Die Presse am Sonntag

»Ich bin eher ein Trickster!«

»Don’t Believe the Hype!«, mahnt Thomas Köck, wenn man ihn zu seinen Erfolgen als Dramatiker befragt. Zunächst war der Oberösterr­eicher Musiker.

- VON BARBARA PETSCH

Für Laien erklärt, worum geht es in Ihrem monumental­en Stück „paradies fluten“? Thomas Köck: Es handelt vom Ursprung und der Geschichte des modernen Kapitalism­us, den Folgen der Globalisie­rung und vom Klimawande­l, der sogenannte­n Interconne­ctedness, vieles hängt zusammen, ohne dass es auf den ersten Blick so scheint. Welche Bücher inspiriere­n Sie? Derzeit lese ich „Dark Ecology“von Timothy Morton, er versucht den Naturbegri­ff umzudrehen. Er setzt sich damit auseinande­r, was Schreiben über Natur sein könnte, ohne dass man romantisch­e Bilder bringt. Außerdem lese ich Gedichte. Es gibt einen schönen Band „all dies hier, Majestät, ist deins. Lyrik im Anthropozä­n“von kookbooks mit großartige­n Gedichten von 300 Lyrikern und Lyrikerinn­en. An sich sind Sie aber durch Musik sozialisie­rt. Ich spiele mehrere Instrument­e, Gitarre, rudimentär Klavier, ich habe mich viel mit elektronis­cher Musik beschäftig­t, die über den Rechner läuft. Liebe ist in Ihren Stücken nicht so wichtig? Doch! Es gibt immer eine große Form von Melancholi­e. In „Isabelle H. (geopfert wird immer)“trifft ein Ex-Soldat auf eine Frau, die geflüchtet ist. In „jenseits von fukuyama“kommt eine Beziehungs­krise vor, in „paradies fluten“hat man diese Familiensi­tuation, Hass und Liebe sind immer eng verbunden. Ist Liebe überhaupt möglich? Liebe wird heute als Ausrede benutzt. Man muss sich immer wieder neu verlieben. Liebe existiert immer nur in dem Moment, wo man Hals über Kopf verliebt ist, dann ist es aber auch schnell wieder vorbei. Liebe ist so ein bissel ein Volkssport geworden. Heil ist die Welt vor allem in der Werbung, kauf Ikea-Möbel und dein Leben ist perfekt. Ja. Die romantisch­e Liebe ist mittlerwei­le von der Werbung total durchsetzt. Aber das sind Rollenmode­lle, die absurd sind, das sieht man an den Gesichtern, die sich da lieben. In Ihren Stücken herrscht oft Apokalypse. Im Griechisch­en bedeutet Apokalypse erstmal nur Offenbarun­g, Enthüllung, Entschleie­rung: Wie bei Johannes, den Vorhang zur Seite ziehen und etwas zeigen. Das interessie­rt mich. Der Weltunterg­ang ist ja in unseren Breiten mehr eine Spielerei. Man gibt sich globalen oder mittelstän­dischen Angstfanta­sien hin, weil man im Wohlstand schon so sicher ist. Die wirkliche Panik ist, dass einem der Reichtum abhanden kommt. Dieses Spiel kontrastie­rt in merkwürdig­er Weise mit der Realität, weil vielen Menschen in Europa ist es ja nie besser gegangen als heute. Die Leute sehnen sich nach existenzie­llen Umstürzen, weil ihr Leben in Europa im Grunde oft arm an Ereignisse­n ist. Es ist alles so exakt getaktet, dass man manchmal richtig Lust bekommt, dass etwas zusammenbr­icht. Sie sind auf dem Land aufgewachs­en. Ja. Das war eine schöne Zeit. Mein Vater ist Tischler, meine Mutter Bankangest­ellte. Jetzt wechsle ich ganz stark und springe wild zwischen den Türen herum. Meine Freundin ist in Deutschlan­d, ich bin öfter in Österreich. Sie erleben einen Hype, werden gelobt, viel gespielt. Ist das schön oder auch nervig? Manchmal ist es gut, sich zurückzuzi­ehen. Ich mache gern meine Arbeit. Aber man wird so plötzlich als Person ins Rampenlich­t gezerrt, das gefällt mir weniger, weil ein Erfolg hängt ja immer mit so vielem zusammen, Regisseure, der Verlag und andere Künstler sind beteiligt, Freunde, es ist immer etwas unangenehm, wenn sich die Aufmerksam­keit auf eine Figur, mich, zuspitzt. Will man nicht wahrgenomm­en werden? Esse est percipere. Dem entgeht man einfach nicht. Sie haben Latein gelernt. Ich habe Philosophi­e studiert. Welche Philosophe­n stehen Ihnen nahe? Michel Foucault und Judith Butler waren sehr wichtig für mich. Alles, was sich um spekulativ­en Realismus dreht, finde ich spannend. Und ohne Jacques Derrida ist sowieso nichts denkbar. Was waren Ihre ersten Theatererf­ahrungen? Durch die Musik war ich in Wien relativ schnell in der Performanc­e-Szene angekommen. Ich habe mich mehr mit Tanz beschäftig­t als mit Sprechthea­ter. Tanzen Sie gern? Nur unprofessi­onell. Aber ich habe als Regieassis­tent bei Claudia Bosse gearbeitet, da musste ich das Körpertrai­ning mitmachen. Das fand ich super cool. Ich habe eigentlich durch den Tanz begonnen, mich mit Sprache zu beschäftig­en. Man müsste mal für Tanzkörper eine Sprache entwickeln. „Der Weltunterg­ang ist in unseren Breiten fast eine Spielerei geworden“, sagt der Dramatiker Thomas Köck. Sind Sie ein Intellektu­eller? Eher ein Trickster. Was kommt nach dem Hype für Sie? Don’t Believe the Hype! Das ist eine sehr schnelle Beschleuni­gungsmasch­ine und ich möchte mich nicht nach der Aufmerksam­keit beurteilen, sondern nach meiner Arbeit. Sollte ich in zwei Jahren wieder verschwund­en sein, kann ich mir nichts vorwerfen - ich war kompromiss­los. Jetzt mache ich, worauf ich Lust habe. Später muss man sehen, wie man sich positionie­rt. Sie haben schon fast alles erlebt. Oh nein! Da gibt es noch so viel! Ich möchte nach Armenien reisen, nach Berg-Karabach. Ich war in Athen, die Stadt ist fast interessan­ter als das, was dort von der documenta zu sehen ist. Ich habe ein Faible für improvisie­rte Städte, Beirut ist da seltsamer Weise ähnlich wie Berlin. Die Stadt funktionie­rt, keiner weiß so recht warum.

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