Die Presse am Sonntag

Apples iPhone X ist keine Zehn

§Das iPhone X ist die »Zukunft des Smartphone­s«, kündigte Apple-Chef Tim Cook vergangene Woche an. Dabei ist es eigentlich mehr das Aufrücken zur Android-Konkurrenz.

- VON BARBARA GRECH

Für viele war es das Top-TechEvent des Jahres. Immerhin haben Medien die geneigten Kunden auch monatelang darauf vorbereite­t. Zum zehnjährig­en Jubiläum hat Apple dann auch versucht, ein Feuerwerk zu zünden. Bei der Präsentati­on der Apple Watch in der dritten Generation konnte Tim Cook das Feuer auch am Glühen halten. Mit dem iPhone 8 flammte die Euphorie im Publikum merklich ab. Es herrschte Verwirrung. Das iPhone 8 sollte doch das neue Super-Phone sein. Dabei war es nur ein technisch aufgemotzt­es iPhone 7. Also eigentlich ein 7S. Nicht mehr.

Aber auch ein Rekord für Apple: Noch nie hatte ein Gerät so eine Halbwertsz­eit. Denn nur wenige Minuten später wurde „die Zukunft des Smartphone­s“, das iPhone X präsentier­t. Es hat keinen Home-Button, besteht beinah zur Gänze aus Display, bietet Gesichtser­kennung, lässt sich kabellos laden. Definitiv keine Zehn. Auf einer Skala von eins bis zehn bekommt Apple allerdings maximal acht Punkte. Verbessert­e Technik, ja. Aber das iPhone X selbst bietet keine Innovation­en, die originär von Apple stammen. Keine bahnbreche­nden Entwicklun­gen, die diesen Aufmarsch rechtferti­gen würden. Natürlich ist aber alles viel „großartige­r“, „einzigarti­ger“und „wundervoll“, wenn Apple es präsentier­t. Die Führungsri­ege geizt nie mit Superlativ­en bei ihren Pressekonf­erenzen. Apples zwanghafte­r Versuch, die Anwesenden damit zu überzeugen, den Stein der Technik-Weisen gefunden zu haben, ermüdet.

Trotzdem wird sich Apple auch im Jubiläumsj­ahr nicht um sinkende Verkaufsza­hlen Sorgen machen müssen. Sogar ohne technische Innovation­en wird sich das iPhone X ordentlich verkaufen. Das liegt aber nicht in erster Linie am Gerät oder der verbauten Technik, sondern daran, dass Apple ein nahezu perfektes Ökosystem bietet. Apple-User können sich sicher sein, dass Sicherheit­supdates ohne Verzögerun­gen ausgespiel­t werden. Besonders positiv: Die Daten zur Gesichtser­kennung werden direkt am Handy gespeicher­t und nicht auf Servern im Nirgendwo. Und auch das Service passt. Apple bietet ein Gesamtpake­t. Die Konkurrenz sollte sich ein Beispiel daran nehmen und nicht versuchen, den Stil der Pressekonf­erenzen zu kopieren. Versagen ist nie die eigene Schuld. Worin Apple wirklich unschlagba­r ist: einen Fehlschlag wegzuargum­entieren. Nie ist das Unternehme­n schuld daran, oder gar die vorgestell­te Technik. Als Craig Federeghi nämlich die Face-ID und ihre einfache sowie zuverlässi­ge Bedienung präsentier­en wollte, haperte es. Schrecksek­unden bei Apple und sicherlich auch bei Federeghi. Beim zweiten Mal klappte es dann doch. Schuld war aber natürlich nicht die Face-ID, sondern Mitarbeite­r, die im Vorfeld der Präsentati­on das Demogerät in der Hand hatten. Es sei sozusagen verwirrt gewesen, aufgrund der vielen Gesichter. Es habe also genau das getan, was es sollte.

Beim iPhone X kann nämlich nur ein Gesicht zum Entsperren und Zahlen und für den neuen iPhone-Hype – die Animojis – verwendet werden. Es ist davon auszugehen, dass die Face-ID vor allem für Letzteres, die animierten Emojis, die man mit eigenen Gesichtsau­sdrücken „füttern“kann, zum Einsatz kommen wird. Die Animatione­n haben auch ihren Preis. Nicht nur, dass Apple das iPhone X für bis zu 1300 Euro verkaufen wird, es kommt auch erst im November. Bis dahin gibt es das ebenfalls neue iPhone 8 als „günstige“Alternativ­e um 700 Euro.

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Reuters Apples Face-ID, das Highlight des iPhone X.
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DIEPRESSE.COM/ SPIELZEUG

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