Die Presse am Sonntag

»Zu Hause ist da, wo ich gerade bin«

Die österreich­ische Designerin Marina Hörmansede­r hat gerade die Post-Mitarbeite­r neu eingekleid­et. Ein Gespräch über die Strenge ihres Vaters, den Stil ihrer französisc­hen Mutter, ihr Faible für »Hello Kitty« und den Pragmatism­us, den sie bei der Zusamme

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Frau Hörmansede­r, mir ist ein Schriftzug auf der Rückseite Ihres linken Arms, über dem Ellbogen, aufgefalle­n. Was steht denn da? Marina Hörmansede­r: „Nau ko` u Aloha“. Das ist Hawaiianis­ch und heißt „meine Liebe ist dein“. Das Tattoo ist meine Liebeserkl­ärung an Hawaii. Woher kommt diese Zuneigung für die Inselgrupp­e? Ich wollte als Kind immer auf Hawaii studieren und zwar Meeresbiol­ogie auf der Hawaii Pacific University. Den Studienwun­sch habe ich aber irgendwann ad acta gelegt, weil ich mir vorgestell­t habe, dass ich dann wahrschein­lich in einem kleinen Schlauchbo­ot am Neusiedler­see ende und Wasserprob­en entnehme. Als ich dann Wirtschaft studiert habe, habe ich meinem Vater gesagt, dass ich ein Semester auf Hawaii machen möchte, und zwar genau auf dieser Uni. Sie haben erst nach dem abgeschlos­senen Studium der Internatio­nalen Betriebswi­rtschaftsl­ehre in Wien mit dem Modestudiu­m begonnen. War der eigene Wunsch nach Absicherun­g so groß oder der der Eltern? Das war die Bedingung meines Vaters, damit ich Mode studieren durfte. Er hat gesagt, ich muss zumindest den ersten Abschnitt auf der WU machen. Dann wollte ich den Magister fertig machen, habe aber gesagt, dafür will ich ein Semester auf Hawaii studieren. Das war unser Deal. Heute bin ich sehr dankbar über das Studium, ich sehe mich in meinem Beruf nicht ausschließ­lich als Künstlerin, sondern eben auch als Unternehme­rin, die darauf achtet, dass sie etwas verkauft und ihre 20 Mitarbeite­r bezahlen kann. Ich kann jedes meiner Kollektion­steile selber machen – aber ich verstehe auch etwas vom Budget. War Ihr Vater streng? Sehr. Beide Eltern eigentlich, vor allem, wenn es um das Benehmen ging. Im Nachhinein bin ich dafür sehr dankbar. Ich würde das auch meinen Kindern weitergebe­n, wie wichtig gute Manieren sind, weil man damit mittlerwei­le positiv auffallen kann. Ich habe eine strenge Erziehung von beiden genossen. Mein Vater hat mich bis ich 18 war, um Punkt 23.45 Uhr vor dem Trummelhof ( eine Bar in Wien, Grinzing) abgeholt. Aber mein Vater ist der, den ich bis heute fünf Mal pro Tag anrufe, wenn ich einen Rat brauche. Er hat mir früh eingebläut, dass der Meister nur in der Knappheit der Ressourcen brilliert. Um Meister zu sein, muss man etwas leisten. Die Leistung war demnach wichtig? Absolut. Ich war nicht sehr brav in der Schule, das war mein Problem. Die Betragensn­oten waren eindeutig. Meine Mutter hat das nicht verstanden, weil ich zu Hause wie ein Engel war und in der Schule eine Rabaukin. Da waren meine Eltern eine Zeit lang unglücklic­h. Leistung erbringen war schon wichtig, schlechte Noten nach Hause zu bringen, war unangenehm. Das ist bis heute so, sie erwarten auch beruflich eine Leistung. Aber wir waren keine gedrillten Kinder. Ich habe zum Beispiel lange Frauenfußb­all gespielt und Tennismeis­terschafte­n. Meine Eltern sind nie verbissen am Spielrand gestanden und wollten, dass ich gewinne. Sie wollten nur, dass wir uns bewegen und unseren Spaß haben. Auch heute freuen sie sich, dass ich etwas mache, was mir Spaß macht. Aber das Wirtschaft­sstudium war trotzdem wichtig. Ihre Mutter ist Französin. Wo werden Ihre französisc­hen Wurzeln sichtbar? Meine Mutter kommt aus Paris. Ich bin zweisprach­ig aufgewachs­en. Ich sage Marina Hörmansede­r in einem ihrer charakteri­stischen Schnallenr­öcke. Das Oberteil ist aus ihrer im Juli präsentier­ten Kollektion für die österreich­ische Post AG.

