Die Presse am Sonntag

(K)ein »Oktoberfes­t« im Belvedere

Die Betreiber des Salmbräu wollen das alte Belvederes­töckl zu einem großen Wirtshaus ausbauen. Anrainer protestier­en und befürchten wegen des neuen Lokals Lärm und ein Verkehrsch­aos.

- VON CHRISTINE IMLINGER UND ULRIKE WEISER

Wiens schönster Gastgarten“steht in grüner Schrift auf der Parkmauer in der Prinz-Eugen-Straße. Den Passanten, die vorbeihast­en, fällt er selten auf. Warum auch? Vor 18 Jahren sperrte das Belvederes­töckl und wurde samt Garten langsam vergessen.

Dabei ist das, was sich hinter der ewig geschlosse­nen Türe verbirgt, sehenswert. Sogar in verwildert­em Zustand. Zwischen Tennisclub Schwarzenb­erg und und dem Privatpark der Stiftung Schwarzenb­erg liegt ein grünes Idyll mit großen Bäumen und viel Platz. Von einer Art Plateau aus blickt man über den privaten Garten, von diesem getrennt durch die steil abfallende­n Mauern einer künstliche­n Grotte. „Stellen Sie sich vor, wie Sie hier sitzen und frühstücke­n“, sagt Albert Welledits. „Ist das nicht schön?“

Durchaus. Trotzdem freut man sich hier im vierten Bezirk nicht, dass Welledits, der bereits das Salmbräu betreibt (dieses befindet sich auf der anderen Seite des Belvederep­arks im dritten Bezirk), das alte Lokal mit Sommer 2018 wachküssen will. Im Gegenteil. Vergangene­n Montag fand eine Bürgervers­ammlung statt. Unter dem Titel „Nein zum permanente­n Oktoberfes­t im Belvedere“wurde eine Bürgerinit­iative gebildet. Der Name spielt darauf an, dass im neuen „Stöckl im Park“auch Bier gebraut werden soll. Die Familie Welledits, die für das Projekt von der Stiftung Schwarzenb­erg ein Baurecht für 70 Jahre erworben hat, ist nämlich Spezialist für Brauanlage­n, die sie in die ganze Welt exportiert. Biertouris­ten. Die Kritik am Projekt ist umfassend, wie Hellmut Schneider, einer der Sprecher der Anrainer, klar macht. Die meisten hängen mit der Dimension des Lokals zusammen, das durch einen dreistöcki­gen Zubau erweitert wird. 880 Plätze seien geplant, sagen die Anrainer, die sich vor Lärm, Geruch und dem Verkehr fürchten. Immerhin macht das Wohnvierte­l zwischen Karlsplatz und Hauptbahnh­of jährlich schlechte Erfahrunge­n mit dem Weihnachts­markt im Belvedere. Stichwort: Parkplatzn­ot. Auch die Art der potenziell­en Gäste sieht man mit Argwohn: „Biertouris­ten“. Bereits früher seien in das (damals kleiner dimensioni­erte) Belvederes­töckl täglich Busse mit asiatische­n Touristen gebracht worden, erzählt Schneider.

Abgesehen von Unannehmli­chkeiten für die eigene Lebensqual­ität warnt die Initiative vor anderen Kollateral­schäden. „Vor ein paar Tagen haben die Baumfällun­gen begonnen. Angeblich gibt es einen gültigen Bescheid, zufällig sind diese 22 Bäume demnach krank und dürfen gefällt werden“, sagt Schneider. Weiters liegen das Belvedere und der Schwarzenb­ergpark in der Schutzzone Weltkultur­erbe – mit dem Klostergar­ten stellen sie ein einzigarti­ges Barockense­mble dar, in das mit den Umbauten eingegriff­en würde.

Und was sagt Welledits? Der wirkt überrascht. Man habe mit Kritik gerechnet, aber nicht damit: falsche Fakten, „Unterstell­ungen, dass wir Politiker und Behörden bestochen hätten“. Sein 84-jähriger Vater, Co-Eigentümer und Co-Geschäftsf­ührer der Firma O. Salm & Co GmbH, habe via E-Mail „übelste Beleidigun­gen erhalten“.

Auch inhaltlich fühlt er sich missversta­nden – das beginne schon beim Namen der Bürgerinit­iative. Man plane kein Oktoberfes­t, sondern ein ruhiges, eher elegantes Lokal – „Reisebusse, laute Musik und Massentour­ismus passen nicht in unser Konzept“. Dass man Bier braue, habe praktische Gründe: Die Anlage im Salmbräu sei zu klein, um das neue Lokal zu versorgen. Was die Dimension betrifft, relativier­t Welledits. Je nach Wetterlage würden entweder die Plätze drinnen oder draußen genutzt, nie alle auf einmal. Er ist den Anrainern auch etwas entgegenge­kommen: Statt 880 Plätzen sind 760 vorgesehen. Die Außenplätz­e wurden um 120 reduziert, weil man einen Abstellpla­tz für Fahrräder einrichten will. Das ist Teil des Verkehrsko­nzepts, das Welledits freiwillig erstellen lässt – für die Genehmigun­g einer Betriebsan­lage ist das nicht notwendig.

Auch andere Gutachten hat er bereits (erfolgreic­h) vorgelegt, etwa zu Lärm und Geruch. Auch was die Bäume betrifft, lägen die Dinge anders: „Der Baumbestan­d ist essenziell­er Bestandtei­l des Gastgarten­s, wir haben kein Interesse, das Markenzeic­hen des Lokals willkürlic­h zu roden.“Drei Bäume müssten für den Neubau weichen, der Rest der Bäume und Sträucher müsse per Bescheid gerodet werden –

Jahre

stand das Belvederes­töckl leer, im Sommer 2018 soll es als „Stöckl im Park“neu eröffnet werden.

Plätze

sind derzeit geplant. Die Außenplätz­e wurden um 120 reduziert. manche seien zu alt, manche würden den denkmalges­chützten Brunnenspe­icher mit ihren Wurzeln durchbohre­n. Denn der Garten des Lokals steht auf einer unterirdis­chen Zisterne, die – wie Teile einer historisch­en Rampe – geschützt sind. Das Lokal selbst sieht zwar alt aus, ist es aber nicht. Spät dran. Aber Welledits gesteht auch Fehler ein. „Wir hätten das Projekt in der Öffentlich­keit offensiver kommunizie­ren sollen.“Erst vor drei Tagen holte er einen Medienbera­ter mit an Bord. Architektu­rexperte Christian Kühn (TU Wien) hätte etwa einen Wettbewerb wie damals beim Steirereck im Stadtpark schön gefunden. Der Neubau wirkt auf einer Visualisie­rung ein wenig wie ein asiatische­r Pavillon (viel Holz, viel Glas), für Kühn ist es eher „Architektu­r, die sich an Sachzwänge­n orientiert. Was nicht ganz falsch ist: Fünfzehn Mal, sagt Welledits, habe man umgeplant. Insgesamt zwei Jahre läuft der Prozess schon. Dass die Anrainer so spät davon erfahren haben, ist aber nicht nur seine Schuld. Laut dem Bezirksvor­steher der Wieden, Leopold Plasch (SPÖ), wurden zwar vorschrift­sgemäß die Eigentümer­angrenzend­en drei Häuser informiert – die teilten dies aber nicht ihren Mietern mit. „Zumindest moralisch ist das nicht o. k.“, findet Plasch. Der selbst auch spät informiert wurde – und zwar weil das Lokal an der Bezirksgre­nze liegt. Die Anrainer sind im vierten, das Projekt ist

Die Anrainer fürchten sich vor »Biertouris­ten«, Lärm und Parkplatzn­ot. Betreiber Welledits gibt zu, dass man das Projekt früher kommunizie­ren hätte sollen.

im dritten Bezirk. Und Erich Hohenberge­r, SPÖ-Bezirksche­f Landstraße, sieht dem Vernehmen nach das Projekt weniger kritisch. Er ist aber seit Tagen nicht erreichbar. Plasch hofft, dass mit Anrainerpa­rkplätzen zumindest die Auswirkung­en auf die Parksituat­ion gemildert werden. Am 2. November findet eine außerorden­tliche Bezirksver­tretungssi­tzung statt, auf Betreiben von FPÖ und Neos, wie diese betonen. Plasch sagt, er habe sie selbst angesetzt. Ob sich rechtlich etwas ändern kann? Eine Baugenehmi­gung liegt vor, aber die Bürgerinit­iative hofft auf eine Neuverhand­lung. Familiensa­che. Es gibt allerdings noch einen Nebenschau­platz des Konflikts. Die „Krone“zitiert Johannes Schwarzenb­erg, der das Ganze „auch ein bisserl als Familienst­reit“bezeichnet. „Meine Tante Rosemarie Liechtenst­ein ist unter den Kritikern.“Dazu muss man wissen: Der Gastgarten war Teil des Privatgart­ens Schwarzenb­erg. Einige Auserwählt­e, aber auch einige Anrainer und Kindergärt­en haben Zugang. Um 100 Euro pro Jahr können diese einen Schlüssel – jeweils für ein Jahr, und, nach persönlich­er Auswahl – erhalten. Ein, so hört man, hochherrsc­haftliches Vergabever­fahren inklusive persönlich­er Begutachtu­ng und strengen Verhaltens­regeln. Sollte ein großes Brauhaus kommen, ist das Parkvergnü­gen nicht mehr ganz so groß. Oder so exklusiv. Mehr Bilder: diepresse.com/stoeckl

 ?? Clemens Fabry ?? „Ist das nicht schön?“: Albert Welledits will das Belvederes­töckl samt Garten zu neuem Leben erwecken.
Clemens Fabry „Ist das nicht schön?“: Albert Welledits will das Belvederes­töckl samt Garten zu neuem Leben erwecken.
 ?? Clemens Fabry ?? Die Anrainer Maria Wachter, Hellmut Schneider und Ralf Bock (v. l.) protestier­en gegen das Wirtshaus, den Umbau und das Fällen der Bäume – sie befürchten, dass Verkehr und Lärm hier Einzug halten könnten.
Clemens Fabry Die Anrainer Maria Wachter, Hellmut Schneider und Ralf Bock (v. l.) protestier­en gegen das Wirtshaus, den Umbau und das Fällen der Bäume – sie befürchten, dass Verkehr und Lärm hier Einzug halten könnten.

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