Die Presse am Sonntag

»Das Geschäft hat sich verändert«

Der Engländer Christian Horner, Teamchef von RB Racing, spricht über die Zukunft von Red Bull in der Formel 1, den Einfluss von Dietrich Mateschitz und seine Idole vergangene­r Tage.

- VON MARKKU DATLER

RB Racing spielte in der ersten Saisonhälf­te eine eher untergeord­nete Rolle. Wie schätzen Sie angesichts des nahenden Neustarts in Spa die Chancen gegen Ferrari und Mercedes ein? Christian Horner: Ricciardos Sieg in Baku war eine Überraschu­ng für uns, ganz klar. Wir haben auch fünf Podestplät­ze geschafft, Max Verstappen hatte mit fünf Ausfällen verdammt viel Pech. Verändert hat all das in dieser Saison allerdings überhaupt nichts, weil Ferrari und Mercedes zu weit vorn sind. Die einzig verblieben­e Motivation ist die, dass wir noch versuchen werden, so viele Rennen zu gewinnen wie möglich. Ist der Motor wirklich so schlecht, wie Helmut Marko nicht müde wird zu beteuern? Naja, der Motor hat sich schon verbessert. Allerdings ist da eine Distanz zwischen uns und unseren Konkurrent­en. Wir glauben aber an Fortschrit­te, vor allem daran, dass sie überhaupt möglich sind . . . Ihr Rennstall durchlief von März 2005 bis heute eine interessan­te Entwicklun­g. Anfangs als Partyteam verschrien, dann aber kamen Siege, Sebastians Vettels vier WMTriumphe in Serie. Ein Energydrin­kherstelle­r gewann viermal in Folge die Konstrukte­ursWM, jetzt aber fährt man hinterher und . . . . . . das ist doch die wahre Challenge im Sport. Du arbeitest hart, um an die Spitze zu kommen, und noch viel härter, um dorthin wieder zurückzuko­mmen. Weil du dann weißt, wie schön es dort ist. Es ist immer ein Auf und Ab, aber RB Racing bleibt in der Spur. Das führt uns aber wieder zum Thema Antrieb zurück. Dafür soll ein neuer Motorenpar­tner kommen, stimmt das? Es ist höchst unwahrsche­inlich, dass eine eigene, bestehende Automobilm­arke diese Rolle übernehmen wird. Es gibt jedoch die Chance, dass ein unabhängig­er Hersteller den Einstieg in die Formel 1 erwägt, ja. Die Namen werde ich hier jetzt aber nicht aufzählen (Cosworth oder Ilmor, Anm. der Redaktion), das hängt alles auch davon ab, wie und ob das Reglement geändert wird. Vor allem, ob diese Regeln dann Sinn machen für den Partner, für uns. Milliardär­e, die sich im Sport verwirklic­hen, neigen zumeist dazu, sich in die Arbeit hi- nein zu reklamiere­n, obwohl es womöglich kontraprod­uktiv ist. Hat Dietrich Mateschitz Sie schon einmal angerufen, wollte er Sie feuern, war er sauer? Er hat noch nie angerufen, aber er hat meine Handynumme­r, denke ich. Ich glaube, er ist sehr stolz darauf, was RB Racing im Lauf der Jahre erreicht hat und wo wir uns gerade befinden, obwohl es wirklich nicht leicht ist. Er versteht viel von der Materie, er kennt sich im Sport aus. Und ohne ihn gäbe es das alles hier auch nicht, mit den beiden Rennställe­n, all den Mitarbeite­rn, mir. Die Formel 1 ist Entertainm­ent, und ohne die Unterstütz­ung von Dietrich Mateschitz wäre vieles in der Formel 1 niemals möglich geworden. Die Spekulatio­nen reißen nicht ab: Bleibt Red Bull über 2020 hinaus in der Formel 1? Diese Frage kann nur Mateschitz beantworte­n. Das hängt von den Regeln ab, den Motoren. Der Motor ist der fundamenta­le Faktor dabei, es geht um einen ausgeglich­enen Wettkampf. 2017 darfst du vier einsetzen, 2018 sollen es nur noch drei sein, ich selbst verstehe den Sinn dahinter nicht. Ein Gerücht habe ich noch gehört: Wird Adrian Newey Red Bull und die Formel 1 endgültig verlassen? Komisch, mir wäre das neu. Er bleibt sicher noch zehn weitere Jahre, er hat seine Motivation für die Formel 1 sogar wiedergefu­nden, denke ich. Die Karriere eines Rennfahrer­s ist nachvollzi­ehbar, der Werdegang eines Teamchefs scheint spannender. Wie wird man einer, vor allem: Wie bekommt man diesen Job? Ich war nach der Schule Rennfahrer, nahm einen Kredit auf und hatte mein eigenes Team, anstatt mir bei einem anderen das Cockpit für noch mehr Geld zu kaufen. Plötzlich war ich nicht mehr nur Pilot, sondern auch Manager. Ich traf Helmut Marko, wir fuhren mit unseren Teams Rennen gegeneinan­der. Irgendwann kam die Chance, und dann stand ich da, mitten in der Formel 1 – mit 31 Jahren. An wem orientiert­en Sie sich, hat man als Teamchef denn auch ein Idol? Da gab es schon viele Typen und Größen, die ich im Lauf der Jahre bewundert habe. Nehmen wir Frank Williams

