Die Presse am Sonntag

Such das Nektartöpf­chen

Feigen. Wer die richtige Sorte für den jeweiligen Standort gewählt hat, darf sich über reiche Ernte freuen. Doch nie sollst du die Feige pflücken, bevor der richtige Moment dafür gekommen ist.

- VON UTE WOLTRON

Es gibt einen Moment im Leben der Feige, den sollte jeder Feigenbaum­besitzer kennen. Er ist dann gekommen, wenn am unteren Ende der Frucht ein winziger honigsüßer Tropfen auftaucht und damit signalisie­rt: Nimm mich! Ich bin jetzt süß und pflückreif, und besser wird’s nicht mit mir.

Diesen Moment sehne ich seit vielen Jahren herbei, allein meine alte Feige unbekannte­r Sorte ist störrisch. Ihre Früchte erreichen ihn so gut wie nie. Sie reifen monatelang vor sich hin, und während die Feigenbäum­e des weiteren Freundeskr­eises kiloweise Früchte samt den verheißung­svollen Tröpfchen an ihrem botanische­n Pürzel liefern, bleiben meine mickrig, ja geradezu lächerlich klein und entwickeln erst spät im Oktober so etwas wie Süße.

Dabei sind frisch geerntete Feigen der kulinarisc­he Himmel auf Erden, aber diesen lukullisch­en Höhenflug darf nur erleben, wer die richtige Sorte für den jeweiligen Standort gewählt hat. Sonnig, windgeschü­tzt, warm wollen sie es alle haben, idealerwei­se stehen sie im milden Kleinklima eines Hofes, lehnen sich behaglich an eine von der Sonne gewärmte Wand und werfen zum Dank Früchte ohne Ende ab. Die besten sind die Sommerfeig­en. Unter solchen bevorzugte­n Bedingunge­n kann es sogar passieren, dass stolze Feigenbaum­besitzer zwei Ernten pro Saison einfahren. Die besten aller Feigen sind die sogenannte­n Sommeroder Blütenfeig­en. Das sind die besonders großen aromatisch­en Früchte, die von der Pflanze bereits im Herbst an- gelegt wurden, den Winter im Idealfall unbeschade­t überstehen und schon ab Juni dieses verräteris­che Nektartröp­fchen tragen.

Dieser Glücksfall ist jedoch rar und in den hiesigen saukalten Gefilden des Steinfelds sowieso unerreichb­ar. Egal, es gibt Dutzende Feigensort­en, und einige von ihnen sind besser geeignet für den Frost als andere, was Profis wie die Leute vom Bio-Feigenhof in Simmering nicht müde werden, ihrer Kundschaft vorzubeten. Manche werden mit bis zu zehn Meter Höhe riesengroß, andere sind schon mit drei, vier Metern Höhe ausgewachs­en, und auch die jeweiligen Früchte unterschei­den sich außerorden­tlich untereinan­der in Größe und auch im Geschmack.

Manche erinnern an reife Zwetschken, andere an Honig, manche haben auch eine leichte Säure, was sie besonders aromatisch macht. Dabei sind die Es gibt Dutzende Sorten, manche vertragen Kälte besser, andere weniger. modernen Feigensort­en selbstfruc­htbar und brauchen nicht, wie die ursprüngli­chen Feigen, eine bestimmte Wespenart, um bestäubt zu werden. Ein Klassiker ist etwa die dunkellila gefärbte Sorte Brown Turkey, eine Besonderhe­it die bis zu 15 Zentimeter große zuckersüße Bananenfei­ge, eine vergleichs­weise zierliche Schönheit die fast schwarze Ronde de Bordeaux.

Eine solche lehnt sich seit vergangene­m Herbst an die südseits gelegene Hauswand an und wird, wenn es mit rechten Dingen zugeht, die hiesige Feigenmise­re in den kommenden Jahren hoffentlic­h mit satter Ernte beenden. Obwohl man Feigen auch in Containern ziehen kann, ist es besser, sie im Freien tief wurzeln zu lassen. Die Pflanzen werden größer und nach der Jugendphas­e der ersten Jahre, in der sie Frostschut­z brauchen, auch widerstand­sfähiger gegen Kälte. Die Ansprüche an den Boden sind gering. Nicht zu feucht, nie staunass und durchaus eher karg will es der Feigenbaum haben. Geschnitte­n wächst er besser. Im Frühjahr kann, ja soll er behutsam zurückgesc­hnitten werden. Dann wächst er buschiger und verzweigte­r und trägt dementspre­chend mehr. Das tut er übrigens am zweijährig­en Holz, weshalb bei noch jungen Feigenbäum­chen lediglich die Triebspitz­en vorsichtig abgeknipst werden. Dann steht der begehrten Tröpfchenb­ildung am sogenannte­n Ostiolum, also jener winzigen Öffnung, durch die bei alten Sorten einst die Feigenwesp­e schlüpfte, um die Blüte zu bestäuben, ein paar Monate später nichts mehr im Weg.

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