»Ich bin eher ein Trickster!«
»Don’t Believe the Hype!«, mahnt Thomas Köck, wenn man ihn zu seinen Erfolgen als Dramatiker befragt. Zunächst war der Oberösterreicher Musiker.
Für Laien erklärt, worum geht es in Ihrem monumentalen Stück „paradies fluten“? Thomas Köck: Es handelt vom Ursprung und der Geschichte des modernen Kapitalismus, den Folgen der Globalisierung und vom Klimawandel, der sogenannten Interconnectedness, vieles hängt zusammen, ohne dass es auf den ersten Blick so scheint. Welche Bücher inspirieren Sie? Derzeit lese ich „Dark Ecology“von Timothy Morton, er versucht den Naturbegriff umzudrehen. Er setzt sich damit auseinander, was Schreiben über Natur sein könnte, ohne dass man romantische Bilder bringt. Außerdem lese ich Gedichte. Es gibt einen schönen Band „all dies hier, Majestät, ist deins. Lyrik im Anthropozän“von kookbooks mit großartigen Gedichten von 300 Lyrikern und Lyrikerinnen. An sich sind Sie aber durch Musik sozialisiert. Ich spiele mehrere Instrumente, Gitarre, rudimentär Klavier, ich habe mich viel mit elektronischer Musik beschäftigt, die über den Rechner läuft. Liebe ist in Ihren Stücken nicht so wichtig? Doch! Es gibt immer eine große Form von Melancholie. In „Isabelle H. (geopfert wird immer)“trifft ein Ex-Soldat auf eine Frau, die geflüchtet ist. In „jenseits von fukuyama“kommt eine Beziehungskrise vor, in „paradies fluten“hat man diese Familiensituation, Hass und Liebe sind immer eng verbunden. Ist Liebe überhaupt möglich? Liebe wird heute als Ausrede benutzt. Man muss sich immer wieder neu verlieben. Liebe existiert immer nur in dem Moment, wo man Hals über Kopf verliebt ist, dann ist es aber auch schnell wieder vorbei. Liebe ist so ein bissel ein Volkssport geworden. Heil ist die Welt vor allem in der Werbung, kauf Ikea-Möbel und dein Leben ist perfekt. Ja. Die romantische Liebe ist mittlerweile von der Werbung total durchsetzt. Aber das sind Rollenmodelle, die absurd sind, das sieht man an den Gesichtern, die sich da lieben. In Ihren Stücken herrscht oft Apokalypse. Im Griechischen bedeutet Apokalypse erstmal nur Offenbarung, Enthüllung, Entschleierung: Wie bei Johannes, den Vorhang zur Seite ziehen und etwas zeigen. Das interessiert mich. Der Weltuntergang ist ja in unseren Breiten mehr eine Spielerei. Man gibt sich globalen oder mittelständischen Angstfantasien hin, weil man im Wohlstand schon so sicher ist. Die wirkliche Panik ist, dass einem der Reichtum abhanden kommt. Dieses Spiel kontrastiert in merkwürdiger Weise mit der Realität, weil vielen Menschen in Europa ist es ja nie besser gegangen als heute. Die Leute sehnen sich nach existenziellen Umstürzen, weil ihr Leben in Europa im Grunde oft arm an Ereignissen ist. Es ist alles so exakt getaktet, dass man manchmal richtig Lust bekommt, dass etwas zusammenbricht. Sie sind auf dem Land aufgewachsen. Ja. Das war eine schöne Zeit. Mein Vater ist Tischler, meine Mutter Bankangestellte. Jetzt wechsle ich ganz stark und springe wild zwischen den Türen herum. Meine Freundin ist in Deutschland, ich bin öfter in Österreich. Sie erleben einen Hype, werden gelobt, viel gespielt. Ist das schön oder auch nervig? Manchmal ist es gut, sich zurückzuziehen. Ich mache gern meine Arbeit. Aber man wird so plötzlich als Person ins Rampenlicht gezerrt, das gefällt mir weniger, weil ein Erfolg hängt ja immer mit so vielem zusammen, Regisseure, der Verlag und andere Künstler sind beteiligt, Freunde, es ist immer etwas unangenehm, wenn sich die Aufmerksamkeit auf eine Figur, mich, zuspitzt. Will man nicht wahrgenommen werden? Esse est percipere. Dem entgeht man einfach nicht. Sie haben Latein gelernt. Ich habe Philosophie studiert. Welche Philosophen stehen Ihnen nahe? Michel Foucault und Judith Butler waren sehr wichtig für mich. Alles, was sich um spekulativen Realismus dreht, finde ich spannend. Und ohne Jacques Derrida ist sowieso nichts denkbar. Was waren Ihre ersten Theatererfahrungen? Durch die Musik war ich in Wien relativ schnell in der Performance-Szene angekommen. Ich habe mich mehr mit Tanz beschäftigt als mit Sprechtheater. Tanzen Sie gern? Nur unprofessionell. Aber ich habe als Regieassistent bei Claudia Bosse gearbeitet, da musste ich das Körpertraining mitmachen. Das fand ich super cool. Ich habe eigentlich durch den Tanz begonnen, mich mit Sprache zu beschäftigen. Man müsste mal für Tanzkörper eine Sprache entwickeln. „Der Weltuntergang ist in unseren Breiten fast eine Spielerei geworden“, sagt der Dramatiker Thomas Köck. Sind Sie ein Intellektueller? Eher ein Trickster. Was kommt nach dem Hype für Sie? Don’t Believe the Hype! Das ist eine sehr schnelle Beschleunigungsmaschine und ich möchte mich nicht nach der Aufmerksamkeit beurteilen, sondern nach meiner Arbeit. Sollte ich in zwei Jahren wieder verschwunden sein, kann ich mir nichts vorwerfen - ich war kompromisslos. Jetzt mache ich, worauf ich Lust habe. Später muss man sehen, wie man sich positioniert. Sie haben schon fast alles erlebt. Oh nein! Da gibt es noch so viel! Ich möchte nach Armenien reisen, nach Berg-Karabach. Ich war in Athen, die Stadt ist fast interessanter als das, was dort von der documenta zu sehen ist. Ich habe ein Faible für improvisierte Städte, Beirut ist da seltsamer Weise ähnlich wie Berlin. Die Stadt funktioniert, keiner weiß so recht warum.