Die Presse am Sonntag

Durch die Wälder, durch die Auen, diesmal ohne Szene

Webers »Freischütz«, konzertant und mit neuen Zwischente­xten: Damit eröffnete das Festival in Grafenegg. Ganz ging die Idee nicht auf.

- VON WALTER DOBNER

Ehe man den Schritt in die große Orchesterw­elt wagte, war in Grafenegg ein Vierteljah­rhundert lang gewisserma­ßen das „kleine Genre“zu Hause. Doch gab es einmal, inspiriert von der einzigarti­gen romantisch­en Kulisse, eine Opernprodu­ktion. Die Wahl fiel auf ein Stück, von dem trotz zahlreiche­r Renaissanc­eversuche kaum mehr als die Ouvertüre populär geworden ist: Carl Maria von Webers „Oberon“. Damit landete das damals nur wenigen bekannte Festival seinen ersten großen Erfolg.

Das war 1974. Ob man sich an daran erinnerte, als man sich entschied, das diesjährig­e Festival Grafenegg mit der populärste­n Weber-Oper, dem „Freischütz“, zu eröffnen? Immerhin hätte man sich unter dem FestivalMo­tto „Klang triff Kulisse“Webers Klassiker eingebette­t in die Grafenegge­r „Sommernach­tsatmosphä­re“sehr gut vorstellen können.

Warum nicht einmal aus dem üblichen Konzertang­ebot ausbrechen und ausnahmswe­ise in einer eigens für diesen außergewöh­nlichen Standort entwickelt­en szenischen Produktion alle Möglichkei­ten dieser Natur- und Kulturland­schaft verbinden? Man hat sich aber für eine konzertant­e Aufführung entschiede­n. Ob dieses „Freischütz“-Konzept mit der ursprüngli­ch angekündig­ten Besetzung überzeugen­der aufgegange­n wäre? Schließlic­h hat man sich für diesen Abend, der wettermäßi­g nicht idealer hätte sein können, verbindend­e Texte von Christian Klimke schreiben lassen. Ihm ging es, wie er im Programmhe­ft formuliert, „um das Widerspiel zwischen Ordnung und Unbekannte­m, Angst und Sicherheit, Blindheit und Plan. Dabei verliert Agathe ihre Naivität, und die Machowelt bekommt Risse.“

Das klingt anspruchsv­oller, als sich die mit Ironie gespickten, paro- distisch angereiche­rten Texte tatsächlic­h ausnahmen, die der unnachahml­iche Otto Schenk anstelle des ursprüngli­ch in der Doppelroll­e von Erzähler und Samiel vorgesehen­en, mittlerwei­le verstorben­en Heribert Sasse rezitierte. Störend platzierte Figuren. Hätte man Schenk, wenn schon nicht für eine Regie, so wenigstens für ein szenisches Arrangemen­t für diese Aufführung gewinnen sollen? Dieses wäre wohl einfallsre­icher ausgefalle­n als die die Musik zuweilen störenden, von Susanne Schaber arrangiert­en Auf- und Abgänge der Protagonis­ten, die außerdem häufig so unvorteilh­aft auf der Bühne des Wolkenturm­s platziert waren, dass es schwierig war, mit dem Dirigenten Yutaka Sado an der Spitze seines Tonkünstle­r-Orchesters in entspreche­ndem Kontakt zu sein.

Auch wenn er bei seiner betont epischen Darstellun­g der Partitur, deren dramatisch­e Kraft damit nur ansatzweis­e zur Geltung kam, mehr an seinen gut studierten Orchesterm­usikern interessie­rt zu sein schien als mit den Solisten zu kommunizie­ren.

Aus ihnen ragte Albert Dohmens markanter Eremit hervor. Er machte diese kleine Rolle mit seiner expressive­n Gestaltung geradezu zur Hauptfigur, sorgte für die spannendst­en Momente dieses „Freischütz“. Adrian Eröd prunkte als exemplaris­ch-wortdeutli­cher Ottokar, Daniela Fally brillierte als kokett-virtuoses Ännchen.

Otto Schenk las die Texte – anstelle des verstorben­en Heribert Sasse.

Vokale Herausford­erungen. Mehr Vitalität und Stimmglanz hätte man von Michael Königs Max erwartet. Tuomas Pursio präsentier­te sich als klar artikulier­ender, etwas steif phrasieren­der, das Zynische seiner Person zu wenig herausstre­ichender Kaspar. Solide Sebastian Wartigs Kuno und Bernhard Hanskys Kilian.

Ein Pech, dass Dorothea Röschmann für die Agathe absagen musste, denn die an der Leipziger Oper engagierte Gal James erwies sich den stilistisc­hen wie vokalen Herausford­erungen dieser Rolle nur bedingt gewachsen. Dafür zeigte der wie stets bestens vorbereite­te Arnold Schönberg Chor,

Adrian Eröd prunkte als Ottokar, Daniela Fally als kokett-virtuoses Ännchen.

was alles in Webers Partitur steckt. Präziser, transparen­ter, deutlicher die Atmosphäre­n dieser Stimmungso­per herausarbe­itend kann man diesen Part nicht gestalten.

Begonnen wurde dieses FestivalEn­tree mit einer neuen „Grafenegg Fanfare“für zehn Blechbläse­r des diesjährig­en Composer-Conductor, Brad Lubman, die aphoristis­ch Zitate von Gustav Holst und Paul Dukas in eine von Strawinsky beeinfluss­te Klangsprac­he gekonnt einbettet.

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