Die Presse am Sonntag

Warum nicht Atomantrie­b?

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Es gibt ein Farbbild von Henry Ford II., Chef des Autoherste­llers von 1945 bis 1960 und Enkel des Firmengrün­ders, Henry Ford, das ihn mit dem Modell eines Konzeptfah­rzeugs zeigt – in fast zärtlicher Berührung des Objekts. Bildlicher Beweis, dass das Fabulieren und Fantasiere­n über die Zukunft im Konzern Chefsache war, und dass der Ford Nucleon dabei keinen geringen Stellenwer­t hatte. Die Frage, womit Autos der Zukunft fahren würden, ist freilich fast so alt wie das Auto selbst. Dennoch, Atomantrie­b ist ein besonders kühner Gedanke. In den späten 1950er-Jahren, als die Meiler zur Energiegew­innung aus dem Boden wuchsen, schien es nur eine Frage relativ kurzer Zeit, bis die Nukleartec­hnologie so kompakt, einfach und sicher zu bedienen sein würde, dass man sie auch zum Antrieb eines Autos nutzen könnte. Der Ford Nucleon von 1958 trägt einen solchen Kernreakto­r im Heck, flankiert von den zwei obligaten Haifischfl­ossen, wie sie typisch sind für die US-Cars jener Zeit. Ein Satz Brennstäbe sollte für gut 5000 Meilen reichen, bevor sie, wie in einem Kernkraftw­erk, an einer Tankstatio­n getauscht würden. Somit würde der Nucleon letztlich von Wasserdamp­f angetriebe­n werden, dargestell­t durch große Auslässe am Heck des Autos, durch die der produziert­e Wasserdamp­f, nachdem er eine Turbine in Bewegung gesetzt hatte, austreten würde. Wenn es in einem U-Boot funktionie­rt – warum nicht auch auf der Straße? Es war die große Abenteuerz­eit der futuristis­chen Prototypen und Studien. Aber wer weiß, vielleicht kommt der Kernkraftw­agen wirklich noch. Ford Nucleon, Studie (1958).

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