafts- und Raumplanungslandesrat die wenig beneidenswerte Aufgabe, die Expansionsversuche der Großbäckerei Ölz zu begleiten. Die Geschichte begann harmlos. Das Dornbirner Familienunternehmen stieß langsam an sein Produktionslimit und suchte ab 2012 nach einem Zweitstandort, wo langfristig 300 Arbeitsplätze entstehen sollten. 2015 fand es mithilfe öffentlicher Stellen ein 4,5 Hektar großes Stück Land in der Gemeinde Weiler nicht weit entfernt von Dornbirn. Der 2000-Seelen-Ort war an- gesichts seines negativen Pendlersaldos und der abfließenden Kommunalsteuern heilfroh, als die Firma mit 203 Mio. Euro Umsatz anklopfte. So erzählt es Geschäftsführer Bernhard Ölz. Der Schönheitsfehler: Das Fleckchen Land lag in der Landesgrünzone. Unternehmen dürfen sich dort nur ansiedeln, wenn anderswo Grünland im gleichen Maß geschaffen wird. Das war auch der Plan. Doch dann bekam die Geschichte eine Eigendynamik. Während Ölz alternative Grundstücke prüfte – das ist in Vorarlberg vorgeschrieben, wenn man die Grünzone anknabbern will –, mobilisierte eine kleine Bürgerbewegung gegen die Ansiedelung. Medien, Naturschützer und die Opposition im traditionell schwarzen Vorarlberg schalteten sich ein. Die Gegner argumentierten, mit 290 Hektar gewidmeter, aber leerer Baufläche, die von Unternehmen gebunkert werden, könne es keinen Grund geben, den seit 40 Jahren gehüteten Grünraum anzuschneiden. In vier Jahrzehnten sei nicht einmal ein Prozent der 13.630 Hektar Landesgrünzone verloren gegangen, entgegnet Rüdisser. Die Sorge, man opfere Naturschutz- für Standortinteressen, hält er für unbegründet.
Der Ruf „Ölz, der Landesgrünzonenvernichter“stand dennoch im Raum. Da half es wenig, dass dieser betonte, das Grundstück liege neben Industrie und sei landwirtschaftlich beschränkt nutzbar. „Grundsätzlich ist unsere Raumordnungsgesetzgebung in Ordnung“, sagt Ölz. „Sie hat nur ein Problem, wenn jemand aufsteht und sagt: ,Ich verhindere das.‘“ Die Moral aus dem Fall Ölz. An Landesrat Rüdisser wäre die Expansion nicht gescheitert. Seit dem EU-Beitritt gewann das Bundesland 50.000 Einwohner, rechnet er vor. Durch die Topografie leben die allermeisten der 390.000 Menschen heute in den zwei Talsohlen Rheintal und Walgau. In den dortigen Industriezonen wie in Dornbirn zahlen Firmen dadurch 300 bis 400 Euro für den Quadratmeter, während er im benachbarten schwäbischen Allgäu ein Zehntel kostet. Die Lehre aus der Aufregung um Ölz ist für ihn eine, die Bürgerinitiativen wie in Weiler nicht gefallen dürfte: Angesichts des Platzmangels
»Die Raumordnung hat ein Problem, wenn jemand sagt: ›Ich verhindere das!‹«