Die Baustellen an der Erfolgsbasis
Platz drei bei der EM hat den Frauenfußball in Österreich ins Rampenlicht gerückt. Die Spitzenförderung greift, doch im Breitensport herrscht Aufholbedarf. Die heimische Bundesliga sucht noch den Weg aus dem Teufelskreis.
Zwei Monate sind seit dem EMHöhenflug der ÖFB-Frauen in den Niederlanden vergangen, vor dem Start in die WMQualifikation am Dienstag in Serbien (20 Uhr, live, ORF Sport plus) ist im österreichischen Frauenfußball wieder Alltag eingekehrt. Der Großteil der Teamspielerinnen weilt bei ihren Klubs in Deutschland, auf die heimische Bundesliga hat der Glanz der Endrunde nicht abgefärbt. Vier Runden sind in der neuen Saison gespielt, ein Topspiel wie Sturm Graz gegen Landhaus lockt rund 100 Zuschauer an.
Zu groß sind die Unterschiede zwischen Nationalteam und heimischer Klubebene, denn vom Profileben der Legionärinnen wird zwischen Südburgenland und Vorderland nur geträumt. Hierzulande tummeln sich Schülerinnen, Studentinnen und Vollzeitarbeitende auf den Plätzen, in diesem Kontext müssen auch die Leistungen gesehen werden.
Die Bundesliga steckt in einem Teufelskreis: Ohne professionelle Strukturen leidet die Qualität und damit das Faninteresse und die mediale Aufmerksamkeit, namhafte Sponsoren oder Männervereine wollen sich jedoch erst engagieren, wenn es sich für sie auch rentiert. „Es ist eine mühsame, missionarische Arbeit“, bestätigt Johann Gartner. Der Bürgermeister von Ziersdorf ist Präsident des niederösterreichischen Landesverbands und Vorsitzender der Frauen-Kommission des ÖFB. In dieser treffen sich Referenten aller Bundesländer und diskutieren gemeinsam mit den sportlichen Verantwortlichen des Fußballbundes, darunter auch Teamchef Dominik Thalhammer, Strategien zur Förderung des Frauenfußballs.
»Wir haben gerade fünf Prozent von dem erreicht, wo wir hinmüssen.«
Spielerinnen und Plätze gesucht. An der Spitze haben die Maßnahmen der vergangenen Jahre gegriffen, über das Nationale Zentrum in St. Pölten wird den Talentiertesten der Weg ins Ausland geebnet. Das Sorgenkind ist die mangelnde Breite in Österreich, ohne entsprechende Basis sind Erfolge nicht planbar. 20.000 Fußballerinnen sind registriert, im Vergleich dazu schöpft Europameister Niederlande bei der doppelten Einwohnerzahl aus einem Pool von 150.000 Spielerinnen. Umso wichtiger sei es, die Euphorie des Sommers zu nutzen. „Man muss die Mädchen, die jetzt interessiert sind und zu den Vereinen kommen, halten.“
In der Vereinsarbeit können ÖFB und Landesverbände nur finanzielle Anreize setzen, verpflichtende Engagements im Frauenbereich erachtet Gartner nicht als zielführend: „Die Erkenntnis muss von selbst kommen.“Unbestritten ist, dass es mehr Mannschaften und Sportplätze braucht. „In Wien schlummert das größte Potenzial. Aber selbst wenn sich 2000 Mädchen finden, gibt es gar nicht die Infrastruktur, um sie unterzubringen“, erzählt er über eine von „sehr vielen Baustellen“. Die meisten Mädchen gehen mit zehn oder elf Jahren verloren, wenn nur noch die Besten mit den Burschen mithalten. Diese Spielerinnen zu halten ist jedoch essenziell, um dauerhaft Teams und Meisterschaften bestücken zu können. Aus diesem Grund testen Vorarlberg und Niederösterreich Spielgemeinschaften, beim nächsten Kommissionstreffen im Jänner wird evaluiert. „Wenn von neun Projekten drei bis vier erfolgreich sind, dann sind wir in Summe erfolgreich“, so Gartners Ansatz. Geldfrage. Der 66-Jährige engagiert sich seit Langem für den Frauenfußball und weiß, dass noch immer viel vom Einsatz einzelner Personen abhängt und Vereine eine finanzielle Gratwanderung absolvieren. Gerade einmal 240.000 Euro wenden alle zehn Erstligisten gemeinsam für den Spielbetrieb auf. „Es ist zu bewundern, was trotz allem entstanden ist“, betont Gartner gegenüber der „Presse am Sonntag“. Im Hinblick auf Außendarstellung und Vermarktung wäre ein hauptverantwortlicher Vorstand für die Frauenbundesliga wünschenswert, das ist aber ebenfalls eine Frage des Geldes.
Das Nationalteam hat vor der EM erstmals einen Sponsor gefunden, finanziell war die so erfolgreiche Endrunde jedoch kein Gewinn: Die UefaPrämien von 700.000 Euro deckten in etwa die Ausgaben ab. Noch nicht bemessen lässt sich die gestiegene Wahrnehmung. Die Spiele des Nationalteams werden live übertragen, am Montag (20.15 Uhr) startet zudem auf ORF Sport plus ein wöchentliches Magazin zum Frauenfußball. Ob St. Pölten zur Heimstätte der ÖFB-Frauen wird, hängt wie so vieles vom Fanzuspruch ab – leere Ränge helfen schließlich weder Mannschaft noch Fernsehen. „Wir haben gerade fünf Prozent von dem erreicht, wo wir hinmüssen“, sagt Gartner. „Aber auch die weiteste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.“