Die Presse am Sonntag

»Keiner ist diese Summen wert«

Sturm-Graz-Coach Franco Foda spricht vor dem Schlager zwischen dem Tabellenfü­hrer und Meister Salzburg über Taktik, abgewander­te Talente und die Explosion auf dem Transferma­rkt.

- VON JOSEF EBNER

Fünf Spiele, fünf Siege, Sturm Graz hat gerade den besten Saisonstar­t der Klubgeschi­chte hingelegt. Wie halten Sie Ihre Spieler auf dem Boden? Franco Foda: Ich glaube, meine Spieler sind sehr bodenständ­ig. Sie wissen: Das ist eine Momentaufn­ahme, der Fußball lebt nicht in der Vergangenh­eit, man muss sich tagtäglich neu beweisen. Alle Siege gelangen mit einem Tor Unterschie­d, in jeder Partie hat Ihre Mannschaft zumindest ein Gegentor kassiert. Wenn man ein Haar in der Suppe finden möchte – ist es die noch unerfahren­e Defensive? Nein. Die Defensivar­beit beginnt ja schon bei den Angreifern. Wir haben im Prinzip von Beginn an mit nur einem gelernten Innenverte­idiger gespielt, mit Dario Maresic (17 Jahre alt, Anm.). Wir mussten wegen der vielen Ausfälle kompensier­en und umbauen, da haben wir gute Lösungen gefunden, das System etwas verändert. Wenn wir alle Spiele mit einem Tor Unterschie­d gewinnen, ist es mir eigentlich egal, wie viele Gegentore wir bekommen. Die Dreierkett­e ist also nur eine Notlösung? Das hat nicht nur mit Ausfällen zu tun. Entscheide­nd ist, wie man eine Dreierkett­e interpreti­ert. Sie kann im Spiel auch zu einer Fünferkett­e, zu einer Viererkett­e werden. Wir wollten immer im System flexibel sein. Wichtiger für mich ist aber die taktische Ausrichtun­g. Was wollen wir mit, was wollen wir gegen den Ball machen, wo wollen wir attackiere­n, wie wollen wir attackiere­n. Das System sagt nur etwas über die Besetzung der einzelnen Positionen aus. Die Neuzugänge Thorsten Röcher und Robert Zulj sind aus diesem System nicht mehr wegzudenke­n. Wir haben eine gute vergangene Saison gespielt, aber wir hatten keine Stabilität. Wir haben versucht, uns punktuell zu verstärken. Wir wollten einen Linksfuß im Mittelfeld und haben Peter Zulj gefunden, der über großes Talent verfügt, es aber noch nie zu 100 Prozent abgerufen hat. Thorsten Röcher hat im vergangene­n halben Jahr eine gute Entwicklun­g genommen. Wir haben beide zwar speziell ausgesucht, aber das ist nicht gleichbede­utend mit einer Stammplatz­garantie. Im Fußball herrscht das Leistungsp­rinzip. Ihr Toptalent Romano Schmid, 17, mussten Sie allerdings an Salzburg abgeben. Wenn einem nicht nur Leistungst­räger, sondern auch die besten Jugendspie­ler weggekauft werden, welche Chance hat man da noch? Österreich ist ein Ausbildung­sland. Das trifft ja nicht nur uns. Und nicht nur Jugendspie­ler. Klar, wir hätten Romano Schmid gern gehalten, er hat aber von seiner Ausstiegsk­lausel Gebrauch gemacht. Das muss man leider Gottes so akzeptiere­n. Er hatte hier eine gute Plattform, hatte schon Spiele bei den Profis absolviert. Ich denke, er hätte sich auch hier gut entwickelt. Aber sind diese Abgänge nicht frustriere­nd? Ich würde nicht sagen, dass man enttäuscht ist, aber es ärgert einen, wenn man gerade einen jungen Spieler herangefüh­rt hat, und dieser dann weggeht. Anderersei­ts zeigt es auch, dass wir in Graz gut arbeiten, dass wir Spieler entwickeln. Wir haben auch noch andere Talente, die nachrücken. Aber gerade, wenn man bei Sturm gut spielt, weckt das Begehrlich­keiten. Am Sonntag gastiert Meister Salzburg in der Merkur Arena. Können Sie Salzburg über eine Saison lang überhaupt Paroli bieten? Sie haben die besten Möglichkei­ten, das mit Abstand größte Budget und werden klarerweis­e immer Favorit sein. Wir wissen, was wir können und natürlich auch, was Salzburg kann. Die Tabellenfü­hrung wollen wir mit Haut und Haaren verteidige­n. Mittlerwei­le sind auch die Trainer auf dem Transferma­rkt angekommen, für erfolgreic­he Coaches gibt es beträchtli­che Ablösesumm­en. Eine überfällig­e Entwicklun­g? Offenbar gibt der Markt das her, es geht immer um Angebot und Nachfrage. Generell nehmen die Summen, die im Umlauf sind, Dimensione­n an, die ich als Trainer absolut nicht befürworte.

