Ein Aschenputtel mausert sich zum Minidarling des Fiskus
Wie (wenig) erfolgreich besteuern andere Länder Erben?
Vorsicht, hier kommt ein Vergleich! Der Blick über die Grenzen ist bei Steuern besonders anfällig für voreilige Schlüsse. Hohe Sätze bei Erbschaftssteuern etwa besagen nicht viel. Entscheidend ist, was sie wirklich einbringen. Auch blendet man leicht aus, dass Länder mit höheren Vermögenssteuern (wie die angelsächsische Welt mit ihren saftigen Abgaben auf Grund und Boden) meist die Einkommen deutlich niedriger belasten als Österreich. Oder auch, dass andere Staaten mit weniger Steuern auskommen. Dies vorausgeschickt, lässt sich sagen: Die Mehrheit der EU-Staaten – 18 von 28 – heben eine Erbschafts- und Schenkungssteuer ein. Unter den alten Mitgliedern haben außer Österreich nur Schweden und Portugal diese Steuer abgeschafft.
Aber ihre Bedeutung ist auch dort, wo es sie weiter gibt, traditionell ziemlich gering. Die Berater von EY haben für die EU-Kommission 2014 einen Überblick erstellt, mit den Daten für 2012. Damals trugen Erbschafts- und Schenkungssteuern in den Ländern, die sie einheben, nur 0,39 Prozent zum gesamten Aufkommen bei. Laufend erhobene Vermögenssteuern fristeten mit 0,36 Prozent Anteil ein ähnlich kümmerliches Dasein. Ergiebiger sind bisher Grund(erwerbs)steuern mit 2,6 Prozent. Damit hätte die Regierung bei ihrer Steuerreform mit der Grunderwerbssteuer bei unentgeltlichem Übergang (einer Erbschaftssteuer „durch die Hintertür“) auf ein leichter anzutreibendes Pferd gesetzt.
Warum aber kommt bei der klassischen Erbschaftssteuer so wenig herein? In der Regel gibt es großzügige
EU-Staaten
heben eine Erbschafts- und Schenkungssteuer ein.
Prozent
der gesamten Einnahmen des Fiskus machte sie 2012 in diesen Staaten aus. Allerdings steigt der Anteil tendenziell stark, weil es immer mehr größere Erbschaften gibt. Ausnahmen für nächste Verwandte, um die Werte der Familie zu schützen. Betriebsvermögen ist begünstigt, um die produktive Basis der Volkswirtschaft nicht zu beschädigen (auch wenn man die Steuer stundet, damit die Erben ihre Firma nicht verkaufen müssen – sie reduziert auf jeden Fall die Mittel für Investitionen). Und schließlich zwingen starke emotionale Widerstände zu hohen Freibeträgen; das „hart erarbeitete Häuschen der Großmutter“will niemand angreifen. Dem gegenüber stehen hohe Kosten bei der Erhebung und vielerorts (wie in Deutschland) notorische Probleme mit Verfassungsrichtern wegen der vielen Ausnahmen. Eben deshalb schaffte man die Steuer 2008 hierzulande ja auch ab. Mehr Einnahmen. Aber in den letzten fünf Jahren haben manche Finanzminister das Aschenputtel lieben gelernt. Der Grund: Die ersten Babyboomer segnen das Zeitliche, was das Aufkommen von niedriger Basis aus in die Höhe treibt. In Deutschland etwa von 0,4 auf 1,4 Prozent der Steuersumme, ohne dass sich die Sätze geändert haben. In Frankreich, das Erben immer schon härter anfasste, stieg der Anteil sogar von ein auf knapp drei Prozent. In dieser lichten Höhe bewegt sich das Konzept der Grünen. Die 500 Mio. der SPÖ ergäben nur 0,6 Prozent des Aufkommens, was dem aktuellen EUSchnitt entsprechen dürfte. Aber Vorsicht: Die Rechnung geht davon aus, dass andere Steuern sinken, die Gesamtbelastung also nicht steigt. Angesichts der hiesigen Fiskalgeschichte ist das wohl ein frommer Wunsch.
Sind Sie für oder gegen die Erbschaftssteuer?“: Keine wirtschafts- beziehungsweise steuerpolitische Frage hat im Wahlkampf so eine Bedeutung erlangt wie jene nach der Wiedereinführung der 2008 in Folge eines VfGH-Urteils aufgehobenen Steuer auf Schenkungen oder Erbschaften. Vielleicht, weil sich damit so einfach zuordnen lässt, ob jemand „links“oder „rechts“ist. Denn die Bruchlinie geht genau entlang dieses alten Schemas durch die Parteienlandschaft. Während ÖVP, FPÖ und Neos die Erbschaftssteuer ablehnen, sind SPÖ, Grüne und Liste Pilz für eine Wiedereinführung. Und so gibt es zur Zeit kaum eine politische Diskussion, bei der, sobald das Thema auf Wirtschaftspolitik kommt, nicht auch sofort diese Frage in gewohnter schwarz-weiß Manier gestellt wird.