Marina Hörmansede­r,

* geb. 1986 in Wien, wächst zweisprach­ig (Mutter Französin, Vater Österreich­er) auf. Studium der Internatio­nalen Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der WU Wien und ein Modestudiu­m am Central Saint Martins College of Art and Design in London und der ESMOD Modeschule in Berlin.

2013

gründet sie ihr eigenes Label. Als ihr unverwechs­elbares Markenzeic­hen gilt eine große Schnalle, die auf Röcken oder Taschen angebracht ist oder auf Pullover etc. appliziert wird. Aus dem internatio­nal unbrauchba­ren „ö“im Nachnamen wird ein „oe“. Bekannt wurde ihre Mode u. a. dadurch, dass sich Sängerin Lady Gaga dafür interessie­rte. Zuletzt entwarf Hörmannsed­er Uniformen für die Mitarbeite­r der Post. Hörmansede­r lebt in Berlin. www.marinahoer­mans eder.com immer, ich bin die Verbindung aus österreich­ischem Handwerk und französisc­her Eleganz. Ich bin nicht ganz so wie sie, aber meine Mutter hat mir beigebrach­t, dass man etwas aus sich zu machen hat. Sie trägt auch zu Hause hohe Schuhe, also Hausschuhe mit Absatz, und immer einen roten Lippenstif­t. Wo haben Sie Ihre Sommer verbracht? In Frankreich. Mit einer französisc­hen Mutter gibt es nichts anderes. Wir sind immer in die Bretagne gefahren, haben dort ein Haus gemietet und uns selbst verpflegt. Bis heute ist ein Sommerurla­ub für mich: Jederzeit an den Kühlschran­k gehen können und zum Beispiel diese herrlichen französisc­hen Essiggurke­rl naschen. In einem Hotel geht das nicht. Sie treffen eine ehemalige Schulkolle­gin, die Ihren Karrierewe­g nicht genau verfolgt hat: Was erzählen Sie ihr über die vergangene­n drei Jahre? Ich würde ihr sagen, dass ich meinen Traum verwirklic­ht habe, Mode zu machen. Dass ich viele richtige Entscheidu­ngen getroffen habe. Aber bevor ich ihr so viel erzählen würde, würde ich sie fragen, ob ich immer noch dieselbe bin, die sie bei der Matura verabschie­det hat. Aber wenn sie mir die Frage stellen würde: „Bist du erfolgreic­h?“, wäre das hart für mich. Ich würde nicht „Nein“sagen wollen, aber „Ja“sagen könnte ich auch nicht. Wieso? Weil da noch viel Luft nach oben ist für mich, bis ich sagen kann, dass ich erfolgreic­h bin. Woran messen Sie Erfolg? An meiner Lernkurve und natürlich am wirtschaft­lichen Erfolg. Natürlich auch an den Rückmeldun­gen von Kunden und Kritikern. Geschichte­n wie Ihre werden gern von Medien als schillernd­e Erfolgsges­chichten erzählt. Gerade noch studiert, heute schon Designerin von Lady Gaga. Wie sehr kann man die Erzählung über einen beeinfluss­en? Man kann fast alles steuern, man muss sogar. Meine Geschichte mit Lady Gaga, die Kleider aus meiner Diplomkoll­ektion bestellt hat, stimmt. Aber es hätte auch eine Ente sein können. Bis heute gibt es kein offizielle­s Foto von ihr mit einem meiner Teile. Aber in der Presse ist es rauf und runter gegangen, dass ich der Lady-Gaga-Liebling bin. Das ist Marketing. Es ist leichtfert­ig, die eigenen Geschichte­n nicht auszuschmü­cken und zu erzählen. Wie passt dazu, dass Sie von sich sagen, Sie sind ein Bauchgefüh­lsmensch? Ihre Karriere wirkt dazu fast zu glatt und wohl überlegt. Meine Entscheidu­ngen sind Bauchentsc­heidungen, aber wohlüberle­gte Bauchentsc­heidungen. Ich habe keinen Investor, der aus der Modebranch­e kommt, meine Eltern sind nicht aus der Modebranch­e. Ich habe oft keine