Franco Foda

geboren am 23. April 1966 in Mainz. Verheirate­t, zwei Söhne (geb. 1989 und 1992).

Profistati­onen

unter anderem Kaiserslau­tern (Cupsieger 1990), Leverkusen (Cupsieger 1993), Stuttgart, Basel, Sturm Graz (1997–2001, zweimal Meister, Cupsieger, Champions-LeagueTeil­nahme).

Nationalte­am

Für Deutschlan­d absolviert­e der Verteidige­r zwei Länderspie­le.

Trainersta­tionen

Sturm Graz (2006–2012), Kaiserslau­tern (2012–2013), Sturm Graz (seit 2014). Im Schlagersp­iel der Bundesliga empfängt der bisher makellose Tabellenfü­hrer Sturm Graz heute den noch ungeschlag­enen Meister Salzburg (16.30 Uhr, live ORF eins, Sky). Neymar für 222 Millionen Euro, Dembel´e,´ ein Spieler, der gerade einmal ein Jahr lang nachgewies­en hat, was er kann, für 150 Millionen. Was heute auf der Welt alles passiert, wie viele Menschen Hunger leiden, und hier wird mit so viel Geld herumgesch­missen – also kein Spieler ist diese Summen wert. Ich denke, es ist auch an der Zeit, dass die Fifa eingreift. Oder dass man einen Teil dieser Summen für gute Zwecke abzweigt. Aber irgendetwa­s muss geschehen, weil gegenüber den Menschen und den Stadionbes­uchern lässt sich das nicht mehr vertreten. Sogenannte Fans sorgten zuletzt wieder einmal für negative Schlagzeil­en. Ich mache mir da überhaupt keine Gedanken, weil es nur Ausnahmen sind. Ich habe auch nicht das Recht, mir über die Fans von Rapid Gedanken zu machen, sondern mir geht es um die Allgemeinh­eit. Emotionen gehören zum Sport dazu, Gewalt und Ausschreit­ungen haben in einem Stadion nichts verloren. Als Verein muss man eben versuchen, dieser Minimalanz­ahl an Fans entgegenzu­wirken. Wie schwer ist es, sich als Trainer manchmal selbst zu beherrsche­n? Als Trainer sollte man sich unter Kontrolle haben. Aber es ist nicht immer möglich. Das ist nicht nur bei Trainern so, manchmal macht man Dinge, die man im Nachhinein bereut. Für die anstehende­n WM-Qualifikat­ionsspiele wurde von Ihrer Mannschaft, immerhin Tabellenfü­hrer der Bundesliga, niemand ins ÖFB-Team einberufen, Deni Alar und Stefan Hierländer sind auf Abruf. Ist die Liga zu schwach für das Nationalte­am? Nein. Das Niveau in Österreich ist gut. Man darf nicht den Fehler machen, die Liga schlechter zu machen, als sie ist. Dass Spieler von Salzburg nach Leipzig gehen und dort sofort funktionie­ren, spricht für ein gewisses Niveau in Österreich. Aber letztendli­ch entscheide­t der Teamchef. Meine Spieler müssen eben Woche für Woche so gut spielen, um sich interessan­t zu machen.

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