»Durch den Elefantenanzug dringt kein Schuss«
Nadja Swarovski ist die mächtigste Frau des österreichischen Familienkonzerns. Der »Presse am Sonntag« erzählt die halbe Amerikanerin von ihrem Aufwachsen zwischen den Welten – und wie sie gegen die Erwartungen der Familie die Kristalle zurück auf die Lau
Swarovski hat die Inszenierung von „Aida“bei den Salzburger Festspielen unterstützt. Ihre Kristalle waren auf den Kostümen zu sehen. Wie hat Ihnen die Aufführung gefallen? Nadja Swarovski: Anna Netrebko war ausgezeichnet, ihre Stimme ist absolut umwerfend, die Inszenierung war fantastisch. Es gab Kritik an der reduzierten Inszenierung. Gerade durch die Reduktion wurde es meiner Meinung nach so opulent. Etwa durch die Multiplizierung derselben Kostüme, zum Beispiel der Priester und der Soldaten. Die Kostüme waren einfach, aber in der Masse mächtig. Swarovski wird im Kulturbereich als Sponsor und Partner ein immer größerer Player. Ist es das Ziel, in der Kultur einmal die Rolle einzunehmen, die Red Bull im Sport hat? Es ist lustig, ich habe nie über einen derartigen Vergleich nachgedacht, weil Red Bull für uns keine Rolle spielt. Red Bull hat den Extremsport fantastisch gefördert. Wenn man Red Bull hört, denkt man heute oft nicht mehr an das Getränk, sondern an diverse Sportarten. Swarovski war von Anfang an in der Schmuckindustrie. Dann stiegen wir gleich zu Beginn in die Filmindustrie ein. Alles, was im Film ein Diamant hätte sein sollen, war nichts anderes als ein SwarovskiKristall. Man denke etwa an das Kleid von Marilyn Monroe, als sie „Happy Birthday, Mr President“gesungen hat oder an die Schuhe von Dorothy in „The Wizard of Oz“. Die Bühne ist eine ganz andere Welt als der Film in LA. Aber der Kristall dient immer dazu, einen Charakter zum Leuchten zu bringen. Der Kristall galt in der Modeindustrie doch eine Zeitlang als „billig“? Es gab eine Phase, in der Kristall in der Mode verpönt war. Er wurde auch beim Schmuck zu oft als Ersatz verwendet. Wir wollten das ändern, den Kristall bewusst als Kristall verwenden und nicht als falschen Diamanten. Alexander McQueen war ausschlaggebend für das Re-Entree von Swarovski in der Modeindustrie. Er hat die Kristalle mit Stoffen kombiniert („crystal mesh“). Danach wollten auch andere Mode-Designer wieder mit Kristallen arbeiten. Heute kann der Kristall sehr schön und friedlich mit dem Diamanten leben. Gemäß des Mottos von Coco Chanel, die ihren Schmuck immer gemischt hat. Perlen, Glas, Diamanten. Sie wollte, dass der Kunde gar nicht weiß, was es ist, sondern dass er das Design schätzt. Werden Sie nicht gefragt, ob der Schmuck, den Sie tragen, „echt“ist? Ich werde oft gefragt, ob meine Uhr von Swarovski ist und ich sage, nein, sie ist von Chanel, aber sie war unsere Inspiration. Ich mische meinen Schmuck auch gerne, die Leute müssen dann eben raten. Fühlt es sich anders an? Definitiv. Für mich ist der Kristall viel spielerischer, leichter. Man hat nicht diese Last, den echter Schmuck hat. Man sieht das ja auch immer wieder auf dem Roten Teppich: Die Damen tragen große Colliers, und um Mitternacht kommt der Bodyguard und nimmt sie ihnen weg. Welches Image wird da kreiert? Wenn Stars große Colliers tragen, die sie sich selbst nicht leisten können? Ihre Geschäfte vermitteln Luxus und Glamour. Ist die Schwelle nicht für manche groß, sie zu betreten? Kein Kunde sollte Angst haben, hereinzukommen. Wir wollen in Zukunft einiges verändern. Ich muss immer an das Beispiel von Andre Agassi denken. Er kam in Jeans und T-Shirt in ein Cartier-Geschäft und das Personal hat ihn vollkommen ignoriert. Als er rausging, kam der Präsident von Cartier herein und fragte begeistert: „Und wer von euch hat Andre Agassi bedient?“Und die standen völlig betreten da. Man weiß nie, wer der Kunde ist. Bei allen Innovationen, manche SwarovskiProdukte wird es wohl immer geben. Etwa die Tierchen. Die Kunden müssen glücklich sein. Unlängst hat mir jemand wieder begeistert von dem Kauf eines Schwans erzählt. Uns ist wichtig, dass wir die Designs subtil adaptieren. Dass der Symbolismus noch in die heutige Zeit passt. Haben Sie selber Glastiere daheim stehen? Ich habe den Löwen, den Tiger, die Gorillamutter mit Baby. Das gefällt auch meinen Kindern sehr gut. Wie reagieren Sie, wenn man das als Kitsch bezeichnet? Ich sage dann immer: Schau dir doch diese Qualität an. Der Kristall ist wunderbar, er ist ebenmäßig, er hat keine Blasen, keine Kratzer, er ist makellos. Es ist harte Arbeit, ihn herzustellen. Über das Design können wir streiten, aber die Qualität ist unbestritten. Erkennen Sie Swarovski auf einen Blick? Wir sind die Meisterschleifer. Das ist unsere Stärke. Wir haben uns der Nachhaltigkeit verpflichtet und etwa das Blei vor fünf Jahren vollkommen aus der Produktion genommen. Die bleifreie Kristallrezeptur wurde 2011 eingeführt, sie ist unter dem Namen Advanced Crystal patentiert. Nicht nur die Chinesen, sondern alle anderen Kristallhersteller verwenden noch Blei. Swarovski ist der einzige Kristallhersteller, der bleifrei und somit nachhaltig ist. Wir sind ein Mitglied des UN Global Compact, da geht es unter anderem um Umwelt, Gleichberechtigung, Nachhaltigkeit. Das ist keine Pflicht, das ist freiwillig, da sind wir stolz drauf. Sie sind die einzige Frau im Vorstand. Dorthin zu kommen, war nicht einfach. Sagen wir so: Es war unerwartet. Vor allem von der Familie selbst. Ich bin mit dem Unternehmen aufgewachsen, mit dem Großvater, mit dem Vater, ich habe soviel miterlebt, ich habe viel zugehört. Als kleines Kind habe ich meinen Vater gemeinsam mit meiner Schwester oft im Büro besucht. Die Sekretärin hat uns Cola gegeben, das war daheim nicht erlaubt. Mein Vater hat uns immer ermuntert, uns dazuzusetzen, als er mit den Ingenieuren sprach. Die Tür war in dem Sinn immer offen. Es war aber wichtig, von Wattens und der Familie wegzugehen. Weshalb wollten Sie weg? Ich wollte in den USA Kunstgeschichte studieren. Mein Vater wollte, dass ich Ingenieurwesen studiere, was sehr interessant hätte sein können, es ist mir auch irgendwie leid drum. Für mich war es aber wichtig, mich selber und meine Leidenschaft zu finden. War es auch wichtig, einmal keine Swarovski zu sein? Absolut. Ich lag als Kind auf der Wiese und hab in den Himmel geschaut, zwischen zwei Bergketten und habe die Kondensstreifen der Flugzeuge gesehen. Ich habe mich danach gesehnt, wegzugehen. Ich habe mir sogar