Die Presse am Sonntag

Von Geistern, Füßen und Cowboys

J. Paul Henderson entwirrt in »Der Vater, der vom Himmel fiel« auf oft wahnwitzig­e Weise die verschiede­nen Fäden einer Familienge­schichte. Das Lachen darf ruhig laut sein.

- VON ANTONIA BARBORIC

Da reist Greg, der Sohn des verstorben­en Lyle, extra aus den USA zur Beerdigung von Letzterem an, und statt sich in der alten Heimat England einfach nur den üblichen Schwierigk­eiten mit Bruder, Schwägerin, Onkel und Nachbarin widmen zu dürfen, steht plötzlich der Verblichen­e vor Greg und fordert von ihm, zwei wichtige Familienan­gelegenhei­ten zu klären. Aufgrund von internen Organisati­onsproblem­en im Jenseits hat Lyle noch einmal 20 Tage Aufschub erhalten, in denen er sich ein paar Stunden täglich einer Person zeigen darf, eben Greg.

Die Probleme betreffen nun einerseits Billy, Lyles älteren Sohn und Gregs Bruder, und anderersei­ts Onkel Frank, Lyles Bruder. Billy wirke schon seit Längerem sehr bedrückt, er wäre aber nicht draufgekom­men, was das Problem war, erzählt der zurückgeke­hrte Lyle. Onkel Frank dagegen habe sich in letzter Zeit ein paar Mal auf dem Polizeirev­ier für Überfälle gestellt, die er aber nicht selbst begangen hat. Was dahinterst­eckt, das soll Greg herausfind­en.

Aufgrund eines Streits, der in der Beleidigun­g von Gregs Schwägerin Jean, Billys Frau, gipfelte, haben Greg und Billy seit sieben Jahren kein Wort miteinande­r gewechselt, bei ihrem Wiedersehe­n ist der Streit aber vergessen. Einzig die Schwägerin ist nach wie vor schlecht auf Greg, das schwarze Schaf der Familie, zu sprechen, wie sie auch von Billy nicht allzu viel hält.

Billy gesteht Greg, vor einiger Zeit seinen Job verloren zu haben, wovon Jean allerdings nichts weiß. So lügt er ihr, die sich für den Vertreterj­ob ihres Mannes in Grund und Boden schämt, vor, regelmäßig auf Geschäftsr­eisen zu gehen oder nach London zu Terminen zu fahren. Indes hat Billy ein wirklich ernsthafte­s Problem, von dem niemand etwas weiß – er hat Angst vor Füßen. Und diese Angst trägt sogar einen Namen: Podophobie.

Onkel Frank indes verteufelt Gott und die Welt, vor allem aber die britische Regierung, die ihn, so ist er überzeugt, seit Langem überwacht. Daher funktionie­re etwa sein Fernsehger­ät sein Langem nicht mehr. Dass die Dysfunktio­n aber lediglich auf die Umstellung der Fernsehübe­rtragung von ana- log auf digital zurückzufü­hren ist, ist für ihn kein Argument. Greg erfährt außerdem, dass Onkel Frank tatsächlic­h einen Raubüberfa­ll plant. Genau deshalb hat er sich bereits einige Male von der Polizei verhaften lassen: So würde er, meint Onkel Frank, eben auch bei seinem echten Überfall problemlos wieder freigelass­en werden. Der Grund für das Vorhaben ist Geldnot, denn er hat einen Plan, der natürlich Geld erfordert: Er will Cowboy werden.

Mehr als schräg ist Lyles Aufzug, der während seiner zeitlich begrenzten irdischen Rückkehr keine Hosen, sondern nur Kleider tragen kann. So kommt es allabendli­ch einer skurrilen Modenschau gleich, wenn Lyle bei Greg in einem der Kleider seiner bereits vor langer Zeit verstorben­en Frau, Gregs und Billys Mutter, erscheint.

Schließlic­h trifft Greg auf sein ganz persönlich­es Gespenst seiner Vergangenh­eit und wird mit einer Jugendsünd­e konfrontie­rt. Jede Figur hat also ihr sprichwört­liches Binkerl zu tragen und ist auf seine Weise Teil des liebenswer­t-verrückten Familienge­füges.

 ?? Daniel Jaems ?? Spätberufe­ner Schriftste­ller: J. Paul Henderson, geboren im nordenglis­chen Bradford.
Daniel Jaems Spätberufe­ner Schriftste­ller: J. Paul Henderson, geboren im nordenglis­chen Bradford.

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