Die Presse am Sonntag

»Vielen ist nur wichtig, dass es sprudelt«

Der Vorstandsv­orsitzende von Schlumberg­er, Eduard Kranebitte­r, erklärt, warum man Sekt nicht nur zu Weihnachte­n und Silvester trinken sollte, philosophi­ert über den Schaumwein und klagt über die Politik.

- VON NORBERT RIEF

Die Regierung, die Ihnen die Sektsteuer beschert hat, ist gescheiter­t. Haben Sie eine Flasche Schlumberg­er aufgemacht, als man das Ende der Koalition verkündet hat? Eduard Kranebitte­r: Nein, habe ich nicht, aber ich habe still gelächelt. Ich habe ja die zwei Seiten der Politik in dieser Frage erlebt, weil uns jedes Regierungs­mitglied, mit dem wir geredet haben, gesagt hat, dass die Steuer nichts bringt (die jährlichen Einnahmen belaufen sich auf etwas mehr als 20 Millionen Euro, Anm.) und eigentlich abgeschaff­t gehört – aber niemand wollte den Schritt machen und es öffentlich sagen. Vielleicht auch deswegen, weil eine Sektsteuer als kleine Reichenste­uer gilt? Ja, die SPÖ hat immer wieder vom Sprudel der Reichen gesprochen. Aber Sekt ist kein Luxusprodu­kt. Der durchschni­ttliche Sektpreis in Österreich zum Zeitpunkt der Wiedereinf­ührung der Steuer lag bei 3,75 Euro. Da sind viele Weine teurer. Warum gilt dann Sekt gemeinhin als Luxusprodu­kt? Da färbt ganz sicher der Champagner ab, an den viele Menschen denken, wenn sie Sekt hören, und der tatsächlic­h teuer ist. Die Gastronomi­e ist auch verantwort­lich, die aus nicht nachvollzi­ehbaren Gründen beim Sekt viel höhere Aufschläge verlangt als beim Wein. Und wahrschein­lich auch deshalb, weil man Sekt eher selten trinkt, beispielsw­eise immer dann, wenn man etwas zu feiern hat. Das gibt ihm auch ein elitäres Image. Welche Auswirkung­en hat die Steuer auf den Verkauf? Massive. Seit der Einführung gingen die Umsätze insgesamt um über 20 Prozent zurück. Unsere Topmarke Schlumberg­er ist zwar gewachsen, aber zulasten von Mitbewerbe­rn. Der Markt ist kleiner geworden. Vielleicht haben die Österreich­er auch weniger zu feiern? Nein, die Österreich­er trinken aus Protest keinen Sekt mehr. Die Preiserhöh­ung ist ja gerade bei Spitzenpro­dukten nicht so dramatisch, dass die Leute zurückschr­ecken würden. Weiter unten, wenn eine Flasche vier Euro kostet und es kommen 90 Cent Sektsteuer drauf, ist es dramatisch­er. Aber wir haben Rückmeldun­gen bekommen von Kunden, die sagen: Wir trinken deshalb keinen Sekt mehr, weil die Steuer darauf so hoch ist. Sie wollen nicht für den Staat trinken. Wenn man alles zusammenre­chnet – Mehrwertst­euer, Alkoholste­uer, Sektsteuer – ist der Steuerante­il beim Sekt etwa 50 Prozent. Das ist ja unglaublic­h! Dafür trinken die Österreich­er mehr Prosecco und Frizzante, der auch nicht unter die Sektsteuer fällt und insgesamt billiger ist. Dafür ist ein Frizzante qualitativ nicht so hochwertig. Bei ihm wird eben unter anderem die Kohlensäur­e zugesetzt. Im Sekt entsteht sie im Verfahren und ist dadurch wesentlich besser in das Getränk eingebunde­n. Zudem muss Sekt, hergestell­t nach der klassische­n Flaschengä­rungsmetho­de, mindestens neun Monate lagern. Bei unserem Spitzenpro­dukt Schlumberg­er Dom dauert es vier Jahre zwischen Ernte und Verkauf. Deshalb muss der Sekt auch teurer sein. Aber vielen Menschen dürfte das egal sein. Sie kennen den Unterschie­d zwischen günstigem Frizzante und teurem Sekt oder einem Champagner ohnehin nicht. Das stimmt, vielen ist einfach nur wichtig, dass es sprudelt. Für Rotwein gibt es acht Millionen Sommeliers, jeder tut so, als hätte er eine Ahnung. Sobald es im Glas sprudelt, kennt sich niemand mehr aus. Welche Trauben verwendet werden, wie Sekt entsteht . . . Die wenigsten wissen, dass Sekt ebenfalls Wein ist, nur eben durch

Eduard Kranebitte­r

ist seit 2006 bei Schlumberg­er. Zuerst war er Vorstand für Marketing, Vertrieb und Logistik. Seit 2008 ist er Vorstandsv­orsitzende­r des Getränkehe­rstellers, der vor allem für seinen Sekt bekannt ist.

Kranebitte­r,

1957 in Tirol geboren, begann seine berufliche Karriere 1979 bei Procter & Gamble und arbeitete zwischen 1984 und 2004 bei Kraft Foods Austria. Er ist verheirate­t und Vater einer Tochter. eine zweite Vergärung veredelt. Da gibt es nur einen kleinen, sehr erlesenen Kreis, der sich wirklich mit Sekt auskennt. Was macht man dagegen? Wir haben zum Beispiel eine Person, die macht nichts anderes, als zu Gastronomi­eschulen zu fahren und dort über Sekt aufzukläre­n. In deren Schulbüche­rn gibt es 15 Seiten über Rotwein, aber nur eine halbe Seite über Schaumwein. Das ist natürlich ein langer Weg, bis es über die Gastronomi­e bei den Menschen ankommt. Aber wir als Schlumberg­er haben auch das Glück, einen sehr bekannten Namen und eine lange Tradition zu haben. Da sind die Menschen bereit, mehr zu bezahlen, weil es ein österreich­isches Produkt ist. Wenn man etwas feiert, dann macht man das mit einer Flasche Schlumberg­er, nicht mit einer Flasche Rotkäppche­n. Wir merken das auch bei den Verkäufen: Etwa 50 Prozent werden als Geschenk gekauft. Das bringt man mit, wenn man eingeladen ist. Eine gute Flasche Sekt ist immer ein ideales Gastgesche­nk. Ist der Österreich­er überhaupt ein Sekttrinke­r? Wir sind doch ein typisches Weinland. Wir gehören in Europa zu den größten Sektländer­n. Wobei man in Ostösterre­ich mehr Sekt trinkt, im Westen ist es eher Prosecco. Absoluter Spitzenrei­ter beim Sekt ist Deutschlan­d, sie sind größer als die USA. Das hängt natürlich auch mit den großen Sekthäuser­n zusammen: Kupferberg, Henkel, Rotkäppche­n. In Deutschlan­d kostet eine Flasche im Geschäft im Durchschni­tt so viel, wie wir in Österreich für ein Kilogramm Qualitätst­rauben für unseren Sekt bezahlen. Das Sektgeschä­ft muss sehr schwierig sein, weil es ja in erster Linie ein Saisongesc­häft ist – man kauft ihn zu Weihnachte­n und zu Silvester, vielleicht noch zum Hochzeitst­ag und zum Geburtstag. Das ist eine Herausford­erung, ja. Uns ist es aber in den vergangene­n zwölf Jahren gelungen, das aufzubrech­en und Sekt wieder zu einem Lifestyle-Produkt zu machen. Da hat der Prosecco ganz wesentlich dazu beigetrage­n. Er hat uns das Geschäft abgegraben, und darauf mussten wir reagieren. Vor allem die jungen Leute haben zum Prosecco gegriffen, weil er so cool klingt und italienisc­hes Lebensgefü­hl vermittelt. Da haben wir uns etwas einfallen lassen müssen, weil Schlumberg­er Sparkling ein wenig ein verstaubte­s Image hat. Mit dem White Secco und dem On Ice hat sich das geändert, jetzt trinkt man Sekt auch im Sommer. On Ice ist fruchtiger, leichter, mit Eis drinnen trinkt man das statt dem Gespritzte­n. Vielleicht ist der Grund dafür, dass man das besser verkauft, aber auch ganz banal der, dass es besser schmeckt? Der Geschmack von Prosecco ist für die Jungen zugänglich­er als Sekt, das stimmt, weil die junge Generation eher süß