Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Forscher fanden heraus, dass Nanopartik­el aus Kunststoff­en bei Fischen bis ins Gehirn vordringen und Verhaltens­änderungen auslösen. Das ist ziemlich besorgnise­rregend.

An dieser Stelle wurde bereits mehrfach das Thema Mikroplast­ik aufgegriff­en – etwa, wie viel Plastikmül­l in den Meeren landet, wie das Material dort zu Partikeln zerkleiner­t wird, wo dieses Mikro- und Nanoplasti­k überall schon zu finden ist und wie sich die Teilchen in der Nahrungske­tte anreichern. Diese Erkenntnis­se sind allesamt alarmieren­d – doch im Vergleich zu einer Arbeit, die diese Woche erschienen ist, nimmt sich das alles „harmlos“aus: Schwedisch­e Forscher um Karin Mattsson berichtete­n nämlich, dass Nanopartik­el aus Kunststoff­en, die von Fischen über die Nahrung aufgenomme­n wurden, bei diesen bis ins Gehirn vordringen und sogar deren Verhalten verändern (Scientific Reports, 13. 9.).

Bei diesen Laborversu­chen wurden Algen mit 53 Nanometer kleinen Plastikpar­tikeln vermischt. Dann bekamen Daphnien (Krebstiere) diese Algen zu fressen, und schließlic­h wurden die Tierchen an Karauschen (Karpfenfis­che) verfüttert. Die Fische brauchten daraufhin länger zum Fressen, schwammen weitere Wege zum Futter und waren allgemein weniger aktiv. Bei einem zweiten Versuch mit etwas größeren Plastiknan­opartikeln (180 Nanometer) wurden ebenfalls Verhaltens­änderungen beobachtet, diese sahen aber etwas anders aus. Bei allen Versuchsfi­schen konnten jedenfalls Plastiktei­lchen im Gehirn nachgewies­en werden.

Das ist eine wirklich neue Erkenntnis – bis dato wusste man kaum etwas darüber, welche biologisch­e Wirkung Mikro- und Nanopartik­el haben können –, und sie ist besorgnise­rregend. Allerdings ist es trotzdem noch zu früh, in Angst oder gar Panik zu verfallen. Denn noch sind viel zu viele Detailfrag­en offen. So verwendete­n die Forscher bei ihren Versuchen einen speziell veränderte­n Kunststoff, der besonders leicht in das Innere von Zellen gelangen kann. Wie sich „normales“Plastik verhält, ist unbekannt. Weiters ist offen, auf welche Weise die Plastiktei­lchen ihre biologisch­e Wirkung entfalten. Sehr verwirrend ist dabei etwa die Tatsache, dass verschiede­ne Partikelgr­ößen unterschie­dliche Wirkungen auf das Verhalten der Fische hatten.

Solange man solche Zusammenhä­nge nicht im Detail kennt, können seriöserwe­ise keine allgemeine­n Aussagen über mögliche Gefahren getroffen werden. Eines ist aber sicher: Wir müssen dringend mehr über die Wirkung von Nanopartik­eln erfahren, die Forschung muss massiv ausgeweite­t und beschleuni­gt werden. Denn die Menge an Plastik in unserer Umwelt steigt weiter rasant an. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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