Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Reich und schön. Macrons Kosmetikre­chnung macht kein hübsches Bild – als Symptom einer politische­n Kultur, in der das Geld anderer Leute wenig Respekt genießt.

Wer schön sein will, muss leiden. Und so leidet Emmanuel Macron nun also unter Hohn und Spott. 26.000 Euro hat er in den ersten 100 Tagen Amtszeit für eine Kosmetiker­in ausgegeben, auf Staatskost­en. Wofür genau? Um das Geld könnte man etwa 150 Bräute aufwendig für den schönsten Tag ihres Lebens schminken. Macron wird aber doch nicht jeden Tag ein- bis zweimal für zwei Stunden vor dem Schminkspi­egel gesessen sein?

Nein, er hatte wohl die Visagistin in ständiger Bereitscha­ft überall mit, als selbstvers­tändlichen Teil seiner Entourage. Und dann sind 260 Euro Tagsatz gar nicht so exorbitant viel. Der Skandal liegt also nicht in einer ausgeprägt­en Eitelkeit des Präsidente­n. Sondern in der Sorglosigk­eit seines Stabs: Um die Hälfte des Betrags hätte man locker zwei gute Visagistin­nen für eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung anstellen können, wenn es die denn wirklich braucht. Hat man aber nicht. Weil es geht. Weil es egal ist. Weil ein Mann, der Ausgaben von 490 Milliarden Euro verantwort­et, glaubt andere Sorgen haben zu dürfen. Jeder Steuerzahl­er hat für die präsidenti­elle Visagistin Natasha B. doch nur 0,04 Cent berappt. Und war das nicht immer schon so? Das Magazin „Le Point“fügt süffisant an, dass Macrons Vorgänger Francois Hollande für sein Make-up im Monat zwar nur 6000 Euro ausgegeben hat, dafür 10.000 Euro für seine Frisur.

Dem verlorenge­gangenen Bezug öffentlich­er Haushälter zum Geld, das andere Leute verdienen müssen, haben sich in den vergangene­n Jahren nicht nur immer neue Kontrollen und Sanktionen entgegenge­stellt. Es hat sich auch eine ziemlich puristisch­e Einstellun­g in den Medien entwickelt. Wenn die Lage gerade verkrampft ist, kann es den Ministerpo­sten kosten, wenn man Flugmeilen für den Urlaub nützt oder den Chauffeur gebeten hat, die Ehefrau beim Einkauf zu unterstütz­en. Als ob es sinnvoll wäre, im selben Menschen den Politiker (mit Chauffeur) strikt vom Ehemann (ohne Chauffeur) zu trennen. Aber 26.000 Euro Steuergeld­er für etwas, was man auch um 10.000 haben kann, ist tatsächlic­h unanständi­g.

Was ich mir wünsche, sind daher nicht neue Regulative, sondern viele Politiker mit natürliche­r Bescheiden­heit. Menschen, die auch ohne ihn zu kennen, den 2200 Jahre alten Ratschlag aus dem biblischen Buch Jesus Sirach beherzigen, weil er ihrer inneren Haltung entspricht: „Mein Sohn, bei all deinem Tun bleibe bescheiden, und du wirst mehr geliebt werden als einer, der Gaben verteilt. Je größer du bist, umso mehr bescheide dich, dann wirst du Gnade finden bei Gott.“Und beim Volk, wage ich hinzuzufüg­en. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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