(K)ein »Oktoberfest« im Belvedere
Die Betreiber des Salmbräu wollen das alte Belvederestöckl zu einem großen Wirtshaus ausbauen. Anrainer protestieren und befürchten wegen des neuen Lokals Lärm und ein Verkehrschaos.
Wiens schönster Gastgarten“steht in grüner Schrift auf der Parkmauer in der Prinz-Eugen-Straße. Den Passanten, die vorbeihasten, fällt er selten auf. Warum auch? Vor 18 Jahren sperrte das Belvederestöckl und wurde samt Garten langsam vergessen.
Dabei ist das, was sich hinter der ewig geschlossenen Türe verbirgt, sehenswert. Sogar in verwildertem Zustand. Zwischen Tennisclub Schwarzenberg und und dem Privatpark der Stiftung Schwarzenberg liegt ein grünes Idyll mit großen Bäumen und viel Platz. Von einer Art Plateau aus blickt man über den privaten Garten, von diesem getrennt durch die steil abfallenden Mauern einer künstlichen Grotte. „Stellen Sie sich vor, wie Sie hier sitzen und frühstücken“, sagt Albert Welledits. „Ist das nicht schön?“
Durchaus. Trotzdem freut man sich hier im vierten Bezirk nicht, dass Welledits, der bereits das Salmbräu betreibt (dieses befindet sich auf der anderen Seite des Belvedereparks im dritten Bezirk), das alte Lokal mit Sommer 2018 wachküssen will. Im Gegenteil. Vergangenen Montag fand eine Bürgerversammlung statt. Unter dem Titel „Nein zum permanenten Oktoberfest im Belvedere“wurde eine Bürgerinitiative gebildet. Der Name spielt darauf an, dass im neuen „Stöckl im Park“auch Bier gebraut werden soll. Die Familie Welledits, die für das Projekt von der Stiftung Schwarzenberg ein Baurecht für 70 Jahre erworben hat, ist nämlich Spezialist für Brauanlagen, die sie in die ganze Welt exportiert. Biertouristen. Die Kritik am Projekt ist umfassend, wie Hellmut Schneider, einer der Sprecher der Anrainer, klar macht. Die meisten hängen mit der Dimension des Lokals zusammen, das durch einen dreistöckigen Zubau erweitert wird. 880 Plätze seien geplant, sagen die Anrainer, die sich vor Lärm, Geruch und dem Verkehr fürchten. Immerhin macht das Wohnviertel zwischen Karlsplatz und Hauptbahnhof jährlich schlechte Erfahrungen mit dem Weihnachtsmarkt im Belvedere. Stichwort: Parkplatznot. Auch die Art der potenziellen Gäste sieht man mit Argwohn: „Biertouristen“. Bereits früher seien in das (damals kleiner dimensionierte) Belvederestöckl täglich Busse mit asiatischen Touristen gebracht worden, erzählt Schneider.
Abgesehen von Unannehmlichkeiten für die eigene Lebensqualität warnt die Initiative vor anderen Kollateralschäden. „Vor ein paar Tagen haben die Baumfällungen begonnen. Angeblich gibt es einen gültigen Bescheid, zufällig sind diese 22 Bäume demnach krank und dürfen gefällt werden“, sagt Schneider. Weiters liegen das Belvedere und der Schwarzenbergpark in der Schutzzone Weltkulturerbe – mit dem Klostergarten stellen sie ein einzigartiges Barockensemble dar, in das mit den Umbauten eingegriffen würde.
Und was sagt Welledits? Der wirkt überrascht. Man habe mit Kritik gerechnet, aber nicht damit: falsche Fakten, „Unterstellungen, dass wir Politiker und Behörden bestochen hätten“. Sein 84-jähriger Vater, Co-Eigentümer und Co-Geschäftsführer der Firma O. Salm & Co GmbH, habe via E-Mail „übelste Beleidigungen erhalten“.
Auch inhaltlich fühlt er sich missverstanden – das beginne schon beim Namen der Bürgerinitiative. Man plane kein Oktoberfest, sondern ein ruhiges, eher elegantes Lokal – „Reisebusse, laute Musik und Massentourismus passen nicht in unser Konzept“. Dass man Bier braue, habe praktische Gründe: Die Anlage im Salmbräu sei zu klein, um das neue Lokal zu versorgen. Was die Dimension betrifft, relativiert Welledits. Je nach Wetterlage würden entweder die Plätze drinnen oder draußen genutzt, nie alle auf einmal. Er ist den Anrainern auch etwas entgegengekommen: Statt 880 Plätzen sind 760 vorgesehen. Die Außenplätze wurden um 120 reduziert, weil man einen Abstellplatz für Fahrräder einrichten will. Das ist Teil des Verkehrskonzepts, das Welledits freiwillig erstellen lässt – für die Genehmigung einer Betriebsanlage ist das nicht notwendig.
