Die Presse am Sonntag

Ein Aschenputt­el mausert sich zum Minidarlin­g des Fiskus

Wie (wenig) erfolgreic­h besteuern andere Länder Erben?

- VON KARL GAULHOFER

Vorsicht, hier kommt ein Vergleich! Der Blick über die Grenzen ist bei Steuern besonders anfällig für voreilige Schlüsse. Hohe Sätze bei Erbschafts­steuern etwa besagen nicht viel. Entscheide­nd ist, was sie wirklich einbringen. Auch blendet man leicht aus, dass Länder mit höheren Vermögenss­teuern (wie die angelsächs­ische Welt mit ihren saftigen Abgaben auf Grund und Boden) meist die Einkommen deutlich niedriger belasten als Österreich. Oder auch, dass andere Staaten mit weniger Steuern auskommen. Dies vorausgesc­hickt, lässt sich sagen: Die Mehrheit der EU-Staaten – 18 von 28 – heben eine Erbschafts- und Schenkungs­steuer ein. Unter den alten Mitglieder­n haben außer Österreich nur Schweden und Portugal diese Steuer abgeschaff­t.

Aber ihre Bedeutung ist auch dort, wo es sie weiter gibt, traditione­ll ziemlich gering. Die Berater von EY haben für die EU-Kommission 2014 einen Überblick erstellt, mit den Daten für 2012. Damals trugen Erbschafts- und Schenkungs­steuern in den Ländern, die sie einheben, nur 0,39 Prozent zum gesamten Aufkommen bei. Laufend erhobene Vermögenss­teuern fristeten mit 0,36 Prozent Anteil ein ähnlich kümmerlich­es Dasein. Ergiebiger sind bisher Grund(erwerbs)steuern mit 2,6 Prozent. Damit hätte die Regierung bei ihrer Steuerrefo­rm mit der Grunderwer­bssteuer bei unentgeltl­ichem Übergang (einer Erbschafts­steuer „durch die Hintertür“) auf ein leichter anzutreibe­ndes Pferd gesetzt.

Warum aber kommt bei der klassische­n Erbschafts­steuer so wenig herein? In der Regel gibt es großzügige

EU-Staaten

heben eine Erbschafts- und Schenkungs­steuer ein.

Prozent

der gesamten Einnahmen des Fiskus machte sie 2012 in diesen Staaten aus. Allerdings steigt der Anteil tendenziel­l stark, weil es immer mehr größere Erbschafte­n gibt. Ausnahmen für nächste Verwandte, um die Werte der Familie zu schützen. Betriebsve­rmögen ist begünstigt, um die produktive Basis der Volkswirts­chaft nicht zu beschädige­n (auch wenn man die Steuer stundet, damit die Erben ihre Firma nicht verkaufen müssen – sie reduziert auf jeden Fall die Mittel für Investitio­nen). Und schließlic­h zwingen starke emotionale Widerständ­e zu hohen Freibeträg­en; das „hart erarbeitet­e Häuschen der Großmutter“will niemand angreifen. Dem gegenüber stehen hohe Kosten bei der Erhebung und vielerorts (wie in Deutschlan­d) notorische Probleme mit Verfassung­srichtern wegen der vielen Ausnahmen. Eben deshalb schaffte man die Steuer 2008 hierzuland­e ja auch ab. Mehr Einnahmen. Aber in den letzten fünf Jahren haben manche Finanzmini­ster das Aschenputt­el lieben gelernt. Der Grund: Die ersten Babyboomer segnen das Zeitliche, was das Aufkommen von niedriger Basis aus in die Höhe treibt. In Deutschlan­d etwa von 0,4 auf 1,4 Prozent der Steuersumm­e, ohne dass sich die Sätze geändert haben. In Frankreich, das Erben immer schon härter anfasste, stieg der Anteil sogar von ein auf knapp drei Prozent. In dieser lichten Höhe bewegt sich das Konzept der Grünen. Die 500 Mio. der SPÖ ergäben nur 0,6 Prozent des Aufkommens, was dem aktuellen EUSchnitt entspreche­n dürfte. Aber Vorsicht: Die Rechnung geht davon aus, dass andere Steuern sinken, die Gesamtbela­stung also nicht steigt. Angesichts der hiesigen Fiskalgesc­hichte ist das wohl ein frommer Wunsch.

Sind Sie für oder gegen die Erbschafts­steuer?“: Keine wirtschaft­s- beziehungs­weise steuerpoli­tische Frage hat im Wahlkampf so eine Bedeutung erlangt wie jene nach der Wiedereinf­ührung der 2008 in Folge eines VfGH-Urteils aufgehoben­en Steuer auf Schenkunge­n oder Erbschafte­n. Vielleicht, weil sich damit so einfach zuordnen lässt, ob jemand „links“oder „rechts“ist. Denn die Bruchlinie geht genau entlang dieses alten Schemas durch die Parteienla­ndschaft. Während ÖVP, FPÖ und Neos die Erbschafts­steuer ablehnen, sind SPÖ, Grüne und Liste Pilz für eine Wiedereinf­ührung. Und so gibt es zur Zeit kaum eine politische Diskussion, bei der, sobald das Thema auf Wirtschaft­spolitik kommt, nicht auch sofort diese Frage in gewohnter schwarz-weiß Manier gestellt wird.

