Nixon, Trump & Co: Der Pop und die Präsidenten
Politiker und Popstars eint mehr, als sie trennt. Beide fischen nach den Massen und neigen zuweilen zu Narzissmus und Hybris. Eine Rundschau über die Entwicklung des nicht immer ungetrübten Verhältnisses zwischen US-Präsidenten und Showbusiness.
Wäre der Job des US-Präsidenten auf dem Arbeitsamt ausgeschrieben, so wiese er Parallelen zum Anforderungsprofil von Popstars auf. Zu den unbedingten Pflichten in beiden Berufen zählt, dass man dem Tourneeleben etwas abgewinnen kann. Die Gabe, Massen emotionalisieren zu können und dabei fotografiert und gefilmt zu werden, ist Grundvoraussetzung. Da die lautstarke Hingabe von Parteigängern und Fans stärker wirkt als jeder andere Gemütsaufheller, besteht die Gefahr der Egomanie. Überheblichkeit und Anmaßung, die lauern sowohl für Präsidenten wie für Popstars an allen Ecken.
Vielleicht am wichtigsten für die Kandidaten beider Berufsfelder ist, dass sie Kritik, selbst ungerechtfertigte, aushalten. Vor der menschlichen Leidenschaft des Aburteilens wird schon in der Bibel gewarnt. „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge“, heißt es so trefflich im Matthäus-Evangelium. In diesem Sinne deuten darf man auch Bob Dylans berühmte Textpassage „But even the president of the United States sometimes must have to stand naked“. Diese 1965 im Protestsong „It’s Alright, Ma (I’m Only Bleeding)“ausgespuckte Sentenz gilt schlicht für alle. Die Mächtigen und Berühmten auf die animalischen Aspekte ihrer Existenz zu reduzieren, das praktizierten schon die Bänkelsänger im europäischen Mittelalter. Seit damals hat sich die Popmusik aber vom permanenten Prinzip der Fundamentalopposition abgewandt. Seit 1960 umschmeicheln einander Politik und Pop zunehmend. Kennedy nutzte beim US-Präsidentschaftswahlkampf 1960 als erster quasi professionell die Popularität eines Sängers: Indem er Frank Sinatra, den damaligen Pop-Publikumsliebling Num- mer eins, in seine Maschinerie einspannte, schlug er ein neues Kapitel in den Beziehungen von Politik und Pop auf. Eine neu arrangierte Version von Sinatras Hit „High Hopes“wurde zur Signation seiner landesweiten Kampagne. Als er dann im Amt war, löste Kennedy die engen Bande. Sinatras all zu freundschaftlicher Umgang mit der Mafia hätte für Kennedy zu recht unschönen Verwicklungen führen können. Eine geplante Visite in Sinatras Haus in Palm Springs – der Sänger hatte extra dafür für einige Hunderttausend Dollar renovieren lassen – sagte Kennedy kurzfristig ab. Stattdessen besuchte der Präsident den unbedenklichen Bing Crosby. Das markierte das Ende einer Männerfreundschaft. Sinatra pfiff auf die Demokraten und unterstützte fortan ausschließlich Republikaner. Ab sofort lautete die Devise „Shoulder rubbing with the Glitz“. Demokraten wie Konservative bemühten sich um intensive Kontakte mit dem Showbusiness, immer auf der Suche nach Liedern, die potenzielle Wähler mobilisieren könnten. Doch mit der Wahl der Lieder gingen Missverständnisse und Verstimmungen einher. Etwa 1984, als das Re-Election-Team von Ronald Reagan den Bruce-Springsteen-Song „Born in the U.S.A.“als patriotisches Lied missverstand und beim Wahlkampf einsetzte. Zeilen wie „End up like a dog that’s been beat too much, till you spend half of your life just covering up“lassen eher nicht darauf deuten, dass Springsteen die Wirtschaftspolitik Reagans für gut befand. Er hat der Verwendung seines Songs durch Reagans Team dann bald ein Ende gemacht.
Zoff gab es auch, als Donald Trump seine Kampagne fürs Präsidentenamt mit Neil Youngs „Rockin’ in the Free World“schmückte. Eine öffentliche Streiterei zwischen Young und Trump war die Folge. Dabei sah Young nicht unbedingt gut aus. Es stellte sich heraus, dass er, der im Wahlkampf Bernie Sanders unterstützte, einige Jahre vorher bei Trump vorstellig wurde, um pekuniäre Unterstützung für sein HighFidelity-Streamingportal Pono zu erbitten. Das war ein bisserl peinlich. Trump nannte ihn vollmundig „a total hypocrite“. Am Ende gab Young nach. Es wird vorausgesetzt, dass der Homo Politicus nur in den seltensten Fällen selbst musisch ist. Zuweilen ist es anders. Bill Clinton spielte Saxofon und jammte zum 40-Jahr-Jubiläum des Newport-Festivals mit Granden wie Joshua Redman. „Talent hatte ich, aber ich wusste auch, dass ich nie ein John Coltrane oder Stan Getz sein werde“, schrieb er in seiner Autobiografie. Auch Richard Nixon hatte eine musikalische Ader. Er war ein guter Akkordeonist und ein noch besserer Pianist, der sich sogar ein „Piano Concerto No.1“komponierte, das er 1963 im amerikanischen Fernsehen performte. Als Präsident lud er Duke Ellington und Elvis Presley ins Weiße Haus ein: Elvis wurde von ihm gar zum Drogenfahnder ernannt – er kam so zu einer Dienstmarke des „Büros für Narkotika und gefährliche Drogen“. Selten wurde ein derart kapitaler Bock zum Gärtner gemacht.
Der der Popmusik am nächsten stehende Präsident war zweifelsohne Barack Obama. 2012 begeisterte er mit ein paar gesungenen Zeilen des Klassikers „Let’s Stay Together“von Soulsänger Al Green. Jimmy Carter war jener Präsident, der den Free Jazz auf den Rasen (exakt auf den South Lawn) des Weißen Hauses brachte, wo auf sein Geheiß u. a. Cecil Taylor aufspielte. Unter Barack Obama traten indes mehrere hundert Musiker aller denkbaren Genres im White House auf, und auch seine Inaugurationsfeiern waren gespickt mit Popprominenz. 2009 performten etwa Stevie Wonder, Bruce Springsteen, John Legend, U2 und Beyonce,´ die das schöne „At Last“sang. Letzteres kam bei der Originalinterpretin, der streitbaren Etta James, nicht gut an. 2013 erhob gar Aretha Franklin ihre Stimme für Obama. Weil Popmusiker tendenziell politisch eher links orientiert sind, hatte es Nachfolger Donald Trump schwer. Bei seiner Inauguration traten u. a. der Mormon Tabernacle Choir, die Rockband 3 Doors Down und Soft-Popper Tony Orlando, der in den Siebzigerjahren mit „Tie a Yellow Ribbon Round the Ole Oak Tree“berühmt wur-