Gusenbauer – es wird wieder gesudert
Der ehemalige Regierungschef treibt die Genossen wie schon seinerzeit bisweilen zur Weißglut, weil er an seinen Beraterkontakten festhält und sich nicht als Hemmschuh für die Chancen sieht, dass Christian Kern das Kanzleramt verteidigt.
Maria Maltschnig ist eine intelligente junge Frau. Die Geschäftsführerin des Renner-Instituts sei in einer Sitzung, wurde zuerst in der SPÖParteiakademie in Wien-Altmannsdorf beschieden. Aus dem der „Presse am Sonntag“versprochenen Rückruf wurde tagelang nichts. So kann man Fragen nach dem Präsidenten des RennerInstituts auch aus dem Weg gehen. Der heißt Alfred Gusenbauer. Die Vorgangsweise ist in diesen Tagen symptomatisch: Nur nicht – öffentlich – anstreifen am früheren Bundeskanzler und SPÖ-Chef, lautet die Devise.
Der Ex-Kurzzeit-Regierungschef und jetzige weltgewandte Geschäftsmann ist ganz gegen seinen Willen wieder in aller Munde. Unfreiwillig – seit vor mehr als einer Woche seine engeren Verbindungen zu dem in Israel verhafteten und danach abgesetzten SPÖ-Berater Tal Silberstein und zu dessen Landsmann Benny Steinmetz bekannt wurden.
Seither hat Gusenbauers Freund, Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Christian Kern, Erklärungsbedarf, damit die Wogen nicht überschwappen. Auch bei so manchem Genossen, besonders bei Gewerkschaftern, die wegen der Geschäfte des Niederösterreichers den Kopf schütteln. Die vor allem nicht verstehen, dass Gusenbauer einfach nicht einsehen will, dass er trotz allem eine Hypothek für den SPÖ-Spitzenkandidaten Kern ist.
Der SPÖ-Chef strampelt sich derweil im Wahlkampf ab. Er hat in dem eigenen Tourbus zuletzt zwischen Oberösterreich und Salzburg Auftritte und viele Kilometer absolviert. Am Samstagvormittag munterte Kern 40 Wahlkampfmanagerinnen auf, die im Bundesland Salzburg die Hausbesuche der SPÖ organisieren. Am Nachmittag ging das Programm bei einer getreuen roten Klientel weiter – bei einer Wanderung mit dem SPÖ-Pensionistenverband in Lienz in Osttirol. Eisbrecher bei Haider. All das ficht den Ex-Kanzler offenbar nicht an. Er hat seinerzeit das Modell einer „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“zu entwickeln begonnen, an das Kern mit seinem Plan A und den Überlegungen etwa für eine Wertschöpfungsabgabe im Zeitalter der Digitalisierung anknüpft. Gusenbauer war auch ein überdurchschnittlich begabter Redner. Als Chef der SPÖ in Opposition traf er seinerzeit mit dem früheren Gottseibeiuns der Sozialdemokraten, Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider, zusammen. Kern hat heuer im Juni im SPÖ-Vorstand die Möglichkeit durchgebracht, dass die FPÖ nicht mehr von vorneherein als möglicher Regierungspartner nach der Nationalratswahl am 15. Oktober ausgeschlossen wird.
Aber während Kern Österreich regelrecht durchpflügt – heute folgt die Steiermark, am Montag dann Tirol – erinnert Gusenbauer den einen oder anderen Genossen vor allem an die Spätphase seiner Kanzlerzeit in der ersten Hälfte 2008. Als beratungsresistent galt der 57-Jährige schon, als er die Geschäfte der Bundesregierung führte. Aber im Lauf des Frühjahrs 2008 brachte Gusenbauer die Funktionäre mit seiner offenkundigen Arroganz zum Kochen. Das Ganze gipfelte in Gusenbauers hingeworfenem Satz zu einer Veranstaltung mit Funktionären in der Steiermark, ob das wieder das übliche „Gesudere“werde. Sein Pech war, dass der despektierliche Sager vom ORF-Fernsehen aufgenommen und gesendet wurde.
In der SPÖ wird, wenn es um die – mangelnde – Sensibilität Gusenbauers geht, bisweilen auch an eine andere Begebenheit erinnert. Die roten Gewerkschafter liefen zu SPÖ-Oppositionszeiten gerade Sturm gegen die Pensionskürzungspläne der schwarzblauen Regierung Wolfgang Schüssel. Gusenbauer, ein anerkannter Weinkenner, war zu der Zeit in einem Nachrichten-Magazin mit einer ausführlichen Wein-Expertise nachzulesen. Ausgewählte Medienkontakte. Als Nicht-mehr-Spitzenpolitiker muss Gusenbauer nicht mehr mit Journalisten reden. Er lässt das viele unverblümt und harsch merken. Wenn er doch spricht, tut er das spitzzüngig. Zuletzt in der Wiener Stadtzeitung „Falter“, wo er etwa Sätze wie diesen formuliert hat: „Ich bin ein gesetzestreuer, österreichischer Kaufmann und Steuerzahler und leiste, wo ich kann, meinen Beitrag für die Sozialdemokratie.“Es sind genau solche Dinge, weswegen Genossen zumindest hinter vorgehaltener Hand wieder über ihn „sudern“. Bei namhafteren SPÖ-Politikern sieht man hingegen nur die Chance, dass Gusenbauer doch noch von sich aus Konsequenzen zieht und zumindest das Präsidentenamt im Renner-Institut zurücklegt. Per öffentlichem Zuruf sagt das keiner, weil das die Chance darauf sinken lässt.
Umgekehrt gibt es aber in der SPÖ schon Verständnis, dass Gusenbauer als Berater auch für einfache Arbeitnehmer vielleicht unverständlich viel verdient. Das könne gerade auch SPÖPolitikern, die für Spitzenfunktionen in der Republik befähigt waren, nicht von vorneherein angekreidet werden. Gern wird in dem Zusammenhang daran erinnert, dass Viktor Klima nach dem Verlust des Kanzlerpostens 2000 fast nur das Auswandern als VW-Manager nach Argentinien blieb, um einen Topposten abseits staatsnaher heimischer Unternehmen zu erhalten. Dort habe er, wie schon vor seinem politischen Einstieg bei der OMV, als Wirtschaftskapitän seinen Mann gestellt.
Zur Wahl steht aber am 15. Oktober weder Klima noch Gusenbauer. Letzterer hat einst entgegen den Erwartungen vieler mit einer SPÖ, die von den Turbulenzen um die Gewerkschaftsbank Bawag durchgebeutelt wurde, im Oktober 2006 die Wahl gewonnen. An diese Hoffnung klammern sich jetzt auch die Kern-Anhänger.
In seiner Zeit als SPÖ-Chef traf Gusenbauer demonstrativ mit Jörg Haider zusammen. Ein Schicksal als Altkanzler: Viktor Klima wanderte nach Argentinien aus.