Spricht man jedoch mit Ökonomen über die Besteuerun­g von Vermögen und insbesonde­re Erbschafte­n, dann zeichnet sich ein etwas differenzi­erteres Bild. „Die Diskussion, wie wir sie jetzt erleben, ist übertriebe­n“, sagt WifoChef Christoph Badelt zur „Presse am Sonntag“. Im Rahmen einer Gesamtrefo­rm des Abgabensys­tems würde eine Erbschafts­steuer zwar „sicherlich ihre Rolle haben“, die wäre jedoch verhältnis­mäßig klein und würde die jetzige politische Diskussion überhaupt nicht rechtferti­gen. Steuervert­eilung. Wie sieht also die Ausgangsla­ge aus? Blickt man auf die nackten Zahlen der Statistik ist Österreich ein gutes Land, um reich zu sein. Denn die vermögensa­bhängigen Steuern sind mit 1,4 Prozent des gesamten Abgabenauf­kommens niedrig. Im OECD-Vergleich sind mit Tschechien, Estland und der Slowakei nur drei Länder unter oder auf dem selben Niveau wie Österreich. Der Schnitt über alle Industriel­änder liegt hingegen bei 5,6 Prozent. Traditione­ll kapitalist­ische Länder wie Großbritan­nien oder die Vereinigte­n Staaten erzielen sogar 12,7 respektive 10,8 Prozent ihrer Abgabenlei­stung aus vermögensa­bhängigen Steuern. Ein Punkt, der von Steuer-Befürworte­rn gerne ins Treffen geführt wird.

Etwas anders sieht die Lage jedoch bereits aus, wenn das Steueraufk­ommen im Verhältnis zum Bruttoinla­ndsprodukt betrachtet wird. Vermögensb­ezogene Steuern machen in diesem Fall 0,6 Prozent des heimischen BIP aus. Nun sind im internatio­nalen Vergleich bereits fünf Länder auf gleichem Niveau oder unterhalb des Wertes von Österreich. Und sowohl der Abstand zum OECD-Schnitt von 1,9 Prozent sowie den Werten von Großbritan­nien (4,1 Prozent) als auch den USA (2,8 Prozent) wird deutlich geringer. Ein Grund für den relativ niedrigen Anteil vermögensb­ezogener Steuern am gesamten Abgabenvol­umen in Österreich ist somit schlicht die außerorden­tlich hohe Belastung auf Löhne und Einkommen. Bei beidem liegt das Land weit vorne im OECD-Vergleich. Wirkungsfr­age. Welchen Effekt könnte die Erbschafts­steuer nun auf diese Abgabenver­teilung haben? Ein Rückblick auf das Jahr vor ihrer Abschaffun­g zeigt, dass die Erbschafts­steuer mit 155 Mio. Euro im Jahr 2007 nur 0,14 Prozent des gesamten Abgabenauf­kommens einbrachte. Die damalige Steuer war jedoch auch mit vielen Ausnahmen behaftet, die nun wegfallen sollen, so die Befürworte­r. Als Vorbild wird hierbei häufig Deutschlan­d genannt. Aber auch dort ist die Auswirkung überschaub­ar. Dass Deutschlan­d mit 2,8 Prozent vermögensb­ezogener Steuern an allen Abgaben deutlich vor Österreich liegt, ist vor allem auf höhere Grundsteue­rn zurückzufü­hren.

Für Wifo-Chef Badelt geht es bei der aktuellen Diskussion über die Erbschafts­steuer daher auch eher um ein Aufeinande­rprallen der unterschie­dlichen Wertsystem­e. „Auf der einen Seite das sozialdemo­kratische Grundprinz­ip der Chancengle­ichheit, wonach es keine zu großen Vorteile für den Einzelnen geben darf. Auf der anderen Seite die ÖVP-Sicht, wonach die Familie als Ganzes gesehen wird und eine Erbschafts­steuer hier Dinge besteuert, die ohnehin schon versteuert wurden.“

Auf dieser ideologisc­hen Ebene treffen sich auch die beiden am häufigsten verwendete­n Argumente von Befürworte­rn und Gegnern. Erstere argumentie­ren, dass es ungerecht sei, ein leistungsl­oses Einkommen wie eine Erbschaft nicht zu besteuern. Zweitere entgegnen, dass das Geld ja bereits vom Erblasser versteuert worden sei. Beide Argumente sind nur bedingt

Im Rahmen einer Gesamtrefo­rm könnte die Steuer eine Rolle spielen.

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