Spricht man jedoch mit Ökonomen über die Besteuerung von Vermögen und insbesondere Erbschaften, dann zeichnet sich ein etwas differenzierteres Bild. „Die Diskussion, wie wir sie jetzt erleben, ist übertrieben“, sagt WifoChef Christoph Badelt zur „Presse am Sonntag“. Im Rahmen einer Gesamtreform des Abgabensystems würde eine Erbschaftssteuer zwar „sicherlich ihre Rolle haben“, die wäre jedoch verhältnismäßig klein und würde die jetzige politische Diskussion überhaupt nicht rechtfertigen. Steuerverteilung. Wie sieht also die Ausgangslage aus? Blickt man auf die nackten Zahlen der Statistik ist Österreich ein gutes Land, um reich zu sein. Denn die vermögensabhängigen Steuern sind mit 1,4 Prozent des gesamten Abgabenaufkommens niedrig. Im OECD-Vergleich sind mit Tschechien, Estland und der Slowakei nur drei Länder unter oder auf dem selben Niveau wie Österreich. Der Schnitt über alle Industrieländer liegt hingegen bei 5,6 Prozent. Traditionell kapitalistische Länder wie Großbritannien oder die Vereinigten Staaten erzielen sogar 12,7 respektive 10,8 Prozent ihrer Abgabenleistung aus vermögensabhängigen Steuern. Ein Punkt, der von Steuer-Befürwortern gerne ins Treffen geführt wird.
Etwas anders sieht die Lage jedoch bereits aus, wenn das Steueraufkommen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt betrachtet wird. Vermögensbezogene Steuern machen in diesem Fall 0,6 Prozent des heimischen BIP aus. Nun sind im internationalen Vergleich bereits fünf Länder auf gleichem Niveau oder unterhalb des Wertes von Österreich. Und sowohl der Abstand zum OECD-Schnitt von 1,9 Prozent sowie den Werten von Großbritannien (4,1 Prozent) als auch den USA (2,8 Prozent) wird deutlich geringer. Ein Grund für den relativ niedrigen Anteil vermögensbezogener Steuern am gesamten Abgabenvolumen in Österreich ist somit schlicht die außerordentlich hohe Belastung auf Löhne und Einkommen. Bei beidem liegt das Land weit vorne im OECD-Vergleich. Wirkungsfrage. Welchen Effekt könnte die Erbschaftssteuer nun auf diese Abgabenverteilung haben? Ein Rückblick auf das Jahr vor ihrer Abschaffung zeigt, dass die Erbschaftssteuer mit 155 Mio. Euro im Jahr 2007 nur 0,14 Prozent des gesamten Abgabenaufkommens einbrachte. Die damalige Steuer war jedoch auch mit vielen Ausnahmen behaftet, die nun wegfallen sollen, so die Befürworter. Als Vorbild wird hierbei häufig Deutschland genannt. Aber auch dort ist die Auswirkung überschaubar. Dass Deutschland mit 2,8 Prozent vermögensbezogener Steuern an allen Abgaben deutlich vor Österreich liegt, ist vor allem auf höhere Grundsteuern zurückzuführen.
Für Wifo-Chef Badelt geht es bei der aktuellen Diskussion über die Erbschaftssteuer daher auch eher um ein Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Wertsysteme. „Auf der einen Seite das sozialdemokratische Grundprinzip der Chancengleichheit, wonach es keine zu großen Vorteile für den Einzelnen geben darf. Auf der anderen Seite die ÖVP-Sicht, wonach die Familie als Ganzes gesehen wird und eine Erbschaftssteuer hier Dinge besteuert, die ohnehin schon versteuert wurden.“
Auf dieser ideologischen Ebene treffen sich auch die beiden am häufigsten verwendeten Argumente von Befürwortern und Gegnern. Erstere argumentieren, dass es ungerecht sei, ein leistungsloses Einkommen wie eine Erbschaft nicht zu besteuern. Zweitere entgegnen, dass das Geld ja bereits vom Erblasser versteuert worden sei. Beide Argumente sind nur bedingt
Im Rahmen einer Gesamtreform könnte die Steuer eine Rolle spielen.