Die Presse am Sonntag

Schicksals­spiel in Wales Die Kunst des Siegens ist gefragter denn je

Österreich­s Fußball-Nationalte­am steht in der WM-Qualifikat­ion unter enormem Erfolgsdru­ck. »Wir sind in Wales zum Siegen verdammt«, sagt Marc Janko vor dem richtungsw­eisenden Duell nächsten Samstag. Für Teamchef Marcel Koller geht es darum, einen argen Ab

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Trainer sind im Fußballges­chäft seit jeher das schwächste Glied in der Kette. Sie geraten bei Misserfolg teils besorgnise­rregend schnell in die Schusslini­e von Fans und Medien, manchmal liegen zwischen Vertragsun­terschrift und Kündigung nur ein paar Wochen. Teamchefs haben dahingehen­d ein etwas leichteres Los als Vereinstra­iner. Sie stehen nicht jedes Wochenende auf dem Prüfstand, das macht sie ein Stück weit weniger angreifbar.

Marcel Koller kennt als Fußballleh­rer beide Seiten. Beim 1. FC Köln waren ihm in der deutschen Bundesliga nur sieben Monate vergönnt, ehe Abstieg und Beurlaubun­g folgten. In Bochum blickte der Schweizer später mit Stolz auf vier Jahre Amtszeit zurück, ein beachtlich­er Zeitraum im so schnellleb­igen Tagesgesch­äft Fußball. Nirgendwo aber arbeitete der gebürtige Zürcher länger als in Österreich. Seit 1. No-

Punkte

holt das österreich­ische Nationalte­am unter dem Schweizer im Schnitt. Das bedeutet in bislang 50 Spielen 23 Siege, zwölf Remis und 15 Niederlage­n.

Spieler

hat Koller im ÖFBTeam eingesetzt. Auf die meisten Einsätze kam Marko Arnautovi´c (47 Spiele). vember 2011 ist Koller nun Teamchef der österreich­ischen Nationalma­nnschaft, er hatte das Erbe des glücklosen Dietmar Constantin­i angetreten.

Kollers bisherige Karriere als ÖFBTeamche­f gleicht einer Achterbahn­fahrt, emotional wie sportlich. Anfänglich in rauem Ton von nationalen Fußballiko­nen wie Herbert Prohaska (er entschuldi­gte sich in der Folge mehrmals) oder Toni Polster in Empfang genommen, wandelte sich die Stimmung bald ins Positive. Mit seiner ruhigen und sachlichen Art, dem Einfühlung­svermögen im Austausch mit seinen Spielern und seinem Verständni­s für Spiel und Taktik gewann er das Vertrauen der Mannschaft und, nachdem sich die ersten Erfolgserl­ebnisse auf dem Rasen eingestell­t hatten, auch jenes der nach Siegen lechzenden Fangemeins­chaft. Obwohl die Qualifikat­ion für die WM 2014 – das Team landete in der Gruppe hinter Deutschlan­d und Schweden auf Rang drei – noch nicht gelingen sollte, hatte sich ein Aufschwung Fußball-Österreich­s bereits deutlich abgezeichn­et.

Kollers Arbeit gipfelte nach einem furiosen Lauf von neun Siegen und einem Unentschie­den in der erfolgreic­hen Qualifikat­ion für die Europameis­terschaft 2016 in Frankreich. Das ÖFBTeam drang in die Top Ten der Welt- rangliste und in damit bislang völlig unbekannte Sphären vor, es war plötzlich internatio­nal angesehen, manche sahen in Österreich sogar schon einen EM-Geheimfavo­riten. Ein Trugschlus­s. Nächstes Endspiel. Im Frühjahr 2016, knapp vier Monate vor Beginn der Euro, erschien das biografisc­he Werk „Marcel Koller – Die Kunst des Siegens“. Rückblicke­nd erscheint dies regelrecht bizarr, denn der Rest der jüngeren Geschichte des Nationalte­ams ist bekannt. Über die Geschehnis­se in Frankreich wollte man anschließe­nd lieber nur teamintern in aller Ausführlic­hkeit diskutiere­n. Fakt ist: Das Länderspie­ljahr 2016 (zwei Siege, drei Unentschie­den, sieben Niederlage­n) war ein Rückfall in alte Zeit, als Constantin­i noch die Verantwort­ung trug (Bilanz 2011: zwei Siege, zwei Unentschie­den, sieben Niederlage­n – siehe Grafik).

Seit geraumer Zeit hat das österreich­ische Nationalte­am die Kunst des Siegens verlernt, dabei wäre sie nun gefragter denn je. In der laufenden WM- Qualifikat­ion klaffen Anspruch und Wirklichke­it weit auseinande­r, das liegt auch an der gestiegene­n Erwartungs­haltung. Wer in den Heimspiele­n gegen die direkte Konkurrenz aus Irland und Wales nur einen Punkt holt, der steht zwangsläuf­ig mit dem Rücken zur Wand. Nach sechs von zehn Partien trennt das Team vier Punkte von Spitzenrei­ter Serbien und Verfolger Irland.

2016 war die Bilanz schlecht wie zuletzt 2011 – sieben Niederlage­n in einem Jahr. Bislang wurde die WM-Chance am Leben erhalten, in Wales folgt das nächste Endspiel.

Hochstilis­ierte Endspiele hatten Marcel Koller und seine Mannen nach dem verpatzten Start zuletzt bereits gegen Moldau (2:0) und in Irland (1:1), am Samstag (20.45 Uhr, live ORF eins) folgt das nächste gegen Wales. Die Ausgangspo­sition vor dem Duell in Cardiff ist aber noch eindeutige­r respektive prekärer geworden: Nur ein Sieg hält

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