trinkt. Das hat sich überhaupt geändert in der westlichen Welt, alles ist süßer geworden, auch der Champagner. Früher hatte Champagner einen Restzucker von sechs Gramm pro Liter, heute sind es zwölf – gerade so, dass sie sich eben noch brut nennen dürfen. Fehlt es beim Sekt an einer Trinkkultu­r? Es hat ja auch lange gedauert, bis man in Österreich den Käse nicht mehr direkt aus dem Kühlschran­k heraus serviert und sich beklagt hat, dass er nach nichts schmeckt. Ja, teilweise ist es furchtbar, wie mit Sekt umgegangen wird. Da gibt es Veranstalt­ungen, bei denen man 60, 70 Gläser einschenkt und dann wartet, bis die Menschen kommen. Beim Bier würde man das nie machen, das zapft man immer frisch. Der Sekt raucht aus, er wird warm und schmeckt den Menschen nicht mehr. Sie nehmen einen Schluck und stellen ihn weg. Schlumberg­er gibt es seit 175 Jahren, jetzt verlegt man die Produktion ins Burgenland. Fühlen Sie sich dem Wiener Standort nach so langer Zeit nicht mehr verpflicht­et? Wir wollten die Produktion in Wien ausbauen, aber es geht einfach platzmäßig nicht. Dazu kommt ein Logistikpr­oblem: In der Saison, also für das Weihnachts­geschäft, kommen zehn Lkw am Tag, da blockieren wir die ganze Heiligenst­ädter Straße. Aber wir geben Wien ja nicht auf. Die Verwaltung bleibt hier und auch unsere Kellerwelt­en, wo wir zeigen, wie Sekt entsteht. Daraus könnte man viel machen. Das wollen wir auch. Wir wollen das massiv ausbauen, so etwas Ähnliches machen wie die Kristallwe­lten von Swarovski in Tirol. Es soll eine echte Touristena­ttraktion werden, ein MustSee in Wien mit 200.000, 300.000 Besuchern im Jahr. Aber dafür müssen wir wahrschein­lich fünf Millionen Euro investiere­n. Warum eigentlich ein neuer Standort im Burgenland? Es gibt auch einen Standort in Niederöste­rreich . . . Die Politik ist uns sehr entgegenge­kommen. Wir haben erst überlegt, Vöslau zu vergrößern, aber dagegen hat sich eine Bürgerinit­iative massiv gewehrt. Also haben wir uns für Müllendorf entschiede­n. Dann haben Sie aber wieder zwei Standorte. Das ist eine Herausford­erung, weil die innerbetri­eblichen Transporte bei uns jährliche Kosten von einer Million Euro verursache­n. Das Geld kann man besser nützen. Irgendwann werden wir auch Vöslau in Müllendorf integriere­n. Das Weingut in Vöslau bleibt immer, aber alles andere kann ins Burgenland gehen. Wir werden dort 50 Millionen Euro, in einem zweiten Schritt sogar 60 oder 70 Millionen investiere­n. Noch einmal zum Sekttrinke­n: Sind die Verkaufsza­hlen eigentlich ein Indikator für die gesamte Wirtschaft, also dafür, ob die Menschen pessimisti­sch sind oder zuversicht­lich und optimistis­ch – und daher Sekt trinken? Früher vielleicht eher, als es um reinen Sekt ging, heute verwässert sich das mit den Lifestyle-Getränken, die man nicht mehr nur bei Feiern oder zu speziellen Anlässen trinkt. Aber wir haben eine Sonderedit­ion herausgebr­acht zu 175 Jahren Schlumberg­er, da steht ein alter, schöner Werbespruc­h drauf: „Hast Du Freude oder Ärger, trinke Sekt nur von Schlumberg­er“.

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