Liebe wird nie überschätzt
Acht Kurzgeschichten über die kleinen Lebenswunder im Alltag: Die Süditalienerin Valeria Parrella erzählt klug und ohne Kitsch über die vielen Gesichter der Liebe. Wird Liebe überschätzt? Ja, meint verbittert die Achtzehnjährige in der ersten Kurzgeschichte dieser Sammlung: Die junge Frau hat die Verlogenheit ihrer Eltern satt, Mutter und Vater haben einander ihr ganzes Eheleben lang betrogen und dabei halbherzig versucht, vor der Tochter das perfekte Paar zu spielen.
Doch dann, wenn man die nächsten sieben Erzählungen liest, überzeugt die süditalienische Autorin den Leser vom Gegenteil: Liebe wird nicht überschätzt – wenn man sie richtig lebt. Das beweist der alte Matrose aus Liverpool, der am Tod seiner geliebten Ehefrau leidet und sich daran erinnert, wie schön es war, gemeinsam zu schweigen; dafür kommt er seinem behinderten Sohn näher. Nächstenliebe macht in einer anderen Geschichte eine patente Nonne zur Mutter. Auch über die lebensheilende Wirkung einer frischen Verliebtheit mit 50 schreibt Parrella – ebenso wie über einen perfekten Glücksmoment am Hotelfenster mit Meeresblick. Besonders berührend ist die letzte Geschichte, in der ein krebskrankes Mädchen wütend gegen den Tod kämpft, aus Liebe zu ihrem Leben und Zukunftsträumen.
In Wahrheit sind diese „Liebesgeschichten“tief bewegende Lebensgeschichten: Präzise und in glasklarer Sprache erzählt Parrella über die kleinen Wunder im Alltag, kitschig wird sie dabei nie. Die Autorin romantisiert nicht, ihre Figuren sind unprätentiös, manchmal sehr witzig, oft klug, immer authentisch. Und deshalb zutiefst menschlich. Valeria Parrella: „Liebe wird überschätzt“, übersetzt von Annette Kopetzki, Hanser Verlag, 144 Seiten, 18,50 Euro.