»Wer schweigt, ist mitschuldig«
Interview. Beim Zurich Film Festival präsentiert Star-Drehbuchautor Aaron Sorkin (»Eine Frage der Ehre«, »The West Wing«) sein Regiedebüt »Molly’s Game« – und findet deutliche Worte zum Terroranschlag in Las Vegas.
Aaron Sorkin ist einer der großen Star-Autoren Hollywoods. Aus seiner Feder stammen die Scripts zu „Eine Frage der Ehre“oder „The Social Network“, er erfand auch die mehrfach preisgekrönte TV-Serie „The West Wing – Im Zentrum der Macht“. Höchste Zeit für den 56-Jährigen, die Fronten zu wechseln: Beim Biopic „Molly’s Game“, das er diese Woche beim Filmfestival von Zürich vorstellte, führte er erstmals Regie. Der Film erzählt die ungewöhnliche, wahre Geschichte von Molly Bloom, die nach einem Unfall die Karriere als Profi-Freestyle-Skiläuferin aufgeben musste und daraufhin eine Karriere machte, indem sie Pokerrunden für Superreiche und Superberühmte organisierte. „Molly’s Game“ist nicht nur das Porträt einer außergewöhnlichen Frau, sondern auch ein ungeschöntes Porträt der US-Gesellschaft, die es aufgegeben hat, zu versuchen, extreme Unterschiede zu überbrücken und sich stattdessen immer mehr von ihnen definieren lässt. Mr. Sorkin, warum haben Sie sich dazu entschlossen, diese Geschichte zu verfilmen? Aaron Sorkin: Ein Freund hat mir ein Treffen mit der echten Molly vermittelt. Eigentlich hätte es nur eine Stunde dauern sollen, aber nach drei Stunden hatte ich noch lange nicht genug gehört! Was mich fasziniert hat, war, dass sie eine großartige Geschichte zu erzählen hat – und das war nicht die, die im Buch stand, das sie über ihre Erlebnisse als Spielmacherin geschrieben hat. Welche Geschichte ist das? Die, die hinter dem ganzen Brimborium um Stars und Geld steckt, ist auch interessant, aber was ich viel spannender fand, war die Frau, die sich hinter der Glamourfassade verbirgt. Molly ist für mich ein echter Filmstar, im besten Sinne des Wortes. Sie ist eine Frau, die selbst unter Todesgefahr nicht bereit ist, Leute zu verraten, die ihr vertrauen. Sie hat ihr Millionenvermögen verloren, weil sie dem FBI keine Namen und keine Details nennen wollte. So viel Rückgrat ist heutzutage etwas sehr Seltenes. Das FBI ist mit Molly nicht gerade schonend umgegangen, obwohl es nicht einfach war, ihr strafbare Handlungen nachzuweisen. Das stimmt, sie hat sich lange Zeit extrem genau an alle legalen Richtlinien gehalten, damit man sie eben nicht rechtlich belangen kann. Schlussend-
Aaron Benjamin Sorkin
wurde 1961 in Manhattan geboren. Eigentlich wollte er Schauspieler werden, weil da der Erfolg ausblieb, begann er Theaterstücke zu schreiben. Nach ersten Erfolgen am Broadway kam der große Durchbruch mit der Verfilmung von „Eine Frage der Ehre“.
Sein bisher größter Erfolg
ist die Serie „The West Wing“. Der Spielfilm „The Social Network“wurde mit dem Oscar der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch ausgezeichnet. lich ist sie dann über einen Fehler gestolpert. Was darin resultierte, dass man nicht nur ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt, sondern es auch nachträglich besteuert hat. Das heißt, sie ist jetzt bitterarm und bis an ihr Lebensende hoch verschuldet. Spiele zu veranstalten wird streng geahndet – in einem Land, in dem Waffenbesitz ein Bürgerrecht darstellt. Eine Diskrepanz, die Sie und viele Kollegen oft kommentieren. Mir hat man vor meiner Abreise nach Zürich sehr höflich erklärt, dass ich nicht zu vergessen hätte, dass auch Trump-Wähler Kinokarten kaufen. Allerdings kann ich nach den schrecklichen Ereignissen in Las Vegas nicht anders, als meinen Kommentar dazu abzugeben. Wenn ich meinen Mund halte, um dem Box-Office nicht zu schaden, mache ich mich mitschuldig am Tod dieser Menschen. Jeder, der seinen Mund hält, ist mitschuldig. Ihre Hauptdarstellerin, Jessica Chastain, hat nach dem Massaker von Las Vegas via Twitter die Waffengesetze kritisiert – und wurde ihrerseits dafür heftig angefeindet. Wir haben in den USA eine Epidemie, die es nirgendwo anders auf der Welt gibt. Eine Epidemie von sinnlosen Massakern, bei denen Unbeteiligte erschossen werden. Und das mit Waffen, die nur für genau einen Zweck gebaut wurden: so viele Menschen wie möglich in so wenig Zeit wie möglich umzubringen. Diese Waffen sind zur Selbstverteidigung gemacht, nicht als Abwehr gegen Einbrecher, auch nicht für die Jagd. Wie sollte man damit umgehen? Das sind Kriegswaffen. Wir haben zu viele feige Kongressabgeordnete in den USA, deren Rückgrate in der Tasche der NRA stecken, der National Rifle Association – das ist die Lobby für Mörder. So, jetzt habe ich hoffentlich genug potenzielle Kinobesucher verstört. In den USA ist die politische Rechte überaus unglücklich, wenn man Negatives über Amerika sagt. Und gerade jetzt begehe ich das schlimmste Verbrechen überhaupt: Ich sage etwas Negatives über Amerika im Ausland! Aber ich finde, ich habe nichts Negatives über die USA gesagt, nur über automatische Schusswaffen und manche Abgeordnete.