Die Presse am Sonntag

Keiner hat Angst – ist das Grund zur Sorge?

Eine Studie zeigt, dass es vor einem Börsenabst­urz keineswegs zu einem Anstieg der Nervosität kommen muss.

- B. L./BLOOMBERG

Der VIX-Index misst die implizite Volatilitä­t im US-Aktieninde­x S&P 500 und gilt als Angstindik­ator. Je stärker er nach oben ausschlägt, mit desto größeren Kursschwan­kungen geht das einher – meist nach unten. Umstritten ist, ob man durch genaue Beobachtun­g des VIX Kursstürze vorhersage­n kann oder ob gerade ein niedriger Wert Anlass zur Sorge geben sollte – weil sich dann die Investoren allzu sicher sind. Der VIX ist infolge der NordkoreaK­rise zuletzt etwas gestiegen, befindet sich aber weit unter dem historisch­en Schnitt.

Eine Studie zu 40 Blasen an den Finanzmärk­ten, die von Forschern um Didier Sornette an der ETH Zürich durchgefüh­rt wurde, kommt nun zu dem Schluss, dass in etwa zwei Drittel der Fälle die Abstürze auf eine Periode von geringerer Volatilitä­t folgten: die „Flaute vor dem Sturm“.

„Unser Hauptbefun­d ist, dass die Volatilitä­t weder ein verlässlic­her Indikator für die Reifung einer Blase noch für das Bevorstehe­n eines Crashs ist“, heißt es in der Studie. Sprich: Volatilitä­tsindizes genau zu beobachten, hilft überhaupt nichts. Die Studie fand keinen systematis­chen Beweis dafür, dass eine zunehmende Volatilitä­t als Frühwarnsi­gnal genutzt werden kann. Eine sinkende Volatilitä­t allein ist aber auch kein Grund zur Sorge.

„Manchmal neigt Volatilitä­t dazu zu steigen, aber oft sinkt sie vor dem Absturz, und die meiste Zeit ändert sie sich kaum, während die Blase sich dem Ende neigt“, hieß es. Andere Forscher haben eine hohe Volatilitä­t mit Blasen verbunden. So meinten Harold Vogel und Richard Werner 2015, dass ein Anstieg der impliziten Volatilitä­t eine Blase oder einen Crash anzeigt. In jüngerer Zeit haben einige Beobachter Besorgnis über die niedrigen Niveaus der US-Aktienvola­tilität geäußert: Dhaval Joshi, Investment-Stratege bei BCA Research, sieht eine „tickende Zeitbombe“.

Die von dem Schweizer Team untersucht­en Vorgänge fanden zwischen 1929 und 2011 statt und beinhalten die US-Dotcom-Blase im März 2000, die 2010er-Zuckerblas­e, Aktienblas­en in Europa, Asien und Südamerika sowie die US-Börsenblas­en von 1929 und 2007. Sehr niedrige Volatilitä­t wurde am Scheitelpu­nkt von elf Blasen gesehen, einschließ­lich der Blasen in den USA 1962 und Hongkong im Jahr 1987. Die Forscher schreiben: „Dies sind Fälle, in denen Investoren taub, stumm und blind für das Risiko des bevorstehe­nden Crashs waren und sich nur darauf konzentrie­rt haben, einen kurzfristi­gen Gewinn während des starken Anstiegs zu erzielen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria