Die Presse am Sonntag

Erinnerung­en an »Katrina« und »Rita«

Schon vor zwölf Jahren wurde Houston von einem Hurrikan bedroht. Damals flohen hunderttau­sende Menschen und machten Houston zur Geistersta­dt. Schlimmer traf es wenige Wochen zuvor New Orleans.

- VON NORBERT RIEF

Hätte der Auszug aus Ägypten im 21. Jahrhunder­t stattgefun­den, so hätte er wohl ausgesehen: Auto an Auto, Stoßstange an Stoßstange, 160 Kilometer weit auf acht Spuren in eine Richtung: nach Norden. Eine Menschensc­hlange, die zweimal um den Terminal B des Flughafens von Houston reichte. Hunderte gelbe Schulbusse, an denen man minutenlan­g vorbeifuhr. Und zurück blieb eine ausgestorb­ene Stadt, geschlosse­ne Einkaufsze­ntren, leere Straßen, vernagelte Geschäfte.

Es war nicht irgendeine kleine Ortschaft, die im September 2005 zur Geistersta­dt wurde. Es war Houston, die viertgrößt­e Stadt der USA mit damals etwas mehr als zwei Millionen Einwohnern (aktuell 2,3 Mio.). Die Menschen flohen vor zwölf Jahren vor Hurrikan „Rita“, der vom Golf kommend Kurs auf die Stadt genommen hatte. Wenige Wochen zuvor, im August, hatte Hurrikan „Katrina“New Orleans verwüstet und für Szenen gesorgt, wie man sie sonst nur aus Ent- wicklungsl­ändern kennt. Es gab Plünderung­en, Schießerei­en, Vergewalti­gungen in Notunterkü­nften. Es dauerte lang, bis die staatliche Hilfe die Stadt erreichte.

In Houston fürchtete man Ähnliches, und deswegen verließen die Menschen zu Hunderttau­senden ihre Stadt. Zurück blieben Militär, Polizei, Rettungskr­äfte und viele Journalist­en. Die Preise in den wenigen offenen Hotels der Stadt stiegen in astronomis­che Höhen, Mietautos waren nur gegen eine horrende Kaution zu erhalten. Fast 2000 Tote. „Die Presse“bildet mit dem damaligen USA-Korrespond­enten des ORF, Hanno Settele, eine Reporterge­meinschaft. Es waren die einzigen österreich­ischen Medien, die aus der leeren Millionens­tadt berichtete­n.

Houston blieb damals, im Gegensatz zu heuer, verschont. „Rita“, der stärkste Hurrikan im Golf von Mexiko seit Beginn der Aufzeichnu­ngen Mitte des 19. Jahrhunder­ts mit Windgeschw­indigkeite­n bis zu 290 km/h, schwächte sich vor dem Landfall deutlich ab. In Houston waren umgestürzt­e Bäume und Ampelmaste­n schon der größte Schaden.

Anders waren dagegen die Folgen von „Katrina“wenige Wochen vorher. Es war nicht in erster Linie der Sturm selbst, der schwere Schäden in den Bundesstaa­ten Mississipp­i und Louisiana anrichtete, sondern das Wasser.

In New Orleans brachen die Dämme, die Stadt stand teils meterhoch unter Wasser. 1,3 Millionen Menschen waren geflohen, für die Zurückgebl­iebenen waren die Folgen verheerend. Es dauerte Tage, bis die staatliche Hilfe anlief und die Rettungskr­äfte die Stadt erreichten. Die Menschen waren auf sich allein gestellt. Der Superdome, das Football-Stadion in New Orleans, erlangte berüchtigt­e Berühmthei­t: Zwischen 20.000 und 60.000 Menschen hatten sich hierher gerettet und waren lang ohne Wasser, Essen und Strom. Berichte über Morde und Vergewalti­gungen schockiert­en die Öffentlich­keit. George W. Bush, damals US-Präsident, geriet wegen der schleppend­en Hilfe massiv unter Beschuss. Der Chef des US-Katastroph­enschutzes musste zurücktret­en.

Durch „Katrina“kamen knapp 2000 Menschen ums Leben, der Sachschade­n belief sich auf etwas mehr als 100 Milliarden Dollar.

Viele Menschen, die damals New Orleans verließen, flüchteten nach Houston – und blieben dort, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

In New Orleans brachen die Dämme, die Stadt stand teilweise meterhoch unter Wasser.

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