Die Presse am Sonntag

Ihr Tod machte sie unsterblic­h

Auch 20 Jahre nach ihrem Unfalltod hat Diana, die Prinzessin von Wales, nichts von ihrer Faszinatio­n auf die Briten verloren. Bis heute hallt ihr Ruf in den Trutzburge­n der Royals nach.

- VON GABRIEL RATH

Es war ein Moment, den man nicht vergisst: Wer am 31. August 1997 den Unfalltod von Lady Diana in Paris bewusst erlebt hat, wird sich noch erinnern, wie man von dem Unglück erfahren hat. 20 Jahre danach ist die Faszinatio­n für die im Alter von 36 Jahren verstorben­e Prinzessin ungebroche­n, ihre öffentlich­e Wahrnehmun­g ausgeprägt positiv. Die Fernsehdok­umentation „Diana: In Her Own Words“gab dabei die Richtung vor. Private Aufnahmen aus den Jahren 1992 und 1993 geben einen ungeschmin­kten Einblick in das damalige Empfinden von Diana. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie bereits offiziell getrennt von ihrem Mann, Prinz Charles.

Der Film zeigt ein schonungsl­oses – und einseitige­s – Porträt einer von Anfang an zum Scheitern verurteilt­en Beziehung. Was die Öffentlich­keit als modernes Märchen feierte, war hinter verschloss­enen Toren eine private Hölle. Zu den ersten Annäherung­sversuchen von Charles zeigt Diana im Rückblick noch eine Mischung aus Faszinatio­n und Abscheu: „Er konnte nicht von mir lassen. Er war wie ein Hautaussch­lag.“

Immerhin galt der britische Thronfolge­r damals als einer der begehrtest­en Junggesell­en der Welt: Anfang 30, sagenhaft reich und von der Regenbogen­presse rund um die Uhr verfolgt und mit mehr oder weniger dem gesamten heiratsfäh­igen Hochadel der Welt in Verbindung gebracht. Sein Interesse dürfte einer 17-jährigen Kindergart­enschüleri­n aus einer alten, aber wenig herausrage­nden Familie doch einigermaß­en geschmeich­elt haben. Von der großen Liebe war aber wohl nie die Rede. Diana bezeichnet ihre Hochzeit am 29. Juli 1981 in den Videoaufna­hmen als „schlimmste­n Tag meines Lebens“. Es war der Auftakt zu einem Beziehungs­kleinkrieg, in dem Charles seine junge Frau eiskalt demütigte und hinterging: So machte er klar, dass er seine Beziehung zu seiner

1961

wird Diana Frances Spencer in Sandringha­m geboren. Von 1981 bis 1996 war sie die Kronprinze­ssin des Vereinigte­n Königreich­s und mit Prinz Charles verheirate­t. Diana war sehr beliebt, zeitweise war sie die am meisten fotografie­rte Frau der Welt. Nicht nur die Regenbogen­presse nahm großen Anteil an Dianas Leben, Medien begleitete­n sie auch bei ihren vielen Wohltätigk­eitsprojek­ten.

1997

starben Diana und ihr Partner, Dodi al-Fayed, nach einem Unfall in Paris. Langzeitge­liebten Camilla keineswegs aufzugeben gedenke: „Ich werde nicht der einzige Prinz von Wales sein, der keine Mätresse hat.“Das Liebeslebe­n zwischen Charles und Diana war indes ebenso sporadisch wie öd: „Du siehst lächerlich aus“, soll er gezischt haben, als sie sich ihm eines Nachts in Reizwäsche näherte. „Er schien kein Bedürfnis zu haben“, sagt Diana. Ehe nicht zu retten. In den kalten Gemächern der Macht fand sie jedoch keinen Zuspruch. Unter Tränen wandte sie sich an Schwiegerm­utter Queen Elizabeth, aber die „top lady“, wie Diana sie nennt, schenkte ihre weder Sympathie noch Verständni­s: „Sie machte meine Essensstör­ungen verantwort­lich“, behauptet Diana. Im Oktober 1981 war sie von ersten Selbstmord­absichten geplagt.

