Die Alternative zum Heer
Den österreichischen Auslandsdienst gibt es seit 25 Jahren. Das Freiwilligendienstgesetz brachte 2016 einige Neuerungen.
zählten der Besuch eines Dalai-LamaVortrags im nahen Dharamsala, wo es mit dem Tibetischen Umweltbüro eine weitere Auslandsdienst-Einsatzstelle gibt, sowie die Begegnung mit dem örtlichen Steinmetz. „Er hat immer traurig ausgeschaut und hat mir leid getan, weil er den ganzen Tag nur Steine klopft. Nach ein paar Wochen haben wir auf Hindi einige Worte ausgetauscht – ich habe viel von ihm gelernt. Später hat er mich zum Essen eingeladen zu seiner Familie. Diese Beziehung aufzubauen war wunderschön“, sagt Simon, der mit seinem neuen Freund auch in die Berge wanderte, um Schieferstein für Dächer abzubauen. „Früher habe ich Freundschaften aufgebaut mit Studenten und gleichgesinnten Menschen. Der Steinmetz ist sehr viel älter als ich und ein ganz einfacher Mensch. Aber irgendwie verstehen wir uns trotzdem gut.“ Müll fressende Kühe. Nach dem Auslandsdienst möchte Simon aufschreiben, was er alles erlebt hat, um das Ganze zu verarbeiten und bei Vorträgen seine Erfahrungen weiterzugeben, „vielleicht in Richtung Reisekabarett“. Manche Erlebnisse in Indien seien einfach zu absurd, um wahr zu sein – zum Beispiel die Müll fressenden Kühe, die überall herumlaufen oder die indischen Männer, die als Freundschaftszeichen Händchen halten. „Oder man schüttelt einem Inder die Hand und wird für fünf Minuten nicht mehr losgelassen und natürlich das ständige Fotografiertwerden, als sei man ein westlicher Filmstar“, schmunzelt Simon, den es ein bisschen ärgert, dass freilaufende Kühe dem indischen Straßenverkehr immer noch geschickter ausweichen als er selbst.
Im Hochzeitsanzug seines Vaters fährt 1980 ein junger Mann zu Bundespräsident Rudolf Kirchschläger in die Hofburg nach Wien. Drei Jahre zuvor hatte Andreas Maislinger das erste Mal von der Möglichkeit gehört, im Rahmen der westdeutschen Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau mitzuarbeiten. Da es Westdeutschen schon seit 1970 möglich war, sich diesen freiwilligen Einsatz im Ausland als Zivildienst anrechnen zu lassen, stellte Maislinger gegenüber der Republik die gleiche Forderung. Mit den Worten „Ein junger Österreicher hat in Auschwitz nichts zu sühnen“erstickte Kirchschläger Maislingers Hoffnungen auf einen Zivildienst in Auschwitz. Die einseitige Geschichtsreflexion motivierte Maislinger über viele Jahre, sich für die Anerkennung des Gedenkdienstes einzusetzen.
Es sollte lang dauern: 1991 beschloss der Nationalrat die gesetzlichen Grundlagen für den sogenannten Zivilersatzdienst im Ausland. 1992 trat mit dem Tiroler Georg Mayer der erste junge Österreicher statt Bundesheer oder Zivildienst einen Gedenkdienst in Auschwitz-Birkenau an. Später kamen der Sozial- und Friedensdienst hinzu.
Mit dem neuen Freiwilligendienstgesetz gab es für den Auslandsdienst 2016 die größte Veränderung in seiner Geschichte: Erstmals stellte der Gesetzgeber Frauen und Freiwillige mit wehrdienstpflichtigen Männern finanziell gleich. Abhängig von den Lebenserhaltungskosten im Einsatzland, erhält nun jeder Auslandsdiener ein Taschengeld in Höhe von zehn bis 100 Prozent der Geringfügigkeitsgrenze, die 2017 bei 425,70 Euro liegt. Bis zum Alter von 24 Jahren existiert erstmals auch während des auf zehn Monate verkürzten Auslandsdienstes ein Anspruch auf Familienbeihilfe. Sofern das Haushaltseinkommen nicht 75.000 Euro brutto überschreitet, zahlt das zuständige Sozialministerium pro Auslandsdiener eine monatliche Förderung von 720 Euro aus, die die Lebenserhaltungs- und Reisekosten von Auslandsdienern so gering wie möglich halten soll. Darüber hinaus können Männer nun auch andere Freiwilligendienste als Zivildienst angerechnet bekommen, darunter in der Entwicklungshilfe, im Rahmen von Erasmus+ sowie das freiwillige Sozial- und Umweltjahr.
Nach dem Auslandsdienst möchte Simon aufschreiben, was er alles erlebt hat.
Mehr Geld, mehr Bürokratie. „Insgesamt brachte das neue Gesetz viele Vorteile, darunter auch die verpflichtende Vorbereitung und Begleitung am Einsatzort“, sagt Gerhard Vonach, Leiter der gemeinnützigen Dachgesellschaft Internationale Freiwilligeneinsätze, die Friedens- und Sozialdiener nach Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa entsendet. Aber es gibt auch Nachteile, der bürokratische Aufwand ist zum Beispiel drastisch gestiegen. „Statt zwei müssen wir jetzt 60 Seiten pro Antrag abgeben.“Zudem sind für die Bewilligung als Träger nun mindestens acht Einsatzstellen erforderlich. „Das ist der Tod für kleine Vereine. Deshalb bieten wir Entsendeorganisationen mit nur wenigen Einsatzstellen ein Dach, unter das sie schlüpfen können.“Einer der ältesten Trägervereine stellte dieses Jahr seinen Betrieb ein: „Wir entsenden so lange keine Gedenkdiener mehr, bis es eine neue gesetzliche Regelung gibt“, sagt Hannes Schwantner vom Verein Niemals Vergessen.