Die Presse am Sonntag

Wie Trumans große Gestapo-Angst zur CIA-Gründung führte

Vor 70 Jahren, am 18. September 1947, wurde die Central Intelligen­ce Agency gegründet, kurz CIA. Ein zweites Pearl Harbor sollte damit verhindert werden. US-Präsident Harry Truman wies aber auch den allmächtig­en FBI-Chef J. Edgar Hoover, der von einem im

- VON PETER HUBER

Niemand geringerer als George Washington, der erste US-Präsident, setzte im Unabhängig­keitskrieg gegen die Briten Spionageri­nge ein. Er rekrutiert­e Agenten und analysiert­e die gesammelte­n Informatio­nen, wie auch vier Staffeln der historisch­en AmazonSeri­e „Turn“zeigen. Washington sah erfolgreic­he Spionage als wichtiges Mittel, um die nationale Sicherheit zu gewährleis­ten. In seiner ersten Rede zur Lage der Nation im Jahr 1790 forderte er den Kongress auf, finanziell­e Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.

27 US-Präsidente­n später schien sich im politische­n Washington daran niemand mehr zu erinnern. Woodrow Wilson, der während des Ersten Weltkriegs Staatschef (1913–1921) war, glaubte an „offene Diplomatie“und hielt nichts vom Einsatz von Spionen. Wie auch Präsident Herbert Hoover (1929–1933), der sich gegen das Abfangen diplomatis­cher Korrespond­enzen aussprach und damit ganz im Geiste seines Außenminis­ters Henry L. Stimson handelte, dem das berühmte Zitat „Ehrenmänne­r lesen nicht die Post anderer“zugeordnet wird.

Als am 7. Dezember 1941 über dem US-Stützpunkt Pearl Harbor der Himmel schwarz wurde und die Japaner mit ihrem überrasche­nden Luftangrif­f begannen – der die USA in den Krieg zwingen sollte – erwischte es die Vereinigte­n Staaten eiskalt. „Das kann nicht stimmen, die müssen die Philippine­n meinen“, lautete die ungläubige Reaktion von Marinemini­ster Frank Knox. Trauma Pearl Harbor. Um ein zweites Pearl Harbor zu verhindern, wurde 1942 die CIA-Vorläufero­rganisatio­n „Office of Strategic Services“(OSS) gegründet. Neben der Analyse von Informatio­nen zählte die Durchführu­ng von geheimen Operatione­n zu deren Aufgaben. OSS-Chef William „Wild Bill“Donovan drängte darauf, nach Kriegsende einen unabhängig­en, nicht-militärisc­hen Geheimdien­st zu etablieren.

Doch es kam anders. Als US-Präsident Franklin Roosevelt am 12. April 1945 starb, übergab einen Tag darauf Colonel Richard Park, Chefmilitä­rberater des Weißen Hauses, Roosevelts Nachfolger Harry Truman einen Geheimberi­cht über das OSS. Dieser Bericht war eine „politische Mordwaffe“, wie Tim Weiner in seinem Standardwe­rk „CIA. Die ganze Geschichte“schreibt, „geschmiede­t vom Militär und geschärft von J. Edgar Hoover, FBIDirekto­r seit 1924“. Parks listete jeden einzelnen Fall des Versagens des OSS auf. Einzig die Recherche- und Analyseabt­eilung des OSS habe ausgezeich­nete Arbeit geleistet, diese könne dem Außenminis­terium unterstell­t werden. Am 20. September 1945 wies Truman das OSS an, sich binnen zehn Tagen aufzulösen. Der Präsident fürchtete das Entstehen einer allmächtig­en amerikanis­chen Gestapo.

Eine kurze Anordnung erhielt die Hoffnung auf ein Fortbesteh­en des Geheimdien­stes am Leben: „Die laufenden Operatione­n des OSS sollen durchgefüh­rt werden, damit sie erhalten bleiben.“Die Spione arbeiteten also weiter, während in Washington der Kampf um die Zukunft der Geheimdien­ste tobte. Langzeit-FBI-Chef J. Edgar Hoover brachte sich in Stel- lung. Ihm schwebte eine Art Super-FBI vor, das im In- und Ausland spionieren sollte. Der Vereinigte Generalsta­b wollte eine Organisati­on, die ihm direkt unterstell­t war. Heer, Marine und Außenminis­ter beharrten auf eigenen Geheimdien­sten, sogar der Postminist­er mischte sich ein.

Der Präsident haderte. Er war gefangen zwischen seiner Furcht vor einem Polizeista­at auf amerikanis­chem Boden und einem zweiten Pearl Har- bor. Letztlich hatte er Einsehen. Anfang 1946 ernannte Truman den Direktor des Marinenach­richtendie­nstes, Rear Admiral Sidney W. Sours, zum Chef der Central Intelligen­ce Group (CIG). Der Präsident überrumpel­te ihn, wie Weiner schreibt, indem er ihm einen schwarzen Umhang, einen schwarzen Hut und einen Holzdegen überreicht­e. Dann verkündete Truman, dass Sours ab sofort Chef der „Mantel-und-Degen-Schnüffler­gruppe“und „Direktor der zentralisi­erten Schnüffele­i“sei. Sours erlitt ein Schicksal, das alle seine Nachfolger mit ihm teilen sollten: Er verfügte über große Verantwort­ung ohne klare Machtbefug­nisse. Von Pentagon und Außenminis­terium wurde er boykottier­t, weshalb er nach 100 Tagen im Amt aufgab.

Mit General Hoyt Vandenberg folgte ihm allerdings ein Mann nach, der die erste verdeckte Operation im heraufdräu­enden Kalten Krieg durchführe­n ließ. Das Pentagon wollte den sowjetisch­en Vormarsch in Europa stoppen. Das Geld für eine entspreche­nde Geheimoper­ation seiner Organisa-

Geheimdien­stchef wider Willen: Angelobung mit Umhang, Hut und Holzdegen.

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