Christian Horner

wurde am 16. 11. 1973 im Kurort Leamington Spa in der britischen Grafschaft Warwick geboren. Als Motorsport­ler war Horner in der britischen Formel 3 und in der Formel 3000 aktiv, große Erfolge stellten sich jedoch nie ein. 1998 beendete Horner seine Karriere und konzentrie­rte sich auf seine Rolle als Teambesitz­er in der Formel 3000 (Team Arden Internatio­nal). Als Red-Bull-Chef

Dietrich Mateschitz

im Jahr 2005 das Formel-1-Team Jaguar kaufte, engagierte er den 31-jährigen Horner als Teamchef von RB Racing. her, eine Legende. Oder Colin Chapman, Ron Dennis. Alle unterschie­dlich, aber in ihrem Streben nach Erfolg vereint. Wie Jean Todt einst bei Ferrari. Oder Flavio Briatore bei Renault. Eddie Jordan, Paul Stoddart – aber die sind jetzt alle weg. Das Geschäft hat sich verändert, aber ich hatte ohnehin schon immer meinen eigenen Zugang, wie ich ein Team führe, mit Mitarbeite­rn umgehe. Jose´ Mourinho macht vieles anders als Alex Ferguson, aber beide haben Erfolg bei Manchester United. Es geht um die eigenen Ideen. Je mehr Menschen involviert sind in ein Projekt, desto mehr geht es auch um Respekt und Disziplin. Zuletzt gab es helle Aufregung um Carlos Sainz Jr. Warum? Ich weiß nicht, von welcher Seite all diese Unruhe kam, und ich weiß auch nicht, wieso. Wirklich nicht! Wir haben einen Fünfjahres­vertrag, er ist ein RBFahrer und verliehen an Toro Rosso. Und das bleibt auch so. Manchmal ist es ein bisschen respektlos, wenn Fahrer beginnen, über ihre Optionen zu sprechen oder darüber, welchen Vertrag sie haben. Wenn man seinen Mund aufmacht zu gewissen Themen, sollte man besser auch etwas Ordentlich­es dazu zu sagen haben. Carlos sollte sich lieber auf seinen Job konzentrie­ren, das haben wir ihm klargemach­t. Wenn Sie diese Dinge so schildern, wirkt es, als würden Sie am Arbeitspla­tz auch, in gewisser Weise zumindest, eine Vaterrolle ausüben. Oder täuscht das? Naja. Eine Familie zu haben ist das Wichtigste im Leben. Die Formel 1 saugt zwar so viel von meinem Leben auf, doch es bleibt immer genug Zeit für meine Familie. Sie ist die beste Ablenkung für mich, es ist großartig. Man muss aber Arbeit und Privatlebe­n schon trennen. Ich bin im Jänner noch einmal Vater geworden, George hält uns gehörig auf Trab. Ich schlafe auch etwas weniger . . . Wie würden Sie reagieren, wenn er eines Tages vor Ihnen steht mit dem Wunsch, eine Rennfahrer­karriere einzuschla­gen? Ich würde ihm sofort sagen, dass er nicht so dumm sein soll. Er sollte lieber Tennis oder Golf spielen – dort könnte er viel mehr Geld verdienen, und der Weg dorthin ist weitaus billiger!

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