Bangen um die Goldene Kugel
Nach dem plötzlichen Tod des Inhabers droht der traditionsreichen Goldenen Kugel auf der Wieden das Ende. Kunden halten dem Geschäft trotz halb leerer Regale die Treue.
Dass sie schon bessere Zeiten erlebt hat, erkennt man schon von außen: Die grünorange gestrichene Auslagenfront ist ziemlich leer. Hinter einer Scheibe steht noch ein riesiger WeberGrill, daneben ein paar Sektgläser, aber weiter links: nichts mehr. Kärcher, Gartengeräte: fast alles weg. Ware zum Nachlegen: Gibt es nicht mehr.
Ähnlich sieht es drinnen, in dem großen, verwinkelten Geschäft, aus: Manche Regale sind noch gut gefüllt, andere schon leer. Denn: Neue Produkte können nicht mehr bestellt werden. Über die Goldene Kugel, eine der ältesten Institutionen auf der Wiedner Hauptstraße, wurde im September das Insolvenzverfahren eröffnet. Und das, obwohl das Haushalts- und Eisenwarengeschäft selbst gar keine finanziellen Probleme hatte. Vielmehr hatte der langjährige Eigentümer Roland Zemla ein weiteres Unternehmen (namens LAZ), das Anfang 2017 in Konkurs gegangen ist und für das Haftungen in der Höhe von 150.000 Euro schlagend wurden. Gerade als Zemla dabei war, sich mit den Gläubigern zu einigen, verstarb er im Juni völlig unerwartet.
So kam es, dass ebendiese Haftungen nach seinem Tod bei seiner zweiten Firma, eben dem Unternehmen Zur Goldenen Kugel, schlagend wurden. Zwar war, wie der Masseverwalter Clemens Richter sagt, die Goldene Kugel „kein florierendes Unternehmen, aber eines, das gut gelaufen ist“. Aufgrund der Insolvenz kann seit Wochen keine Ware mehr bestellt werden, die sechs Mitarbeiter halten dem Geschäft nach wie vor die Treue und bedienen die Kunden trotz halb leerer Regale. „Haben Sie Eiswürfelformen?“, fragt eine Frau. „Nein, leider“, sagt der Verkäufer. „Haben wir nicht mehr.“Gespräche wie dieses führt das Team jeden Tag zigfach. „Mittlerweile müssen wir mehr als jeden zweiten Kunden wegschicken, weil wir die Ware nicht mehr haben“, sagt Rosemarie Zemla, die Schwester des verstorbenen Inhabers, die seit 2003 im Unternehmen arbeitet.
Masseverwalter Richter versucht seit Anfang September, einen Nachfolger zu finden, der den Traditionsbetrieb – schon seit 1837 wurden an dem Standort unter dem Namen Goldene Kugel Eisenwaren verkauft – übernimmt. Interessenten gab es zwar, einig wurde man sich bisher aber mit keinem. „Der Masseverwalter bemüht sich sehr“, sagt Rosemarie Zemla, „aber über so ein großes Geschäft traut sich wahrscheinlich kaum jemand drüber.“ Nahversorger. Auf dem Spiel stehen nicht nur sechs Arbeitsplätze, die Goldene Kugel wird von vielen Bewohnern des vierten und fünften Bezirks, aber auch wienweit, dafür geschätzt, dass man hier noch alles bekommt, was man sonst kaum noch oder nur in großen Mengen in Baumärkten an der Peripherie kaufen kann: eine einzelne Schraube, Mehrfachstecker, Lacke, Farben. Oder wie es Barbara Neuroth, stellvertretende Bezirksvorsteherin der Wieden, formuliert: „Die Goldene Kugel hat so gut auf die Nachbarschaft geschaut, sie war ein Nahversorger. Sie würde sehr fehlen, wenn sie schließen muss.“
Schon 2003 stand die Goldene Kugel vor dem Aus: Die Besitzer wollten in Pension gehen und fanden keinen Nachfolger. Damals war es Roland Zemla, der die Firma kurzerhand übernahm. Nun, 2017, könnte der Name – der vermutlich auf den einstigen Grätzelnamen „in der Gugl“zurückgeht, endgültig Geschichte sein.
Der Wiedner Hauptstraße, einer jener Wiener Einkaufsstraßen, in der es noch viele Kleinunternehmer gibt (und leider auch den einen oder anderen Leerstand) würde jedenfalls ein großes Zugpferd abhanden kommen: 12.000 Stammkunden hat die Goldene Kugel. „Die Anteilnahme der Kunden ist gewaltig“, sagt Zemla. „Mittlerweile ist es für uns aber mühsam, ständig die gleichen Fragen beantworten zu müssen.“„Wie lang gibt es euch noch?“, „Wann sperrt ihr zu?“, „Bekommt ihr bald neue Waren?“
Auf all diese Fragen haben die Mitarbeiter nur eine Antwort: „Wir wissen es nicht.“„Macht nichts“, ruft ein Kunde beim Rausgehen, „ich frag trotzdem zuerst bei euch. Auf Wiedersehen.“Wer weiß.