Die Presse am Sonntag

Studieren trotz Brexit: Sind britische Unis noch attraktiv?

Seit Jahren zieht es Studenten aus Österreich und anderen EU-Staaten nach Großbritan­nien. Nun stehen sie vor offenen Fragen.

- VON LUKAS MAUTNER MARKHOF

Felix Oblin verbrachte in seiner Schulzeit ein Semester in den USA, dieses Mal plante er einen längeren Aufenthalt: Er wollte „vor allem, die eigenen vier Wände – die Heimat Österreich und Wien – einmal verlassen.“Seine Bedingung war: Die Uni musste renommiert sein. Schließlic­h erhielt der gebürtige Wiener ein Angebot von der Elite-Uni London School of Economics (LSE) und zog auf die Insel. Als passionier­ter Bergsteige­r wusste Felix zwar, dass ihm der eine oder andere Berg abgehen würde, doch die Erwartunge­n in die „Stadt der Superlativ­e“, London, hätten sich erfüllt, erzählt Felix auch über die Uni. Zwar koche diese mit demselben Wasser wie alle anderen, doch das Rundumange­bot mache es aus: kurze intensive Semester, intelligen­te und ehrgeizige Kollegen, kulturelle Vielfalt, hochkaräti­ge Vortragend­e vom Dalai Lama bis Bill Clinton. Oblin kann hier viel mitnehmen.

Im Juni vergangene­n Jahres kam dann der Super-GAU für Studenten aus anderen EU-Ländern. Die Briten entschiede­n sich für den Brexit. Felix erzählt: „Die Meinung auf der Universitä­t war gespalten.“Die einen prophezeit­en apokalypti­sche Szenarien für den Finanzstan­dort London, andere verkündete­n ein goldenes Zeitalter. Die LSE schlug sich auf die Seite der „Remainers“und bekannte sich noch am selben Tag zur EU.

Persönlich habe Felix das Referendum nie großartig mit dem Studium verbunden. Die LSE sicherte allen Studenten zu, die stolzen Studiengeb­ühren von 9.250 Pfund pro Jahr nicht zu erhöhen. Nach dem Austritt könnten sich diese nämlich für nichtbriti­sche Staatsbürg­er verdoppeln. Derzeit seien die Entwicklun­gen für EU-Studenten doch noch erfreulich, wie ein Freund Oblins mit einem Blick auf die Finanzmärk­e bemerkte: Fast jedes Mal, als Theresa May letzten Herbst dazu Stellung nahm, wurde das Leben für sie ein Stück billiger.

Oxford-Professor Peter Frankopan verriet, dass es kein Geheimnis sei, dass die meisten Kollegen bestürzt vom Brexit-Ergebnis waren, „als His- toriker mag ich keine abrupten Veränderun­gen“, dies führe nur zur Anspannung, Gefahr und Fragilität. Die Unsicherhe­it, die durch den Brexit entstehe, sei nicht hilfreich, denn Studenten müssen sich vermehrt um Fragen wie Visa und Jobs kümmern.

Für die Unis steht noch vieles offen. EU-Forschungs- und Bildungspr­ojekte wie Erasmus + und Horizon 2020 würden wegfallen, die EU-Bildungsfö­rderungen blieben nach dem Austritt ebenfalls aus. Laut dem Universiti­es and Colleges Admissions Service (UCAS) gibt es dieses Jahr schon um sieben Prozent weniger Bewerbunge­n aus der EU als im Vorjahr. Aus Österreich sank die Zahl sogar um zwölf Prozent und beträgt nur noch 520 Studenten. »Es ist wie im Fußball«. Sicherlich müsse sich die LSE ihre internatio­nale Positionie­rung genau überlegen, erklärt der 20-jährige Oblin. Seit Jahren stehen die Britischen Universitä­ten Oxford, Cambridge, Imperial und LSE ganz oben auf der Liste der besten Hochschule­n der Welt, und „ich sehe keine realistisc­hen Chancen, dass sich dies in näherer Zukunft ändern wird“, meint Professor Frankopan. „Die Gelder in den USA, China und den Golfstaate­n lassen die EUFörderun­gen unbedeuten­d aussehen.“Der Erfolg der Top-Unis auf der Insel hänge viel mehr von globalen Entwicklun­gen ab. Kleinere Universitä­ten werden es aber schwer haben, in Zukunft EU-Studenten anzuziehen, sind sich Oblin und Frankopan einig.

Ob sich Felix eine Zukunft in London nach dem Brexit vorstellen kann, hänge davon ab „welche Möglichkei­ten sich innerhalb und außerhalb Großbritan­niens ergeben“. Für Frankopan ist es wie im Fußball: „Wenn du nicht ganz oben bleibst und dauernd Pokale gewinnst, gehen irgendwann die besten Spieler woanders hin.“Es gebe jede Menge tolle Teams, für die man spielen könne, „aber für mich wären Real Madrid und Barcelona die erste Wahl. Und für mich sind die entspreche­nden Unis Cambridge und Oxford“.

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