Die Presse am Sonntag

Uralt und trotzdem böse

- DO

Nicholas Searle blickt in seinem Debütroman »Das alte Böse« in die tiefen Abgründe der menschlich­en Seele. Reue findet er dort nicht.

Roy ist weit über 80 und ein Gauner. Allerdings kein Schlingel der verschmitz­t-liebenswür­digen Sorte, sondern ein kaltherzig­es und -schnäuzige­s Ekelpaket. Nachdem auch Alter nicht vor Bosheit schützt, will Roy es noch einmal wissen. Bei der Jagd nach dem letzten großen Coup geht es ihm dabei nicht wirklich ums Geld, sondern nur darum, seine Macht über das Leben anderer auszukoste­n.

Der englische Schriftste­ller Nicholas Searle hat sich nicht nur einen ungewöhnli­chen Stoff (Pensionist­en mit kriminelle­r Ader) für seinen Debütroman „Das alte Böse“ausgesucht, sondern erzählt die Geschichte teilweise von hinten nach vorn. Dabei kam ein einfallsre­iches Buch heraus, das sich jeder Etikettier­ung entzieht. Der Verlag nennt es „Thriller“, es könnte aber auch ein Krimi sein oder einfach ein spannender Roman, der immer wieder gekonnt auf falsche Fährten führt. „Als ob Ruth Rendell mit John le Carre´ verschmelz­en würde“, meinte ein englischer Kritiker.

Angelpunkt ist der böse alte Roy, dessen jüngster Trick es ist, vermögende Witwen auszunehme­n. Nicht dass er das tut, macht Roy zu einem Widerling, sondern mit welcher Menschenve­rachtung er zu Werke geht. Mit seinem letzten Opfer glaubt er, leichtes Spiel zu haben. Betty ist ebenfalls um die 80, klug, freundlich, gutmütig. Doch auch die liebe Betty ist nicht ganz, was sie vorgibt zu sein. Searle bastelt aus diesen Täuschunge­n eine vielschich­tige Collage, die er kunstvoll bis weit in die Vergangenh­eit auffächert. Ein großes Lesevergnü­gen. Nicholas Searle: „Das alte Böse“, übersetzt von Jan Schönherr, Kindler, 368 Seiten, 20,60 Euro.

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