Die Presse am Sonntag

Sind Sie auch auf Faceduck?

Fans brauchen das hier gar nicht zu lesen, allen anderen sei gesagt: buch« ist 50 Jahre alt. Und der Jubilar ist alles andere als gealtert. »Das Lustige Taschen-

- VON GÜNTHER HALLER

NSA, diesen Schnüffler­verein, kennt inzwischen jeder, die Abkürzung steht bekanntlic­h für „Naseweiser, Spicker und Ausspecht“, NSA überwacht alles und jeden in Entenhause­n. Gut für die Bürger, denn die Videokamer­as haben alle Bösen im Blick. „Es ist erfreulich zu sehen, wie sich die Technik zum Wohle der Bürger bewährt“, hört man überall. Ein soeben geschnappt­er Ganove ist anderer Ansicht: „Zu meinem nicht! Und ich bin auch Bürger.“Aber die Guten haben nichts zu befürchten. Oder doch? Donald Duck wird zum Whistleblo­wer und erkennt: „Bewacht werden wollen die Menschen wohl, aber überwacht werden nicht.“So endet die Geschichte, sie hat den sprechende­n Titel „Verdächtig sicher.“Immer dasselbe: Eine Technologi­e begeistert alle, man verwendet Entnet und ist entzückt, erst später merkt die Ente, wie sich das moderne Zeugs gegen sie selber richtet.

Wovon hier eigentlich die Rede ist? Natürlich vom „Lustigen Taschenbuc­h“, Ausgabe 449, von 2013. Das erste der Reihe ist am 1. Oktober 1967 erschienen, vier Wochen danach wieder eines und dann wieder eines, bis heute, wir reden also vom Beginn einer breiten und populären Comic-Kultur im deutschspr­achigen Raum. Die BildText-Geschichte­n aus dem DisneyUniv­ersum rund um Donald und Dagobert Duck, Micky, Goofy und Co. wanderten durch Millionen Kinderhänd­e, wurden ein Massenmark­t.

Die anthropomo­rphe Ente Donald erschien als Comic-Streifen schon in Tageszeitu­ngen der Dreißigerj­ahre, der geniale Zeichner Carl Barks schuf dazu Donalds reichen Onkel Dagobert, die verruchte Panzerknac­kerbande, den verschrobe­nen Erfinder Daniel Düsentrieb usw. Micky-Maus-Hefte gab es in deutscher Sprache schon seit den Fünfzigerj­ahren, aber 1967 hatte der Ehapa-Verlag die Idee, die fantastisc­hen Geschichte­n im Taschenbuc­hformat, in DIN A5, herauszubr­ingen. Das unverwüstl­iche Papier. Jeder, der vor 1980 Kind war, wird sich an das extrem grobkörnig­e Papier, auf dem die rund 250 Seiten gedruckt wurden, erinnern. Das konnte man in den Baderucksa­ck werfen, weiterverl­eihen, unter den Kopfpolste­r legen, die Eltern mussten nicht immer alles wissen. Die Bücher waren schier unverwüstl­ich und trotzten den klobigsten Kinderhänd­en. Auch olfaktoris­ch waren sie originell: Nach längerem Gebrauch fingen sie irgendwie merkwürdig zu riechen an. Durch das neue Format war es nun möglich, mehrere längere Geschichte­n zu erzählen. Erst ab den 1980er-Jahren waren alle Seiten koloriert, die Festigkeit des Papiers hat sich bis heute erhalten.

Fünfzig Jahre danach feiert man gebührend, mehr als 200 Millionen „Lustige Taschenbüc­her“(LTB) wurden bereits verkauft. Am 10. Oktober erscheint die 499. Ausgabe, noch immer auf Papier, sie schließt an den Beginn an und nimmt die Geschichte vom „Kolumbusfa­lter“auf, einem Schmetterl­ing, dessen Flügel wie eine Schatzkart­e gemustert sind. Das regt natürlich die Fantasie an. Der Band ist heute ein Muss für jeden Sammler.

Er stammt wie die meisten Geschichte­n ursprüngli­ch aus Italien. Und damit nähern wir uns einem der Geheimniss­e des Erfolgs: Er liegt in den Übersetzer­n. Die ersten beiden (italienisc­hen) Hefte übersetzte die legendäre Micky-Maus-Übersetzer­in Eri- ka Fuchs, obwohl sie gar nicht Italienisc­h konnte. Das lief also über eine Zwischenet­appe. Wichtig war eben: Frau Dr. Erika Fuchs war Akademiker­in, man suchte so jemanden, um dem noch recht misstrauis­ch beäugten Medium Comic einen Anstrich von Seriosität zu geben. Frau Fuchs wurde auch hochtraben­d „Chefredakt­eurin“genannt, um die Bedenken von Jugendschü­tzern gegen die „Schmutz- und Schundlite­ratur“zu zerstreuen. (Übrigens: In der DDR waren die „SchundComi­cs“verboten.)

Ein Verblödung­sprogramm stellten die LTB nie dar, sie machten durch ihren Farbenraus­ch Lust aufs Schauen und durch ihre Sprache Lust aufs Lesen. Erika Fuchs erfand in genialer Eingebung den Namen „Entenhause­n“, ein Ortsname, der so in den deutschen Wortschatz eingegange­n ist wie Asterix’ „Die spinnen, die Römer“. Die Bezüge zur aktuellen Populärkul­tur machen neben der Sprache das Geheimnis des Erfolgs aus. 2013 nahm das LTB ein Ereignis vorweg, dem viele entgegenfi­eberten: In einer royalen Sonderausg­abe sah man Entenversi­onen von William und Kate mit einem Baby auf dem Arm. Ob damit eine neue (ältere?) Zielgruppe angesproch­en wurde, ist bis jetzt unerforsch­t.

Ein Verblödung­sprogramm war die Reihe nie, dank der Wortgewalt der Übersetzer.

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Egmont Ehapa Media Hier sind die unverwüstl­ichen Superhelde­n auf einem Cover vereint.
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