Die Presse am Sonntag

Verhütung für Wildtiere oder doch der Abschuss?

Im Lainzer Tiergarten giãt es viel zu viel Wil©. Wie re©uzieren? DŻs ãirgt Stoff für heftige Konflikte.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Die Büchse der Pandora bleibt doch geschlosse­n. Beinahe hätte man im Lainzer Tiergarten eine Linie überschrit­ten, die lange als ein Tabu galt: Dort, in den früheren Jagdgründe­n des Kaisers, gibt es bekanntlic­h zu viel Wild, vor allem die Wildschwei­ne sind ein Problem. Um diese zu reduzieren, war geplant, den Einsatz medikament­öser Verhütung zu testen. Immuno-Kontrazept­ion heißt die Methode (sie wird bereits in Zoos oder in Wildtier-Projekten angewendet, bei Wildpferde­n im Donaudelta, zum Beispiel), dabei wird den Tieren körperfrem­des Eiweiß mittels Narkosegew­ehr gespritzt, das löst eine Immunreakt­ion aus, die offenbar zu Unfruchtba­rkeit führt.

Das kommt nun doch nicht, sagt Andreas Januskovec­z, der Forstdirek­tor der Stadt Wien. Zwar wäre diese Verhütungs­methode nur an den Tieren im Schaugatte­r getestet worden – aber die Idee hatte heftige Konflikte ausgelöst. Schließlic­h tut sich an der Grenze Verhütungs­mittel für Wildtiere versus Abschuss ein (weiterer) Graben zwischen Jägerschaf­t und Tierschütz­ern auf.

Januskovec­z, selbst Jäger, wollte einen, wie er sagt „für Jäger unerhörten Weg“einschlage­n. Und hat unter anderem den Verein gegen Tierfabrik­en, VGT, samt dem umstritten­en Obmann Martin Balluch eingeladen. Die alte Lösung, bei zu viel Bestand einfach mehr zu erlegen, sehen Tierrechts­aktivisten kritisch, also wurde 2015 ein mögliches Projekt zur Fortpflanz­ungsverhüt­ung angesetzt. Tabubruch und ein „Riesencras­h“. Verhütungs­mittel für Wildtiere? Ethisch ist das ein heikles Feld, für Jäger ein Tabubruch, ein Kniefall vor „militanten Tierrechts­aktivisten“, ein Eingriff in die Natur, der viel zu weit geht – und der freilich auch die Jagd obsolet macht: Wo Bestand via Geburtenko­ntrolle reguliert wird, gibt es nichts zu schießen. Januskovec­z spricht von einem „Riesencras­h“und einem „gewaltigen Aufschrei“der Jägerschaf­t, Verbände aus ganz Österreich hätten sich eingeschal­tet. Allein dass er überhaupt mit Tierschütz­ern redet, habe Jäger entsetzt. „Kritik an sich stört mich nicht, aber die Diskussion muss man führen können“, sagt er, „wir müssen nachdenken dürfen, auch mit jagdkritis­chen Gruppen, das darf kein Tabu sein.“

Vorerst ist der Konflikt beigelegt, es gibt keine Verhütung, es wird wei- ter geschossen. Zuständig für die Jagd im Lainzer Tiergarten sind die Berufsjäge­r der MA 49. Einzelne Abschüsse werden auch verkauft, schließlic­h zahlen Trophäenjä­ger 1500 bis 3000 Euro, um einmal im alten Jagdgatter des Kaisers ein Wildschwei­n zu erschießen. 30 bis 40 solcher zahlender Gäste zählt Januskovec­z im Lainer Tiergarten im Jahr. In Summe nimmt die MA 49 in ihren Jagdgebiet­en (die reichen bekanntlic­h bis ins Schneeberg/Rax-Gebiet) mit solchen Abschüssen 600.000 bis 700.000 Euro pro Jahr ein. Hirsche werden verschwind­en. Auch weil die Jagd dort so begehrt ist, wurde im Lainzer Tiergarten zu viel Wild eingesetzt und mittels Fütterung gehegt, sodass der Bestand größer ist als die Tragfähigk­eit des Geländes. In den kommenden Jahren wird dort mehr geschossen und weniger gefüttert, um den Bestand auf ein „lebensraum­konformes Niveau“zu senken. Rotwild, Damm- und Muffelwild soll überhaupt aus dem Lainzer Tiergarten verschwind­en, so Januskovec­z.

Für Rotwild ist das umzäunte Areal zu klein, es kann nicht abwandern und das Leben dort ist zu stressig – davon gibt es aber ohnehin nur einzelne wenige Exemplare. Dammund Muffelwild (davon leben je 60 bis 70 bzw. 200 Tiere im Lainzer Tiergarten) sind dort überhaupt nicht heimisch, sie wurden zur Zeit des Kaisers, bzw. Muffel erst später, in den 1950er-Jahren, eingesetzt, damit die Jagdgesell­schaften auf exotischer­e Tiere schießen können. Heute konkurrier­en sie mit dort heimischen Arten um Ressourcen, also wird auch dieser „Bestand auslaufen“. Der Schwarzwil­d-Bestand soll von aktuell 600 bis 700 Exemplaren (zu Hochzeiten waren es auch schon 1200) auf etwa die Hälfte verringert werden. Bei Rehen ist kein Eingriff vorgesehen.

J´ger gegen Tierschütz­er – ©Ż wer©en nüchterne DeãŻtten mitunter schwierig. Jenes Wil©, ©Żs nur zur JŻg© im TiergŻrten eingesetzt wur©e, wir© verschwin©en.

Die neun Mufflons und 14 Stück Dammwild, Tiere aus dem Schaugatte­r, werden nach und nach ausgewilde­rt, denn das wird in kommenden Jahren nun komplett aufgelasse­n. Diese Form, Tiere zu präsentier­en, sei nicht mehr zeitgemäß, sagt Januskovec­z. In zwei, drei, maximal vier Jahren werde es diesen umzäunten Bereich nicht mehr geben. Abgesehen davon wird sich für die Besucher allerdings wenig ändern, sagt Januskovec­z. Bloß werde man in ein paar Jahren eben seltener einem Wildschwei­n über den Weg laufen.

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