Auch andere Gutachten hat er bereits (erfolgreich) vorgelegt, etwa zu Lärm und Geruch. Auch was die Bäume betrifft, lägen die Dinge anders: „Der Baumbestand ist essenzieller Bestandteil des Gastgartens, wir haben kein Interesse, das Markenzeichen des Lokals willkürlich zu roden.“Drei Bäume müssten für den Neubau weichen, der Rest der Bäume und Sträucher müsse per Bescheid gerodet werden –
Jahre
stand das Belvederestöckl leer, im Sommer 2018 soll es als „Stöckl im Park“neu eröffnet werden.
Plätze
sind derzeit geplant. Die Außenplätze wurden um 120 reduziert. manche seien zu alt, manche würden den denkmalgeschützten Brunnenspeicher mit ihren Wurzeln durchbohren. Denn der Garten des Lokals steht auf einer unterirdischen Zisterne, die – wie Teile einer historischen Rampe – geschützt sind. Das Lokal selbst sieht zwar alt aus, ist es aber nicht. Spät dran. Aber Welledits gesteht auch Fehler ein. „Wir hätten das Projekt in der Öffentlichkeit offensiver kommunizieren sollen.“Erst vor drei Tagen holte er einen Medienberater mit an Bord. Architekturexperte Christian Kühn (TU Wien) hätte etwa einen Wettbewerb wie damals beim Steirereck im Stadtpark schön gefunden. Der Neubau wirkt auf einer Visualisierung ein wenig wie ein asiatischer Pavillon (viel Holz, viel Glas), für Kühn ist es eher „Architektur, die sich an Sachzwängen orientiert. Was nicht ganz falsch ist: Fünfzehn Mal, sagt Welledits, habe man umgeplant. Insgesamt zwei Jahre läuft der Prozess schon. Dass die Anrainer so spät davon erfahren haben, ist aber nicht nur seine Schuld. Laut dem Bezirksvorsteher der Wieden, Leopold Plasch (SPÖ), wurden zwar vorschriftsgemäß die Eigentümerangrenzenden drei Häuser informiert – die teilten dies aber nicht ihren Mietern mit. „Zumindest moralisch ist das nicht o. k.“, findet Plasch. Der selbst auch spät informiert wurde – und zwar weil das Lokal an der Bezirksgrenze liegt. Die Anrainer sind im vierten, das Projekt ist
Die Anrainer fürchten sich vor »Biertouristen«, Lärm und Parkplatznot. Betreiber Welledits gibt zu, dass man das Projekt früher kommunizieren hätte sollen.
im dritten Bezirk. Und Erich Hohenberger, SPÖ-Bezirkschef Landstraße, sieht dem Vernehmen nach das Projekt weniger kritisch. Er ist aber seit Tagen nicht erreichbar. Plasch hofft, dass mit Anrainerparkplätzen zumindest die Auswirkungen auf die Parksituation gemildert werden. Am 2. November findet eine außerordentliche Bezirksvertretungssitzung statt, auf Betreiben von FPÖ und Neos, wie diese betonen. Plasch sagt, er habe sie selbst angesetzt. Ob sich rechtlich etwas ändern kann? Eine Baugenehmigung liegt vor, aber die Bürgerinitiative hofft auf eine Neuverhandlung. Familiensache. Es gibt allerdings noch einen Nebenschauplatz des Konflikts. Die „Krone“zitiert Johannes Schwarzenberg, der das Ganze „auch ein bisserl als Familienstreit“bezeichnet. „Meine Tante Rosemarie Liechtenstein ist unter den Kritikern.“Dazu muss man wissen: Der Gastgarten war Teil des Privatgartens Schwarzenberg. Einige Auserwählte, aber auch einige Anrainer und Kindergärten haben Zugang. Um 100 Euro pro Jahr können diese einen Schlüssel – jeweils für ein Jahr, und, nach persönlicher Auswahl – erhalten. Ein, so hört man, hochherrschaftliches Vergabeverfahren inklusive persönlicher Begutachtung und strengen Verhaltensregeln. Sollte ein großes Brauhaus kommen, ist das Parkvergnügen nicht mehr ganz so groß. Oder so exklusiv. Mehr Bilder: diepresse.com/stoeckl