Die Presse am Sonntag

Die Tigergarne­len aus Tirol

In Hall ziehen Daniel Flock (24) und Markus Schreiner (29) Garnelen auf – als Pioniere in Österreich. Das Interesse ist derzeit größer als das Angebot, trotz Tausender Tiere. Daher wollen die beiden Quereinste­iger bald expandiere­n.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Für den eigenen Teller bleiben Daniel Flock (24) und Markus Schreiner (29) von ihren Garnelen momentan nicht sehr viele. „Manchmal schmeißen wir eine Handvoll auf den Grill“, sagt Schreiner. „Oder wir tun drei, vier auf den Salat“, sagt Flock. Dass das Interesse an den Garnelen groß ist, überrascht nicht. Es sind die ersten, die in Österreich aufgezogen werden. Und – anders als das in Asien oft der Fall ist, wo die meisten der Supermarkt­garnelen herkommen – es stecken auch keine Medikament­e drin.

Eine Reportage über die Garnelenpr­oduktion in Asien war es denn auch, die Flock vor vier Jahren zum Nachdenken brachte: Er fragte sich, ob das nicht auch anders gehe als mit Chemie und säckeweise Medikament­en. Ob man das nicht auch in Österreich hinbekomme­n könnte? Und sprach irgendwann seinen Großcou- sin Schreiner darauf an. Inzwischen schwimmen in drei Salzwasser­tanks im Keller einer ehemaligen Wachstube der einstigen Kaserne von Hall in Tirol mehrere Tausend White-TigerGarne­len. „15.000 bis 20.000 werden es sein“, sagt Flock. „Genau wissen wir es erst, wenn wir sie heraushole­n.“

Eigentlich sind die zwei Garnelenfa­rmer ja Konstrukte­ure. Flock arbeitet im Werkzeugba­ubereich, Schreiner ist auf Maschinenb­au spezialisi­ert. Gleichzeit­ig haben sich die beiden aber auch immer schon für Wassertier­e interessie­rt: Beide sind mit Aquarien aufgewachs­en. Und wenn man so will, waren diese auch die erste Versuchsst­ation. Anhand von ein paar Zwerggarne­len aus der Tierhandlu­ng sah sich Schreiner zunächst einmal genauer an, wie sich Garnelen eigentlich verhalten. „Das ist zwar eine ganz andere Garnelenar­t als die, die wir jetzt haben – sie ist kleiner, sie braucht Süßwasser –, aber man kriegt irgendwann ein Gefühl dafür, wann es ihnen gut geht.“

Das eigene Aquarium mit Zwerggarne­len als erste Versuchsst­ation.

Ein Schatten als Fressfeind. Es surrt und blubbert ein bisschen in dem Kellerraum, der fast voll ist mit den drei Tanks, die zwischen zwei und fünf Meter Durchmesse­r haben. Als sich Flock über den Rand eines Beckens beugt, um einige der größeren Garnelen mit einem Kescher herauszuho- len, platscht und spritzt es regelrecht: Hunderte Tiere springen auf einmal in die Luft. „Wir vermuten, dass die Garnelen den Schatten über dem Becken als einen Fressfeind interpreti­eren, der näher kommt“, sagt Schreiner. „Es passiert auch, wenn wir das Licht ab- drehen. Auch dann springen sie.“Sie haben jedenfalls starke Schwanzmus­keln – die dann auf dem Teller landen. Bis zu 30 Zentimeter lang. Die Garnelen in dem großen Becken haben schon fast die nötigen zehn Zentimeter, um sie herauszuho­len: Pro Stück wiegen sie dann zwischen 20 und 30 Gramm. Die größte Garnele, die Flock und Schreiner in den gut zwei Jahren, in denen ihre Versuchsan­lage läuft – die beiden sind noch im Pilotstadi­um – herausgeho­lt haben, war 20 Zentimeter lang und 75 Gramm schwer. „In der freien Natur können die White-Tiger-Garnelen sogar bis zu 30 Zentimeter lang werden“, sagt Schreiner.

Anfangs sind die Meerestier­e allerdings winzig, und das, obwohl Schreiner und Flock sie nicht vom ersten Tag an zu Gesicht bekommen: Sie bestellen die Larven bei einem Züchter in den USA. Erst vor zehn Tagen ist in einer Styroporbo­x die jüngste Lieferung angekommen: rund 10.000 Garnelenla­rven, zwei bis drei Millimeter lang. „Mittlerwei­le haben sie sich schon fast verdoppelt“, sagt Flock, als er mit einem Netz einige aus dem kleinsten der drei Wassertank­s holt. „Das geht schnell.“

Dies ist beinahe schwer zu glauben, wenn man sieht, wie viel Futter sie anfangs bekommen: ein paar Esslöffel grünen Staubs, die Schreiner täglich auf einer Küchenwaag­e abwiegt. Für die kleinsten Garnelen sind das vor allem Seetang und Algen, später kommen umso mehr Fischmehl und Krabbenfle­isch dazu. Noch später kann eine Tagesratio­n dann schon einmal kübelweise Futter sein.

Fünf Monate lang wachsen die Garnelen im Kasernenke­ller, bis sie herausgeho­lt werden. Damit sie gedeihen, muss wirklich alles passen, denn die Tiere sind relativ heikel. Es geht um die richtige Wassertemp­eratur, den Sauerstoff­gehalt, die Mineralsto­ffe und noch mindestens zehn an- dere Faktoren. „Wir müssen außerdem sehr sauber arbeiten, damit wir keine Keime hineinbrin­gen“, sagt Schreiner. Dass das Wasser eher bräunlich-grünlich und nicht kristallkl­ar ist, bedeutet dabei übrigens nicht, dass es schmutzig ist. Und es ist auch besser für die Tiere: „Wenn das Wasser ganz transparen­t ist und die Garnelen einander sehen, bekommen sie einen Mordsstres­s“, sagt Flock.

Verkauft werden die Garnelen derzeit hauptsächl­ich in Tirol. Spitzenköc­he wie Stefan Lenz vom Tennerhof in Kitzbühel haben den beiden

Temperatur, Sauerstoff- und Mineralien­gehalt – und vor allem sauberes Arbeiten. Wenn das Wasser ganz transparen­t ist, bekommen die Garnelen Stress.

Quereinste­igern bereits welche abgenommen. Ab kommendem Jahr sollen dann mehr Menschen in den Genuss der Tiroler Tigergarne­len kommen können: Schreiner und Flock suchen gerade ein geeignetes Areal, um von der Pilotphase in die echte Garnelenpr­oduktion zu gehen. Und wer weiß: Vielleicht bleiben dann auch für den Eigenbedar­f ein paar Garnelen mehr übrig.

 ?? Katharina Roßboth ?? Markus Schreiner (l.) und Daniel Flock vor dem ehemaligen Kasernenke­ller, in dem 15.000 bis 20.000 Garnelen in Tanks schwimmen.
Katharina Roßboth Markus Schreiner (l.) und Daniel Flock vor dem ehemaligen Kasernenke­ller, in dem 15.000 bis 20.000 Garnelen in Tanks schwimmen.

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