Warum ich wähle, wie ich wähle
Heute wählen 6.401.304 Österreicher einen neuen Nationalrat. Aber was hat die Menschen überzeugt, für SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos oder Liste Pilz zu stimmen? Wir haben sechs Wähler gefragt, warum sie so wählen, wie sie wählen.
Mit heute geht er zu Ende, der lange Wahlkampf, den nicht wenige Wähler und die meisten Experten als besonders schmutzig empfanden. 40 Millionen Euro wird das Werben um Stimmen insgesamt gekostet haben, schätzt der Politikwissenschaftler Hubert Sickinger.
Heute entscheiden 6.401.304 Österreicher (3.093.509 Männer und 3.307.795 Frauen), welche Partei künftig wie viele der 183 Abgeordneten des Nationalrats stellen wird – und damit indirekt auch, wer Österreich die nächsten fünf Jahre regieren wird. Aber warum entscheidet man sich für eine bestimmte Partei? Was hat jemanden überzeugt SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos oder die Liste Pilz zu wählen? Wir haben sechs Österreicher gefragt, wen sie wählen und warum. Florian Mayer, 45, Wien, SPÖ Die SPÖ zu wählen hat für Florian Mayer Tradition. In zweifacher Hinsicht. Er selbst hat noch nie anders gewählt, und auch in der Familie ist das Kreuz bei der SPÖ eine Art Ritual. „Erzrot“sei die nämlich. Die Großparteien haben über die vergangenen Jahrzehnte immer mehr Wähler eingebüßt, die SPÖ vor allem an die FPÖ verloren, doch Mayer blieb den Sozialdemokraten treu. Das hat viel mit Dankbarkeit und mit der Vergangenheit zu tun. „Meine ganze Bildung habe ich dem Staat, eigentlich der roten KreiskyZeit, zu verdanken. Dadurch konnte ich gut ins Leben starten“, sagt der 45-jährige Angestellte im IT-Bereich.
Das bestimmende Wahlkampfthema, die Flüchtlingskrise, war für Mayer nicht entscheidend. Er sieht die Flüchtlingsdebatte, die die Sozialdemokraten vor eine Richtungsentscheidung stellte, unaufgeregt. „Die Grenzen gehören überwacht, aber nicht dicht gemacht.“Flüchtlingen stehe „ein gescheites Asylverfahren“zu. Aber irgendwann sei „das Boot auch voll“. Insofern habe ihn die SPÖ mit ihrem nach längerem Zögern eingeschlagenen restriktiveren Zuwanderungskurs und ihrer Zustimmung zur Obergrenze nicht verärgert. Doch auch ohne diesen Schwenk hätte ihn die SPÖ nie an die FPÖ verloren. Die sei ein „No-Go“.
Thematisch waren Mayer Themen wie Bildung, Mindestlohn, Arbeitsplatzschaffung und Pensionen („in meinem Alter denkt man darüber schon nach“) wichtiger. Die Wahlkampfpannen rund um die Silberstein-Affäre habe er zwar verfolgt, aber „bewusst für die Entscheidung ausgeblendet“. Für die Zukunft des Landes sei das nicht entscheidend.
Für die SPÖ habe auch Spitzenkandidat Christian Kern, ein Managertyp, der Österreich gut nach außen vertrete, gesprochen. Er habe „absolut mehr Charisma, mehr Glaubwürdigkeit und mehr Durchsetzungsfähigkeit“als etwa Ex-SPÖ-Chef Werner Faymann. Kern solle selbst nach einer etwaigen Wahlniederlage bleiben. Denn: „Einen SPÖChef Hans Peter Doskozil will ich mir gar nicht vorstellen.“ Ulrike Karl, 77, Lichtenberg/Linz, ÖVP
Eigentlich ist Ulrike Karl ja FPÖ-Wählerin. „Seit vielen Jahren“, erzählt sie. „Damals, als der Jörg Haider noch Parteichef war, habe ich schon die Freiheitlichen gewählt.“Aber diesmal wird Karl ihr Kreuz bei einer anderen Partei machen: „Diesmal wähle ich den Kurz.“
Die 77-Jährige ist der Prototyp des Wählers, von dem die ÖVP am heutigen Wahlsonntag zu profitieren hofft. Jene, die früher die Freiheitlichen unterstützt haben, sollen jetzt zu Sebastian Kurz wechseln.
Ulrike Karl macht genau das – allerdings mehr aus taktischen Gründen. „Wenn ich den Strache wähle, dann ist das sinnlos.“Weil? „Er wird nie den Kurz schlagen.“Der liege in allen Umfragen weit voran. „Wenn der Kurz stark genug ist, dann gibt es vielleicht eine schwarz-blaue-Koalition mit ihm als Kanzler – das wäre mir ganz wichtig.“Denn etwas will die Oberösterreicherin auf keinen Fall mehr: „Wieder so ein Chaos wie mit den Roten.“
Dabei war Karl früher selbst einmal SPÖ-Wählerin. „Ich habe sie lange Zeit gewählt“, erzählt die einstige Postbeamtin, „gerade als ich noch berufstätig war.“Dann kam der recht klassische Wechsel, der die FPÖ groß und die SPÖ immer kleiner machte: „Irgendwann ist mir die SPÖ zu arrogant geworden, dann habe ich den Haider gewählt.“Später Heinz-Christian Strache und jetzt erstmals die ÖVP.
Natürlich habe auch die Politik von Sebastian Kurz ihre Entscheidung beeinflusst. „Er hat eine klare Linie, laviert nicht so herum wie die anderen, die einmal so sagen und einmal so.“Von Strache habe man dagegen „in diesem Wahlkampf nicht viel gehört“.
Und die Migrationspolitik der ÖVP? Karl überlegt kurz. „Die gefällt mir auch, und Kurz kennt sich ja aus in dem Bereich, er war ja lange Integrationsstaatssekretär.“Sie habe sich die TVDiskussionen angeschaut, und da habe Kurz immer gut argumentiert.
Aber eben: „Wichtig ist mir einfach, dass er mit dem Strache eine Regierung bildet.“Die beiden könnten viel für das Land weiterbringen, glaubt Karl, im Gegensatz zu SPÖ und ÖVP. Inter-