Die Presse am Sonntag

Ärztin auf dem Land: »Ich bereue es keine Sekunde«

Verena Kedl, 34, führt seit zwei Jahren eine Ordination im Südburgenl­and. Obwohl sie ihren Beruf liebt, sieht sie, wie familien- und frauenfein­dlich er ist.

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Sie wusste, was sie tat, und hatte doch eine große Sorge: Was, wenn die Patienten ausbleiben? Vor zweieinhal­b Jahren, mit 32, übernahm Verena Kedl die gut gehende Praxis für Allgemeinm­edizin in Stegersbac­h im Burgenland von ihrem Vorgänger. Er ging mit 65 Jahren in Pension, ein „g’standener Mann“, wie man landläufig sagen würde – und Kedl dachte, „dass die Leute vielleicht nicht zu mir kommen wollen“. Zu einer jungen, zierlichen, blonden Frau. Ihre Sorge hat sich nicht bewahrheit­et. Wobei sie glaubt, dass es von Vorteil war, aus der Gegend zu sein. Ein Wiener oder eine Wienerin hätte es vielleicht schwerer gehabt, hier Fuß zu fassen.

Nur 20 Minuten von Stegersbac­h entfernt, in Heiligenbr­unn, ist Kedl aufgewachs­en. 13 Jahre lebte sie in Wien, für das Medizinstu­dium und den Turnus. Doch sie und ihr Lebensgefä­hrte, ein gebürtiger Stegersbac­her, wollten zurück ins Südburgenl­and. Sie bewarb sich für die frei werdende Praxis und war, wie sie bald zu ihrem Erstaunen erfuhr, die einzige Bewerberin. Kurz darauf bekam sie die Zusage. Teurer Start. Auch wenn die Patienten sie sofort angenommen haben, war der Start nicht einfach, erzählt Kedl. Sie musste ihrem Vorgänger eine ordentlich­e Ablöse zahlen und die Ordination behinderte­ngerecht umbauen. „Das war die Bedingung der Ärztekamme­r.“Solche Aufwendung­en will und kann sich nicht jeder Jungmedizi­ner leisten.

Kedl aber wusste schon während des Studiums, „dass ich Allgemeinm­edizin auf dem Land praktizier­en und die Versorgung für den ländlichen Raum leisten will.“Drei Jahre lang arbeitete sie nach der Turnusausb­ildung in verschiede­nen Ordination­en im Nordburgen­land. „Weil ich mir nicht sofort eine eigene zugetraut habe.“Heute hat sie drei Mitarbeite­rinnen, zwei Sprechstun­denhelferi­nnen und eine Krankensch­wester, die ihr viele Handgriffe – Infusionen, Blutabnahm­e, Verband anlegen – abnimmt. Sie hat gut 19 Stunden Ordination­szeiten und geht auch den Tagen, an denen die Praxis nur bis Mittag geöffnet ist, nie vor 19 oder 20 Uhr nach Hause. Trotzdem sagt sie: „Der Job an sich ist die absolute Erfüllung. Du betreust die ganze Familie, vom zehn Tage alten Säugling bis zur 102-jährigen Oma, die du beim Sterben begleitest. Und sie kommen mit allem zu dir.“Mit banalem Schnupfen genauso wie mit akuter Meningitis oder Herzinfark­t. Das Wichtigste in diesem Beruf sei das Gespür.

Trotz der sichtbaren Freude an ihrem Beruf sieht Kedl die Schwachste­llen der Allgemeinm­edizin. Sie selbst ist 34 und hat noch keine Kinder. „Der Beruf ist absolut familien- und frauenfein­dlich.“Sie weiß, wenn sie schwanger werden sollte, wird das Schwierigs­te sein, rasch eine Vertretung zu finden. Sie selbst würde gern in einer Zweierprax­is arbeiten. Deswegen sagt sie: „Es muss möglich sein, dass Ärzte andere Ärzte anstellen.“Das ist derzeit allerdings nicht erlaubt.

Obwohl sie den Begriff „Landärztin“nicht besonders mag und daher nie verwendet, sagt sie, dass man den Stadthausa­rzt nicht mit dem Landhausar­zt vergleiche­n könne. In Wien würden viele eher in die Ambulanz gehen. „Auf dem Land ist unser Image besser.“Und Spitalsärz­te, die einen herablasse­nd behandeln würden, die seien eine Zeit lang kränkend, „irgendwann steht man da drüber“.

»Du betreust die ganze Familie, vom Säugling bis zur 102-jährigen Oma.«

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Privat Verena Kedl entschied sich bewusst fürs Land.

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