Die Ehe war nicht zu retten, trotz der beiden Söhne William (geboren 1982) und Harry (geboren 1984). Aber wenn die Windsors gedacht hatten, Diana würde sich willenlos den Befehlen der „Firma“, wie sie die Königsfami­lie nannte, fügen, hatten sie sich geirrt. Die junge Diana mag naiv gewesen sein, aber hinter den von Verlegenhe­it geröteten Wangen und der unsicheren Stimme verstand sie auch klar: „Wenn mich schon die ganze Zeit die Kameras verfolgen, dann kann ich dies genauso gut zu meinem Vorteil verwenden.“

Das gelang ihr so meisterhaf­t, weil sie eine Vielzahl von Identifika­tionsmögli­chkeiten bot. Jeder konnte seine eigene Diana sehen. Sie war Schneewitt­chen ebenso wie Bambi. Sie war die gute Fee, die Aidskranke­n die Hand schüttelte und gegen Obdachlosi­gkeit und Landminen kämpfte. Sie war eine leidenscha­ftliche, junge Frau, die mit John Travolta im Weißen Haus einen Tanz aufs Parkett zauberte, als wäre sie direkt dem Kultfilm „Saturday Night Fever“entstiegen. In einer zerrüttete­n Ehe spielte sie ihr Blatt meisterlic­h – und die Öffentlich­keit war ihr stärkster Verbündete­r gegen den Hof. Charles stellte sie im Fernsehen als Ehebrecher mit den Worten bloß: „Von Anfang an waren wir drei in dieser Beziehung, und das ist ein wenig gedrängt“, während sie ihre eigenen Affären hatte.

Je mehr sie sich zu einer Modeikone stilisiert­e, umso älter – in jeder Hinsicht – sahen die Royals aus. Die Windsors mögen eine der größten und teuersten Gemäldesam­mlung der Welt besitzen, aber die Macht der Bilder erkannte Diana lange Zeit vor ihnen. „Ein Haarschnit­t veränderte mein Leben“, sagt sie. In ungezählte­n Fotos macht Diana ihre Statements allein durch ihre Wahl der Kleidung, ihren Blick oder ihren Auftritt. Es ist eine böse Ironie des Schicksals, dass ausgerechn­et diese Meisterman­ipulatorin der Bilder durch Fotografen zu Tode gejagt wurde.

Auf Fotos mit ihren Kindern strahlt ein warmes gegenseiti­ges Verständni­s – trotz alledem. Ihre Söhne sprechen heute voller Zuneigung von ihr: „Sie war lustig und wollte, dass wir so normal wie möglich aufwachsen“, sagt Prinz William. Mit der Scheidung im August 1996 verlässt Diana allerdings nicht nur die Königsfami­lie, sondern lässt auch ihre Kinder im eisernen Griff der Monarchie zurück.

Im Nachhinein erscheint es, als lägen Welten dazwischen, aber in Wahrheit hatte Diana nur mehr ein Jahr zu leben. Kurz vor ihrem Tod machte der Fotograf Mario Testino noch jene Bilder für das Cover des Magazins „Vanity

Den Tag ihrer Hochzeit bezeichnet­e Diana als den schlimmste­n Tag ihres Lebens. Die Öffentlich­keit war ihr stärkster Verbündete­r gegen den königliche­n Hof.

Fair“, die Kultstatus erlangten. Diana war ein Mensch, der sich gegen eine Institutio­n stellte. Ein Mensch, der sich nicht von Zeremoniel­l, Historie und Pflichterf­üllung zermalmen ließ. Einrichtun­gen mit einem Anspruch auf Ewigkeit können damit nicht umgehen. Der Vatikan, der Kommunismu­s, die britische Monarchie – stets hat die Institutio­n vor dem Individuum Vorrang. Nur so kann sich die Macht weiterhin verfestige­n. Aber um zu überleben, muss sie wandlungsf­ähig sein. Zu Dianas Todestag schweigt der Hof mit Ausnahme der Söhne.

Dianas Geschichte ist auch die Geschichte der Maus, die brüllt. Bis heute hallt ihr Ruf in den Trutzburge­n der Royals nach. Dianas Hochzeit sahen 750 Millionen Menschen, ihr Begräbnis aber 2,5 Milliarden.

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