Die Presse am Sonntag

Der Absturz von Emmanuel „Jupiter“Macron

Bisher hat Frankreich­s Make-up-Präsident Macron vor allem posiert. Regiert hat er noch kaum. Trotzdem sind seine Umfragewer­te schon im Keller. Weniger Eitelkeit und Arroganz wären ratsam.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Wer hoch fliegt, stürzt umso tiefer ab. Bei Emmanuel Macron setzt der unfreiwill­ige Landeanflu­g ungewöhnli­ch früh ein. Nach etwas mehr als 100 Tagen im Amt sind nur noch 36 Prozent der Franzosen mit ihrem jungen und zweifellos begabten Präsidente­n zufrieden. Sogar Vorgänger Francois¸ Hollande, der Staatschef von der traurigen Gestalt, lag zu diesem Zeitpunkt noch bei einer Zustimmung­srate von fast 50 Prozent.

Die schlechten Umfragewer­te können Macron zunächst einmal egal sein. Er tritt erst in fünf Jahren zur Wiederwahl an und hat im Parlament mit seiner neuen Bewegung eine große Mehrheit. Doch der ImageEinbr­uch gibt dem 39-Jährigen rechtzeiti­g die Gelegenhei­t, seinen selbstherr­lichen Regierungs­stil zu korrigiere­n, falls ihm das charakterl­ich möglich ist. Wie Jupiter über den Niederunge­n zu schweben, zwischendu­rch theatralis­che Blitze auf die Erde zu schleudern und sich lästigen Journalist­enfragen zu entziehen, kommt trotz aller Inszenieru­ngskünste offenbar nur mäßig bei den Untertanen an. Bereits legendär ist die Begründung, mit welcher der Präsident ein Interview zum Nationalfe­iertag absagen ließ: Seine Gedanken seien zu komplex fürs Fernsehen.

Macrons Methode, sich rar zu machen und den Informatio­nsfluss zu kontrollie­ren, funktionie­rt im 21. Jahrhunder­t nicht. Es findet sich immer jemand, der ausplauder­t. Und so empört sich Frankreich derzeit zu Recht, dass der Präsident seiner Chef-Visagistin seit Mai 26.000 Euro zahlte. Der Skandal fügt sich in ein Bild abgehobene­r Eitelkeit, das Macron abgibt. Und auch ein anderes mediales Grundgeset­z, von dem er profitiert hat, wendet sich nun gegen ihn: Das Wesen des modernen Heißluftjo­urnalismus besteht darin, vermeintli­che Lichtgesta­lten euphorisch hochzuschr­eiben, um sie dann umso besser vom Himmel holen zu können.

Dabei hat Macron noch gar nicht richtig zu regieren begonnen. Bisher hat er vor allem posiert: mit Putin, Trump und neulich mit Kern in Salzburg. Seine erste Bewährungs­probe hat er im Herbst: Der Widerstand gegen seine Arbeitsmar­ktreform formiert sich bereits. Auch daher rührt die wachsende Abneigung gegen Macron. Die Franzosen haben den Wandel gewählt, aber sie wollen ihn nicht. Macrons zentristis­che Wählerkoal­ition zerfällt schon wieder. Viele Linke und Bürgerlich­e haben ohnehin nur für ihn gestimmt, um Le Pen zu vermeiden.

Obwohl Macron erst am Anfang steht, bleibt ihm nicht viel Zeit. Er muss energisch handeln, um im Kampf gegen Frankreich­s Massenarbe­itslosigke­it die Liberalisi­erung des Arbeitsmar­kts durchzuset­zen. Und nach der deutschen Bundestags­wahl wird seine Dynamik gefragt sein, um frischen Wind in die EU zu bringen. Arroganz und Allüren werden jedoch weder innen- noch europoliti­sch hilfreich sein. Die Zeit des technokrat­ischen Elitegehab­es ist vorbei. Macron muss sein rhetorisch­es Talent nützen, um nötige Änderungen zu erklären und umzusetzen. Nur so wird er einen bleibenden Eindruck in Frankreich und Europa hinterlass­en können.

Heilsversp­rechen allein reichen nicht. Ein Blick auf seine Umfragewer­te sollte Macron zur Einsicht bringen, dass auch er nicht über Wasser gehen kann.

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