Die private Angela Merkel
Sie entspannt beim Kochen und in der Oper.
nach FDP und Grünen auch die SPD die „Ehe für alle“zur Koalitionsbedingung gemacht. Damit verstieß die CDUPosition gegen zwei fast eiserne Prinzipien Merkels: Das Nein zur Ehe für alle hat keine Mehrheit in der Bevölkerung, und es macht die Union koalitionsunfähig. Also hebt Merkel den Fraktionszwang auf. Oder der Türkei-Streit: Im TV-Duell mit Martin Schulz schwenkte sie vor laufender Kamera binnen fünf Minuten auf die neue SPD-Linie um, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beenden. Vielleicht ist es ganz einfach: Merkel geht mit der Zeit. Und deshalb geht Merkel nicht mit der Zeit.
„Ha, Wette gewonnen“, sagt die Frau in Binz. Es war ein blauer Blazer.
Im Lauf ihrer zwölf Jahre als Regierungschefin und ihrer mehr als 25 Jahre in der Spitzenpolitik blieb Angela Merkel, zumindest privat, ein Enigma. Homestorys in ihrer Wohnung vis-a-`vis der Berliner Museumsinsel und in ihrer Wochenenddatscha in der Uckermark, nahe der Heimatstadt Templin, sind ihr fremd. Zuweilen lüftet die Kanzlerin, wenngleich ungern, indes ein Zipfelchen ihrer Privatsphäre. Die Zurückhaltung, ja, die Abneigung, aus dem Nähkästchen zu plaudern, erklärt sich aus ihrer DDR-Biografie – zusätzlich erschwert noch durch ihr Elternhaus, den Pastorenhaushalt, der im Visier der Stasi stand. Diskretion lautete die Devise. Neulich berichtete sie in ungewohnter Lockerheit von einer „Jugendsünde“: „Ich habe relativ früh mal eine Zigarette geraucht.“
Ursprünglich wollte Merkel Dolmetscherin werden, oder Lehrerin wie ihre Mutter, eine Hamburgerin, die ihrem Mann in den 1950er-Jahren in den Osten folgte. Für Sport fehlte ihr das Geschick, wie sie selbstironisch eingesteht. Die Pionierin der Freien Deutschen Jugend, der Jugendorganisation des DDR-Regimes, tat sich derweil als exzellente Schülerin hervor. In Russisch waren ihre Kenntnisse so überragend, dass sie an der „Olympiade“in Moskau teilnahm. Geisteswissenschaftliche Studien waren Pastorenkindern verwehrt, also wählte Jung Angela ein naturwissenschaftliches Fach: Physik.
Wie viele Ostdeutsche heiratete sie früh, die Ehe scheiterte bald. Den Namen Merkel behielt Angela Kasner aber bei. An ihrem Arbeitsplatz, der Akademie der Wissenschaften in Berlin-Adlershof, lernte Merkel ihren zweiten Mann kennen, den Chemieprofessor Joachim Sauer. Sie habe sich in seine Augen verliebt, bekannte sie halb im Scherz im Talk mit der Frauenzeitschrift „Brigitte“. Sie betrachtet den Wissenschaftler, der meist das Licht der Öffentlichkeit scheut, als Korrektiv zur Politik.
Das Faible des Wagner-Liebhabers für die klassische Musik hat sich auf Merkel übertragen. Besuche bei den Bayreuther und Salzburger Festspielen sind Pflichttermine im Terminkalender des Paars, das erst 1998 geheiratet hat. Routine bestimmt den Ablauf auch im Urlaub: zu Ostern auf Ischia, im Sommer in Südtirol und im Winter in Engadin, wo sich Merkel beim Skilanglauf vor Jahren einmal das Becken brach. Die Kartoffelsuppe der Kanzlerin. Selten kommt es vor, dass die Kanzlerin im Supermarkt den Einkauf besorgt. Zur Entspannung zieht sie sich in das Wochenendhäuschen in die Uckermark zurück, wo sie den wegen der vielen Nachtsitzungen versäumten Schlaf nachholt – wie ein Kamel, das Reserven aufbaut, wie sie einmal erzählt hat. Hier steht sie auch in der Küche, um ihre Kartoffelsuppe zuzubereiten, die in Berlin einen gewissen Ruf genießt. Butter, Topfen und Käse habe sie immer im Kühlschrank, sagt sie. Mitunter überfalle sie spätabends der Heißhunger – freilich eher nach Salami als nach Schokolade.
Ihre kulturellen Vorlieben verraten Abenteuerlust. Als Lieblingsbuch bezeichnet sie „Robinson Crusoe“, als Lieblingsfilm „Die Legende von Paul und Paula“, den DDR-Kultfilm der 1970er-Jahre. In kleinem Kreis blitzen Witz und Humor auf, schildern Vertraute. Besonderen Spaß hat sie daran, Politiker zu imitieren – insbesondere Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy. Zu gern, bekannte sie in einem Fragebogen, würde sie Französisch parlieren.