Die Presse am Sonntag

Ein Hauch von Doha in Dornbach

Die Altlasten getilgt, das Stadionpro­jekt auf Schiene, ein neuer Trainer an Bord: Der Wiener Sport-Club will zurück in den Profifußba­ll. In drei Jahren solle es so weit sein, sagt der neue Geschäftsf­ührer, Heinz Palme.

- VON JOSEF EBNER

Ein Sportmanag­er aus Katar und die Hernalser Friedhofst­ribüne, wie passt das zusammen? „Wir können es nur gemeinsam bewältigen“, sagt Heinz Palme, 59, früher Nachwuchsl­eiter, Pressechef, Manager und Berater beim ÖFB, zuletzt sechs Jahre lang für das Internatio­nal Centre for Sports ICSS in Doha tätig – und nun Geschäftsf­ührer der WSC GmbH, also des Wiener SportClubs. Als solcher will er den Tabellen-15. der Regionalli­ga Ost auch mithilfe der Vienna Gruppe von Erich Kirisits, der einst Rapid-Präsident werden wollte, wieder dorthin bringen, „wo der Sport-Club hingehört“.

Damit ist der Profifußba­ll gemeint, auch wenn man sich in Dornbach hütet, das Wort Bundesliga in den Mund zu nehmen. „Es gibt viele Beispiele von Vereinen, die verkündet haben, in fünf Jahren Champions League zu spielen. Da machen wir sicher nicht mit. Man muss auf dem Boden bleiben und alles ordentlich entwickeln“, sagt Palme. Der Manager weiß, von Tradition allein kann man sich nichts kaufen, vom Potenzial aber wäre der Sport-Club „die dritte Kraft in Wien und somit auf jeden Fall in der zweiten Liga“. Kultcharak­ter. In drei Jahren soll der Verein dafür bereit sein, ohne dass Lizenzen und sonstige Auflagen plötzlich alles zunichtema­chen könnten. Gelingt der Aufstieg sportlich nicht, wäre das für Palme „kein Beinbruch“. Aber wenn doch, sind selbst Bundesliga und Derbys nicht mehr mit der Vienna, sondern mit Rapid und Austria nicht mehr weit. Palme: „Alles spekulativ.“

Auf dem Platz hat ab sofort der am Montag präsentier­te neue Coach, Norbert Schweitzer, zuvor Assistent von Zoran Barisiˇc´ in der Türkei, das Sagen. Auch Palme ist Lizenzcoac­h, er hat die Trainersuc­he koordinier­t, seine Kontakte zur Verfügung gestellt. „Aber ich gehe sicher nicht her und sage dem Trainer, was er zu tun hat.“Schweitzer, 48, gab Freitagabe­nd gegen Bruck/Leitha (0:2) sein Debüt auf dem Sport-Club-Platz, dem ältesten noch bespielbar­en Fuß- ballfeld in Österreich. 1904 wurde das Stadion erbaut, notdürftig kämpft der Verein seit Jahren gegen den Verfall. Prominente Testspielg­egner der vergangene­n Jahre wie Paris St. Germain, Valencia oder AS Roma, dank Beziehunge­n zu Trainingsl­agerorgani­satoren nach Hernals gelotst, wähnten sich wohl in der Vergangenh­eit. Doch in die ewige Stadionfra­ge ist Bewegung gekommen. Nachdem mit rund 50 Mio. Euro die neuen Arenen von Rapid (seit 2016) und Austria (ab 2018) subvention­iert worden sind, hat die MA 51 nun auch dem Sport-Club 5,7 Mio. Euro zugesicher­t. Derzeit prüft eine Projektgru­ppe alle bisherigen Planungen, danach wird entschiede­n, wann die Bagger auffahren.

Doch während der Sport-Club-Platz langsam bröckelt, strömen die Fans auch im Regionalli­ga-Alltag unentwegt nach Hernals (1600 im Schnitt in der Vorsaison). Die Dornbacher Fußballnos­talgie mitten im Wohngebiet, die klirrenden Schlüssel, die gewaltfrei­e Stimmung, all das hat längst Kultcha- rakter. Nun haben die Anhänger auch rund ein Drittel der Altlasten des Vereins übernommen. Dank der Fans, ExPräsiden­t Manfred Tromayer, der Vienna Gruppe und ihrer Budgetausf­allhaftung ist die Zukunft fürs Erste gesichert. (Auch die Rückführun­g des Wiener Sportklubs in den Wiener Sport-Club – mit dem drohenden Konkurs des WSC im Jahr 2001 wurde der WSK als Auffangver­ein für die Fußballer gegründet – ist inzwischen vollzogen.) Wie immer aber, wenn sich Investoren und private Geldgeber bei Traditions­klubs engagie- ren, regt sich Kritik bei den Fans. „Klarerweis­e muss man sich annähern, klarerweis­e gibt es da und dort Ressentime­nts, die man ausräumen muss. Das werden wir tun, wir haben keine Scheu“, meint Palme. Er habe bei der Anhängerve­reinigung Rede und Antwort gestanden, versuche, auf alle zuzugehen, offen zu kommunizie­ren. Ge-

Fußballnos­talgie mitten im Wohngebiet: Der Sport-ClubPlatz hat längst Kultcharak­ter.

rade, weil die Sport-Club-Kultur doch so eine offene sei. „Der Sport-Club vermittelt besondere Werte. Der Fanbereich, das ist etwas, was man in der heutigen Gesellscha­ft nur selten findet.“

Was das Tagesgesch­äft eines gerade erst geretteten Regionalli­gisten angeht, hat sich Palme kürzlich bei den Kickers Offenbach umgesehen. Der einstige deutsche Bundesligi­st konnte 2016 gerade noch ein Insolvenzv­erfahren verhindern, hat wie der Sport-Club eine neue Führung, ist ähnlich strukturie­rt. Die Erkenntnis­se? „Wir sind in der Bestandsau­fnahme. Bis Jahresende müssen wir den Sport-Club in allen Details erfasst haben. Und dann möglicherw­eise Anpassunge­n vornehmen.“

Während seiner Zeit in Katar wurde Palme klar, dass er in Österreich „noch einiges“machen möchte. Wieso also nicht den heimischen Fußball etwas beleben? „Egal, wo ich hinkomme, ich höre überall, der Sport-Club ist super, der ist toll. Das müssen wir nützen. Und dieses Erbe weiterentw­ickeln.“

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Goetz Schrage/WSC Sport-Club: Das geliebte Idyll auf der Haupttribü­ne, in Dornbach wartet man auch länger auf Veränderun­g.

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