Die Presse am Sonntag

»Durch den Elefantena­nzug dringt kein Schuss«

Nadja Swarovski ist die mächtigste Frau des österreich­ischen Familienko­nzerns. Der »Presse am Sonntag« erzählt die halbe Amerikaner­in von ihrem Aufwachsen zwischen den Welten – und wie sie gegen die Erwartunge­n der Familie die Kristalle zurück auf die Lau

- VON FRIEDERIKE LEIBL

Swarovski hat die Inszenieru­ng von „Aida“bei den Salzburger Festspiele­n unterstütz­t. Ihre Kristalle waren auf den Kostümen zu sehen. Wie hat Ihnen die Aufführung gefallen? Nadja Swarovski: Anna Netrebko war ausgezeich­net, ihre Stimme ist absolut umwerfend, die Inszenieru­ng war fantastisc­h. Es gab Kritik an der reduzierte­n Inszenieru­ng. Gerade durch die Reduktion wurde es meiner Meinung nach so opulent. Etwa durch die Multiplizi­erung derselben Kostüme, zum Beispiel der Priester und der Soldaten. Die Kostüme waren einfach, aber in der Masse mächtig. Swarovski wird im Kulturbere­ich als Sponsor und Partner ein immer größerer Player. Ist es das Ziel, in der Kultur einmal die Rolle einzunehme­n, die Red Bull im Sport hat? Es ist lustig, ich habe nie über einen derartigen Vergleich nachgedach­t, weil Red Bull für uns keine Rolle spielt. Red Bull hat den Extremspor­t fantastisc­h gefördert. Wenn man Red Bull hört, denkt man heute oft nicht mehr an das Getränk, sondern an diverse Sportarten. Swarovski war von Anfang an in der Schmuckind­ustrie. Dann stiegen wir gleich zu Beginn in die Filmindust­rie ein. Alles, was im Film ein Diamant hätte sein sollen, war nichts anderes als ein SwarovskiK­ristall. Man denke etwa an das Kleid von Marilyn Monroe, als sie „Happy Birthday, Mr President“gesungen hat oder an die Schuhe von Dorothy in „The Wizard of Oz“. Die Bühne ist eine ganz andere Welt als der Film in LA. Aber der Kristall dient immer dazu, einen Charakter zum Leuchten zu bringen. Der Kristall galt in der Modeindust­rie doch eine Zeitlang als „billig“? Es gab eine Phase, in der Kristall in der Mode verpönt war. Er wurde auch beim Schmuck zu oft als Ersatz verwendet. Wir wollten das ändern, den Kristall bewusst als Kristall verwenden und nicht als falschen Diamanten. Alexander McQueen war ausschlagg­ebend für das Re-Entree von Swarovski in der Modeindust­rie. Er hat die Kristalle mit Stoffen kombiniert („crystal mesh“). Danach wollten auch andere Mode-Designer wieder mit Kristallen arbeiten. Heute kann der Kristall sehr schön und friedlich mit dem Diamanten leben. Gemäß des Mottos von Coco Chanel, die ihren Schmuck immer gemischt hat. Perlen, Glas, Diamanten. Sie wollte, dass der Kunde gar nicht weiß, was es ist, sondern dass er das Design schätzt. Werden Sie nicht gefragt, ob der Schmuck, den Sie tragen, „echt“ist? Ich werde oft gefragt, ob meine Uhr von Swarovski ist und ich sage, nein, sie ist von Chanel, aber sie war unsere Inspiratio­n. Ich mische meinen Schmuck auch gerne, die Leute müssen dann eben raten. Fühlt es sich anders an? Definitiv. Für mich ist der Kristall viel spielerisc­her, leichter. Man hat nicht diese Last, den echter Schmuck hat. Man sieht das ja auch immer wieder auf dem Roten Teppich: Die Damen tragen große Colliers, und um Mitternach­t kommt der Bodyguard und nimmt sie ihnen weg. Welches Image wird da kreiert? Wenn Stars große Colliers tragen, die sie sich selbst nicht leisten können? Ihre Geschäfte vermitteln Luxus und Glamour. Ist die Schwelle nicht für manche groß, sie zu betreten? Kein Kunde sollte Angst haben, hereinzuko­mmen. Wir wollen in Zukunft einiges verändern. Ich muss immer an das Beispiel von Andre Agassi denken. Er kam in Jeans und T-Shirt in ein Cartier-Geschäft und das Personal hat ihn vollkommen ignoriert. Als er rausging, kam der Präsident von Cartier herein und fragte begeistert: „Und wer von euch hat Andre Agassi bedient?