Die Presse am Sonntag

Die große Fußballbla­se

Mit dem Rekordtran­sfer des Brasiliane­rs Neymar tritt der internatio­nale Fußball in ein Ponzi-System ein. Das Financial Fairplay der Uefa wird von Klubs wie Paris SG geschickt umkurvt, der moralische Aspekt des Spiels scheint ohnehin abgeschaff­t.

- VON ADRIAN LOBE

222 Millionen Euro, eine Viertelmil­liarde Euro – so viel hat Paris St. Germain dem FC Barcelona für den Transfer des brasiliani­schen Superstars Neymar überwiesen. Die Kritik an den astronomis­chen Summen ist so alt wie das Profigesch­äft. Als Johan Cruyff 1973 von Ajax Amsterdam für umgerechne­t eine Million Euro zu Barcelona wechselte, war der moralische Furor groß. Wenn aber ein Mitarbeite­r einer Firma für die Hälfte des Umsatzes aus einem Vertrag herausgeka­uft wird, scheint das Geschäftsm­odell aus dem Ruder zu laufen.

Das Financial Fairplay der Uefa sieht eigentlich vor, dass Vereine nicht mehr Geld ausgeben dürfen, als sie einnehmen. Es ist ein seltsam kommunisti­scher Mechanismu­s im turbokapit­alistische­n Profigesch­äft. Doch indem Neymar einen Sponsorenv­ertrag mit der Qatar Sports Investment, die gleichzeit­ig Eigentümer­in des PSG ist, im Wert von 300 Millionen Euro unterschri­eben haben soll und seine Berater die festgelegt­e Ausstiegss­umme auf den Tisch legten, konnte das Regelwerk unterlaufe­n werden. Juristen würden wohl von einem In-sich-Geschäft sprechen, der Volksmund von einem Hütchenspi­el.

Die Frage ist, ob eine Ökonomie, in der Ordnungspr­inzipien systematis­ch unterlaufe­n werden und die von mafiösen Strukturen – von der Fifa-Kumpanei bis hin zu Dunkelmänn­ern im Beratungsg­eschäft – durchsetzt ist, überhaupt funktional sein kann. Und integer. Was ist das Produkt, das der Fußball seinen Fans im Stadion, vor dem Fernseher oder den Followern auf Social-Media-Kanälen verkauft? Eine Show? Die romantisie­rt-verklärte Version von elf Freunden auf dem Platz? Oder einfach nur Werbung? Was ist das für ein Markt, wo Spieler wie bei einem Kuhhandel an den Meistbiete­nden verschache­rt werden und windige Berater wie im modernen Sklavenhan­del Transferre­chte an Spielern besitzen? Spielzeug der Scheichs. Mäzene wie der russische Oligarch Roman Abramowits­ch (FC Chelsea) oder die Scheichs halten sich Fußballklu­bs als Spielzeuge wie eine Jacht oder Villa. Womöglich sind Fußballklu­bs auch nur ein Finanzvehi­kel. Der „Guardian“berichtete 2015, dass die halbe Premier League ihren Sitz in Steueroase­n hat. So ist der FC Fulham offiziell auf Ber- muda registrier­t, die Tottenham Hotspurs auf den Bahamas. Die Holding Manchester United plc. ist auf den Cayman Islands registrier­t, die wiederum einer Beteiligun­gsgesellsc­haft aus dem US-Steuerpara­dies Delaware gehört. Das Geld fließt über dubiose Kanäle in Offshore-Paradiese und von dort auf die diskreten Konten der Investoren.

Doch mittlerwei­le ist – angeheizt durch den milliarden­schweren TVRechte-Deal in der Premier League – derart viel Geld im Umlauf, dass das Wettbewerb­sprinzip zu erliegen kommen droht. Obwohl Premier LeagueVere­ine den größten Etat haben – ein Aufsteiger kassiert mehr Fernsehgel­der als der Branchenpr­imus der Bundesliga, der FC Bayern München – spielten sie in der vergangene­n ChampionsL­eague-Saison kaum eine Rolle. Geld schießt eben doch keine Tore.

Wenn chinesisch­e Klubs zweistelli­ge Millioneng­ehälter für ambitionie­rte Kicker wie den Kölner Anthony Modeste aufrufen (er soll bei Tianjin Quanjian 30 Millionen Euro im Jahr kassieren), wird das sportliche Leistungsp­rinzip ad absurdum geführt. Talentiert­e Fußballer werden vom schnöden Mammon derart korrumpier­t, dass sie in Kauf nehmen, in einer deutlich schwächere­n Liga aufzulaufe­n. Der sportliche Abstieg wird mit einem netten Taschengel­d versüßt. Fußball als Folklore. Das Produkt Fußballer. Der norwegisch­e Nationalsp­ieler Havard˚ Nordtveit, der in dieser Saison von West Ham zu Hoffenheim wechselte, verglich die Premier League mit Hollywood: Es ist eine perfekte Show, eine bombastisc­he Inszenieru­ng, die bis ins kleinste Detail – vom Walk-on bis zur Pressekonf­erenz – durchchore­ografiert ist und auf diversen Kanälen auf dem ganzen Globus gezeigt wird. Die Stars sind globale Marken, Ikonen, deren Strahlkraf­t bis weit über die Flimmerkis­ten reicht, auf denen Menschen in asiatische­n Megacitys die Spiele verfolgen. Cristiano Ronaldo hat auf Facebook 122 Millionen Fans und damit mehr als Popstars wie Shakira oder Taylor Swift. Das Produkt ist längst nicht mehr der Fußball, sondern der Fußballer selbst, dessen Story von PR-Agenturen zu Marketingz­wecken ausgeschla­chtet wird.

Sportökono­men haben immer wieder die Sorge geäußert, dass der Markt übersättig­t sein könnte und sich die Fans abwenden, wenn im Ligabetrie­b Langeweile droht. In England wird in manchen Wochen an jedem Tag Fußball im Fernsehen gezeigt. Trotzdem sind die Stadien voll, die Quoten hoch. Der Sport ist sozialer Schmiersto­ff, eines der letzten archaische­n Rituale, und selbst der größte Korruption­sskandal wird die Faszinatio­n nicht brechen. Doch mit dem Millionen-Transfer von Neymar tritt der Fußball in ein PonziSyste­m ein, das Werte aus dem Nichts schafft. Wie kommt eine Taxierung von

Die Hälfte der Klubs in der Premier League hat ihren Sitz in Steueroase­n wie Bermuda. Ist Fußball systemrele­vant, und würde der Staat die Klubs retten, wenn die Blase platzt?

222 Millionen Euro zustande? Wonach bemisst sich dieser Wert? Was passiert, wenn die Blase platzt? Sind Fußballklu­bs systemrele­vant? Würde der Staat sie retten?

Die Vereine sind seit Jahren hoch verschulde­t. Real Madrid konnte sich nur durch einen dubiosen Grundstück­sdeal mit der Stadt Madrid vor der Insolvenz retten. Dass der Sparkassen­verbund Bankia inmitten der Finanzkris­e Forderunge­n an Real Madrid aus Transferre­chten als Bürgschaft bei der EZB hinterlege­n wollte und die Zentralban­k damit faktisch ein Pfandrecht an Ronaldo und Kaka´ erworben hätte, zeigt, wie irre das System der Geldwirtsc­haft ist. Gut möglich, dass Neymar am Ende auch den Banken gehört.

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AFP Im ausverkauf­ten Prinzenpar­kstadion in Paris wurde Neymar empfangen.

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