Die große Fußballblase
Mit dem Rekordtransfer des Brasilianers Neymar tritt der internationale Fußball in ein Ponzi-System ein. Das Financial Fairplay der Uefa wird von Klubs wie Paris SG geschickt umkurvt, der moralische Aspekt des Spiels scheint ohnehin abgeschafft.
222 Millionen Euro, eine Viertelmilliarde Euro – so viel hat Paris St. Germain dem FC Barcelona für den Transfer des brasilianischen Superstars Neymar überwiesen. Die Kritik an den astronomischen Summen ist so alt wie das Profigeschäft. Als Johan Cruyff 1973 von Ajax Amsterdam für umgerechnet eine Million Euro zu Barcelona wechselte, war der moralische Furor groß. Wenn aber ein Mitarbeiter einer Firma für die Hälfte des Umsatzes aus einem Vertrag herausgekauft wird, scheint das Geschäftsmodell aus dem Ruder zu laufen.
Das Financial Fairplay der Uefa sieht eigentlich vor, dass Vereine nicht mehr Geld ausgeben dürfen, als sie einnehmen. Es ist ein seltsam kommunistischer Mechanismus im turbokapitalistischen Profigeschäft. Doch indem Neymar einen Sponsorenvertrag mit der Qatar Sports Investment, die gleichzeitig Eigentümerin des PSG ist, im Wert von 300 Millionen Euro unterschrieben haben soll und seine Berater die festgelegte Ausstiegssumme auf den Tisch legten, konnte das Regelwerk unterlaufen werden. Juristen würden wohl von einem In-sich-Geschäft sprechen, der Volksmund von einem Hütchenspiel.
Die Frage ist, ob eine Ökonomie, in der Ordnungsprinzipien systematisch unterlaufen werden und die von mafiösen Strukturen – von der Fifa-Kumpanei bis hin zu Dunkelmännern im Beratungsgeschäft – durchsetzt ist, überhaupt funktional sein kann. Und integer. Was ist das Produkt, das der Fußball seinen Fans im Stadion, vor dem Fernseher oder den Followern auf Social-Media-Kanälen verkauft? Eine Show? Die romantisiert-verklärte Version von elf Freunden auf dem Platz? Oder einfach nur Werbung? Was ist das für ein Markt, wo Spieler wie bei einem Kuhhandel an den Meistbietenden verschachert werden und windige Berater wie im modernen Sklavenhandel Transferrechte an Spielern besitzen? Spielzeug der Scheichs. Mäzene wie der russische Oligarch Roman Abramowitsch (FC Chelsea) oder die Scheichs halten sich Fußballklubs als Spielzeuge wie eine Jacht oder Villa. Womöglich sind Fußballklubs auch nur ein Finanzvehikel. Der „Guardian“berichtete 2015, dass die halbe Premier League ihren Sitz in Steueroasen hat. So ist der FC Fulham offiziell auf Ber- muda registriert, die Tottenham Hotspurs auf den Bahamas. Die Holding Manchester United plc. ist auf den Cayman Islands registriert, die wiederum einer Beteiligungsgesellschaft aus dem US-Steuerparadies Delaware gehört. Das Geld fließt über dubiose Kanäle in Offshore-Paradiese und von dort auf die diskreten Konten der Investoren.
Doch mittlerweile ist – angeheizt durch den milliardenschweren TVRechte-Deal in der Premier League – derart viel Geld im Umlauf, dass das Wettbewerbsprinzip zu erliegen kommen droht. Obwohl Premier LeagueVereine den größten Etat haben – ein Aufsteiger kassiert mehr Fernsehgelder als der Branchenprimus der Bundesliga, der FC Bayern München – spielten sie in der vergangenen ChampionsLeague-Saison kaum eine Rolle. Geld schießt eben doch keine Tore.
Wenn chinesische Klubs zweistellige Millionengehälter für ambitionierte Kicker wie den Kölner Anthony Modeste aufrufen (er soll bei Tianjin Quanjian 30 Millionen Euro im Jahr kassieren), wird das sportliche Leistungsprinzip ad absurdum geführt. Talentierte Fußballer werden vom schnöden Mammon derart korrumpiert, dass sie in Kauf nehmen, in einer deutlich schwächeren Liga aufzulaufen. Der sportliche Abstieg wird mit einem netten Taschengeld versüßt. Fußball als Folklore. Das Produkt Fußballer. Der norwegische Nationalspieler Havard˚ Nordtveit, der in dieser Saison von West Ham zu Hoffenheim wechselte, verglich die Premier League mit Hollywood: Es ist eine perfekte Show, eine bombastische Inszenierung, die bis ins kleinste Detail – vom Walk-on bis zur Pressekonferenz – durchchoreografiert ist und auf diversen Kanälen auf dem ganzen Globus gezeigt wird. Die Stars sind globale Marken, Ikonen, deren Strahlkraft bis weit über die Flimmerkisten reicht, auf denen Menschen in asiatischen Megacitys die Spiele verfolgen. Cristiano Ronaldo hat auf Facebook 122 Millionen Fans und damit mehr als Popstars wie Shakira oder Taylor Swift. Das Produkt ist längst nicht mehr der Fußball, sondern der Fußballer selbst, dessen Story von PR-Agenturen zu Marketingzwecken ausgeschlachtet wird.
Sportökonomen haben immer wieder die Sorge geäußert, dass der Markt übersättigt sein könnte und sich die Fans abwenden, wenn im Ligabetrieb Langeweile droht. In England wird in manchen Wochen an jedem Tag Fußball im Fernsehen gezeigt. Trotzdem sind die Stadien voll, die Quoten hoch. Der Sport ist sozialer Schmierstoff, eines der letzten archaischen Rituale, und selbst der größte Korruptionsskandal wird die Faszination nicht brechen. Doch mit dem Millionen-Transfer von Neymar tritt der Fußball in ein PonziSystem ein, das Werte aus dem Nichts schafft. Wie kommt eine Taxierung von
Die Hälfte der Klubs in der Premier League hat ihren Sitz in Steueroasen wie Bermuda. Ist Fußball systemrelevant, und würde der Staat die Klubs retten, wenn die Blase platzt?
222 Millionen Euro zustande? Wonach bemisst sich dieser Wert? Was passiert, wenn die Blase platzt? Sind Fußballklubs systemrelevant? Würde der Staat sie retten?
Die Vereine sind seit Jahren hoch verschuldet. Real Madrid konnte sich nur durch einen dubiosen Grundstücksdeal mit der Stadt Madrid vor der Insolvenz retten. Dass der Sparkassenverbund Bankia inmitten der Finanzkrise Forderungen an Real Madrid aus Transferrechten als Bürgschaft bei der EZB hinterlegen wollte und die Zentralbank damit faktisch ein Pfandrecht an Ronaldo und Kaka´ erworben hätte, zeigt, wie irre das System der Geldwirtschaft ist. Gut möglich, dass Neymar am Ende auch den Banken gehört.