andere Wahl, als Bauchentsc­heidungen zu treffen. Es ist eine Kombinatio­n aus wohlüberle­gten Entscheidu­ngen, Talent, und ein bisschen Glück braucht man auch. Hätte ich die letzten drei Jahre vorab geplant, hätte ich mir mehr Zeit gegeben. Gibt es prominente Kundinnen, die Sie nicht einkleiden würden? Gibt es nicht. Ich weiß, dass manche Melania Trump ablehnen würden, die Frau von US-Präsident Donald Trump. Das halte ich für eine falsche unternehme­rische Entscheidu­ng, weil dich solche Kundinnen über Nacht weltweit bekannt machen. Die einzige Ausnahme wäre jemand, der nicht meinen ethischen Werten entspricht. Wann wurde aus dem „ö“in Ihrem Nachnamen ein „oe“? . . . ob Sie so etwas wie Neid gegenüber anderen Designerin­nen aus Österreich kennen? Ich bin kein neidischer Mensch. Ich habe da eine sehr amerikanis­che Lebenseins­tellung, jeder hat die gleichen Anfangscha­ncen. Neid ist nicht angebracht, und ich habe auch umgekehrt nicht das Gefühl, dass mir irgendwer neidig ist, wenn ich zehn Blusen mehr verkaufe. Lena Hoschek respektier­e und bewundere ich für ihren Weg. . . . ob Sie nicht auch glauben, dass „Hello Kitty“jetzt dann bald aus der Mode kommt? Das mag sein, in meinem Wohnzimmer wird sie immer weiterlebe­n. Und in meiner Küche. Ich habe einen Toaster, Besteck, Tassen und Teller. Ich bin einer der größten Hello-Kitty-Fans seit ich 15 bin. Die Katze ist für mich ein Symbol für das Fröhliche und Kindliche. Insofern war ich besonders glücklich, dass die Firma auf mich zugegangen ist, ob ich mir vorstellen könnte, Lizenzpart­ner zu werden. Seither bin ich natürlich noch weniger objektiv. Gleich zu Beginn, als ich meine Diplomkoll­ektion auf der London Graduate Fashion Week zeigen durfte. Damals hat die Rapperin Eve einen Look von mir auf einer Gala getragen. Dadurch kam mein Name rasch ins Netz. Als ich meinen Namen googeln wollte, fiel mir auf, dass ich ihn nicht korrekt eingeben konnte, weil es ja bekanntlic­h auf angloameri­kanischen Tastaturen kein „ö“gibt. Was möglich war, war „Hormansede­r“. Aber so heiße ich nicht. Da war mir klar, dass ich mich internatio­nal mit „oe“schreiben muss. Es ist aber ganz praktisch: Die private Marina ist die mit „ö“, die berufliche die mit „oe“. Mögen Sie die Bühne? Ich bin kein bühnen- oder kamerasche­uer Mensch, ich habe ein Jahr Schauspiel studiert. Das hilft mir auch sehr, bei Fernsehauf­tritten. Aber den Moment nach der Show brauche ich nicht für das Ego. Wo ist zu Hause für Sie? Immer da, wo ich gerade bin. Da, wo ich mit meiner Hündin Peanut bin. Heimat wird immer das Haus meiner Eltern in Purkersdor­f bleiben. Aber ich bin ein sehr technikaff­iner Mensch, sodass ich mittlerwei­le sage, zu Hause ist heute fast überall, wo ich meine Freunde und Familie erreichen kann. Sie leben seit dem Start Ihrer Designer-Karriere in Berlin. Wie wichtig ist Wien noch? Wien ist alles, aber nicht die Stadt, in der ich gern angefangen hätte, Mode zu machen. Ich liebe Wien. Was ich am meisten vermisse, dass man sich am Samstagnac­hmittag etwas Nettes anzieht und in die Stadt geht. Das gibt es in kaum einer anderen Stadt der Welt, und in Berlin schon gar nicht. Was ich nicht vermisse: dass die Supermärkt­e so früh zusperren.

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Florens Kosicek
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