“Und die standen völlig betreten da. Man weiß nie, wer der Kunde ist. Bei allen Innovation­en, manche SwarovskiP­rodukte wird es wohl immer geben. Etwa die Tierchen. Die Kunden müssen glücklich sein. Unlängst hat mir jemand wieder begeistert von dem Kauf eines Schwans erzählt. Uns ist wichtig, dass wir die Designs subtil adaptieren. Dass der Symbolismu­s noch in die heutige Zeit passt. Haben Sie selber Glastiere daheim stehen? Ich habe den Löwen, den Tiger, die Gorillamut­ter mit Baby. Das gefällt auch meinen Kindern sehr gut. Wie reagieren Sie, wenn man das als Kitsch bezeichnet? Ich sage dann immer: Schau dir doch diese Qualität an. Der Kristall ist wunderbar, er ist ebenmäßig, er hat keine Blasen, keine Kratzer, er ist makellos. Es ist harte Arbeit, ihn herzustell­en. Über das Design können wir streiten, aber die Qualität ist unbestritt­en. Erkennen Sie Swarovski auf einen Blick? Wir sind die Meistersch­leifer. Das ist unsere Stärke. Wir haben uns der Nachhaltig­keit verpflicht­et und etwa das Blei vor fünf Jahren vollkommen aus der Produktion genommen. Die bleifreie Kristallre­zeptur wurde 2011 eingeführt, sie ist unter dem Namen Advanced Crystal patentiert. Nicht nur die Chinesen, sondern alle anderen Kristallhe­rsteller verwenden noch Blei. Swarovski ist der einzige Kristallhe­rsteller, der bleifrei und somit nachhaltig ist. Wir sind ein Mitglied des UN Global Compact, da geht es unter anderem um Umwelt, Gleichbere­chtigung, Nachhaltig­keit. Das ist keine Pflicht, das ist freiwillig, da sind wir stolz drauf. Sie sind die einzige Frau im Vorstand. Dorthin zu kommen, war nicht einfach. Sagen wir so: Es war unerwartet. Vor allem von der Familie selbst. Ich bin mit dem Unternehme­n aufgewachs­en, mit dem Großvater, mit dem Vater, ich habe soviel miterlebt, ich habe viel zugehört. Als kleines Kind habe ich meinen Vater gemeinsam mit meiner Schwester oft im Büro besucht. Die Sekretärin hat uns Cola gegeben, das war daheim nicht erlaubt. Mein Vater hat uns immer ermuntert, uns dazuzusetz­en, als er mit den Ingenieure­n sprach. Die Tür war in dem Sinn immer offen. Es war aber wichtig, von Wattens und der Familie wegzugehen. Weshalb wollten Sie weg? Ich wollte in den USA Kunstgesch­ichte studieren. Mein Vater wollte, dass ich Ingenieurw­esen studiere, was sehr interessan­t hätte sein können, es ist mir auch irgendwie leid drum. Für mich war es aber wichtig, mich selber und meine Leidenscha­ft zu finden. War es auch wichtig, einmal keine Swarovski zu sein? Absolut. Ich lag als Kind auf der Wiese und hab in den Himmel geschaut, zwischen zwei Bergketten und habe die Kondensstr­eifen der Flugzeuge gesehen. Ich habe mich danach gesehnt, wegzugehen. Ich habe mir sogar

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„Ich lag als Kind auf der Wiese und hab in den Himmel geschaut, zwischen zwei Bergketten, und habe die Ko
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