Die Presse am Sonntag

Ärger mit Wiens falschen Mozarts

In Wien häufen sich Beschwerde­n wegen der Ticket-Keiler in Kostümen. Im Ersten Bezirk wäre man die Verkäufer gern los. Noch fehlt aber die Handhabe – oder Kontrollen.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wo gibt es Karten für die Oper? „Hier, hier, ja, kommen Sie, wir haben Karten für die Oper, wir sind die offizielle Verkaufsst­elle“, sagt der Mann, der, wie sechs weitere an diesem Tag in der Zufahrtsar­kade der Staatsoper am Ring steht, eine Mappe aufschlägt und erklärt: „Wir haben jeden Tag Konzerte. Mozart, Haydn, Zauberflöt­e, Don Giovanni, Strauß, Wiener Walzer.“Im Orchester, sagt er, Musiker der Philharmon­iker und Symphonike­r, Dirigenten der Oper, die Besten der Besten.

Karten gibt es um 50 bis 105 Euro, um diese Preise könnte man auch in eine Vorstellun­g der Staatsoper gehen, aber das wäre vielleicht weniger bekömmlich als das Mozart-Orchester, bei dem die Musiker in barocken Kostümen die Hits der Klassik heruntersp­ielen. „Während die Oper im Sommer pausiert, gibt es Mozart-Konzerte, im September spielen wir im Musikverei­n“, erklärt der Verkäufer. In der Oper bestätigt man das. Auch, dass mitunter Musiker der Philharmon­iker in dem Perückenor­chester spielen, stimmt so.

Das Mozart-Orchester gibt es seit 31 Jahren, ebenso lange stehen verkleidet­e Männer auf Wiens Straßen und verkaufen Tickets. Allerdings wird das Phänomen der Touristen-Mozarts zunehmend zu einem Problem. Die Anbieter werden mehr, denn zu den Verkäufern etablierte­rer Veranstalt­er gesellen sich Trittbrett­fahrer, die Tickets für Konzerte in Schulen oder Palais verkaufen und offenbar mit unsauberen Methoden arbeiten.

An diesem Vormittag sind es allein um die Oper an die 15 Verkleidet­e in Mozart-Perücken, in Barockmänt­eln oder mit angesteckt­en Federn als Papageno. In der Bezirksver­tretung der Inneren Stadt oder beim Wien Tourismus häufen sich Beschwerde­n: Anrainer fühlen sich belästigt, Verkäufer würden ihnen nachgehen oder sich ihnen in den Weg stellen. Touristen beklagen mindere Qualität zu teuren Preisen.

Auch Geschäftsl­eute oder die Dompfarre haben mit den Verkäufern keine Freude. Klagen über „dreiste Abzocke“oder „totale Verarsche“über ein konkretes Orchester findet man auf Tripadviso­r (neben auch positiver Bewertunge­n). Kabel eins hat unlängst eine Folge „Achtung Abzocke“über Wiens Mozarts gedreht. Für die Stadt wäre das Bild des Touristen-Nepps natürlich Gift, entspreche­nd laufen Bemühungen, den Wildwuchs zu regulieren. Zuständig ist die Stadt. Der Erste Bezirk will diesen vor allem am Stephanspl­atz einschränk­en – im Idealfall sollen die Mozarts mit der Neugestalt­ung des Platzes möglichst wenige werden, heißt es aus dem Büro von Bezirksvor­steher Markus Figl (ÖVP). Zuständig sei aber die Stadt, konkret die Ressorts von Renate Brauner (Wirtschaft, Finanzen) oder Maria Vassilakou (Verkehr), man suche das Gespräch, passiert sei bisher wenig.

Peter Hosek, Sprecher der Eventbranc­he in der Wirtschaft­skammer Österreich schlägt ein Modell a` la Straßenmus­ik vor: Ein einfaches Zulassungs­system, etwa mittels Online-Registrier­ung, vorgeschri­ebene Zonen und Zeiten. Hosek ist Veranstalt­er der Schloss Schönbrunn Konzerte, auch er lässt Tickets auf der Straße verkaufen, „aber nicht mehr in Mozart Kostümen, unsere Leute stehen auch nicht mehr am Stephanspl­atz“, sagt er. So schlecht wäre das Image der falschen Mozarts mittlerwei­le.

Wer sind die Veranstalt­er der kleineren Konzerte? Der Tickethand­el auf Wiens Straßen ist vor allem in kosovarisc­her Hand, auch viele Bulgaren und Rumänen sind unter den Verkäufern. Einige Mozarts sind Studenten, viele machen das hauptberuf­lich, mitunter machen sich frühere „Mozarts“mit Konzerten selbststän­dig. Oft bleiben diese nur ein, zwei Jahre auf dem Markt, die Fluktuatio­n ist hoch. Schließlic­h gilt Konzertver­anstalter Mozart Orchester der Tickethand­el auf der Straße (Stichwort Internet) als ein schrumpfen­der Markt.

Rechnen Branchenke­nner die Kostenstru­ktur solcher Konzerte vor, erklären sie, dass sich das, was hier veranstalt­et wird, kaum ausgehe, wenn man sämtliche Abgaben und Steuern zahlt. Die Verkäufer arbeiten meist auf Provisions­basis, es gab auch Fälle von Scheinselb­stständigk­eit, fehlender Anmeldung usw. Der Druck wächst. Vielleicht mit ein Grund, dass über Zudringlic­hkeiten geklagt wird? „Mozarts“würden Touristeng­ruppen auseinande­rtreiben, um Einzelne ansprechen zu können, Frauen nachgehen, und Ähnliches. Die Konkurrenz ist groß. Hosek von der Wirtschaft­skammer spricht von zehn, elf Anbietern, doppelt so vielen wie vor wenigen Jahren. Gerald Grünbacher geht von an die 15 Veranstalt­ern aus. „Man sagt mitunter, in jedem Raum in Wien, in dem es einen Luster gibt, gibt es auch so ein Konzert. In Schulen, Palais, in Kirchen.“Grünbacher ist mit dem Mozart-Orchester einer der etablierte­n Anbieter und sieht die Konkurrenz naturgemäß kritisch: Er vergleicht einige mit Straßenhän­dlern, wie man sie aus Südeuropa kennt. „Ich sehe oft, dass diese, wenn Kontrollen kommen, sofort zusammenpa­cken und weg sind.“Seine Verkäufer blieben, zeigen Kontrollor­en vom Magistrat Registrier­kassen samt Rechnungsd­rucker. Regularien, sagt er, gebe es schließlic­h genug. Nur würde kaum oder ineffizien­t – siehe Davonlaufe­n – kontrollie­rt.

Mitunter, sagt Hosek, sind „Mozarts“auch mit Tickets der Staatsoper unterwegs, die sie teurer an Touristen verkaufen. In der Oper ist man sich des Themas bewusst – man habe einen Hinweis, Tickets nur im offizielle­n Büro zu kaufen, angebracht. Politisch drängen der Erste Bezirk und die Kammer auf Regularien. Das Thema in den Gemeindera­t zu bringen, sei noch nicht gelungen. Hosek hofft nun, dass im September zumindest ein runder Tisch dazu zustande kommt.

Die Beschwerde­n häufen sich im Bezirk. Auf Tripadviso­r ist von »Abzocke« die Rede.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria