»Roboter als Jobkiller? Das ist eine evidenzfreie Spekulation«
David Dorn gilt als steil aufsteigender Stern am Ökonomenhimmel. Der Schweizer provoziert: Freihandel ist nicht immer gut, »Superstarfirmen« gefährden Märkte, selbstfahrende Autos kommen nicht. Aber immerhin: Die Digitalisierung macht uns auch nicht arbei
Akademische Spatzen pfeifen es von den Dächern: Roboter werden schon bald im großen Stil Jobs killen. Pfeifen Sie mit? David Dorn: Nein. Diese Erwartung ist eine evidenzfreie Spekulation. Schon 1978 titelte der „Spiegel“: „Die Computerrevolution: Fortschritt macht arbeitslos“. Die dramatische Entwicklung der Robotertechnologie werde bis 2000 die Hälfte aller Jobs vernichten. Das gleiche Argument wird heute, 40 Jahre später, eins zu eins wiederholt. Es erscheint in der Geschichte immer wieder und wird immer wieder falsifiziert. Warum bleibt es so beliebt? Es gibt eine ganz große Asymmetrie in der Wahrnehmung: Wir können leicht überlegen, welche Berufe aus einer Liste irgendwann automatisiert werden könnten. Es erfordert eine viel größere geistige Anstrengung, uns zu überlegen, welche neuen Berufe es in Zukunft geben wird. Es ist kaum möglich, das treffsicher vorauszusagen. Aber die Programmierer und IT-Serviceleute rechnet man in den Studien doch ein. Es geht aber eben nicht nur um Jobs, die unmittelbar mit der neuen Technologie verbunden sind. Die kostengünstigere Produktion führt dazu, dass Konsumenten mehr Kaufkraft haben. Damit können sie neue Produkte und Leistungen nachfragen. Wir sehen schon über das 20. Jahrhundert hinweg ein spektakuläres Anwachsen von Tourismus und Freizeitaktivitäten. Davor waren sie einer kleinen Oberschicht vorbehalten. Die technologische Entwicklung hat einen Wohlstand geschaffen, der diese Leistungen der breiten Bevölkerung zugänglich macht. Entsprechend gibt es in diesen Bereichen heute viel mehr Arbeitsplätze. Wie geht es aus Ihrer Sicht weiter? So wie bisher. Es werden zusätzliche Aktivitäten automatisiert. Da es aber langsam und in kleinen Schritten vor sich geht, müssen Firmen ihre Buchhalter und Fabriksarbeiter nicht auf die Straße setzen. Sie besetzen nur frei werdende Stellen nicht mehr nach. Aber es heißt doch, dass der Roboter bald auch Akademiker verzichtbar macht. Da ist man viel zu optimistisch. Man geht davon aus, dass Roboter, die eine Kurznachricht über ein Sportresultat schreiben können, plötzlich auch zu großen Autoren im Feuilleton aufsteigen. Oder dass selbstfahrende Autos, die im Einzeltest recht gut funktionieren, sich bald breit kommerziell einsetzen lassen. Auch da lohnt der Blick auf frühere Prognosen: Schon 1947 schickte die US-Luftwaffe ein selbstfliegendes Flugzeug über den Atlantik. Trotzdem sind heute nicht nur selbstfliegende Flugzeuge in unserem Himmel unterwegs. Es gibt erhebliche Schranken: ökonomische, juristische, regulatorische. Sie sorgen dafür, dass etwas, was technisch möglich scheint, sich nicht im großen Stil durchsetzt. Weit kritischer scheinen Sie die Globalisierung zu sehen. Sie haben viel Aufsehen erregt mit einer Studie, die nachweisen will, dass der freie Handel mit China der US-Industrie Jobs gekostet habe. So verleihen Sie der „America First“-Doktrin von Donald Trump akademische Weihen. Oder fühlen Sie sich von Ihren neuen Fans falsch verstanden? Man muss den Problemen der Globalisierung ihre erfreulichen Folgen gegenüberstellen – gerade für die Konsumenten, die Zugang zu günstigen Produkten erhalten. Aber die negativen Folgen am US-Arbeitsmarkt wurden lange schlicht unterschätzt. Viele Ökonomen und Politiker dachten, es handle sich nur um Einzelfälle. Nun sehen wir, dass sie viel gravierender waren. Die Amerikaner gelten als besonders mobil und flexibel. Warum haben so wenige Betroffene Ort und Branche gewechselt? Die Mobilität hat stark abgenommen. Die Umverteilung der Arbeit funktioniert nicht mehr so fließend wie früher. Das könnte an hohen privaten Schulden liegen: Wer ein Haus mit Hypothek hat, kann nicht so leicht umziehen. Deutsche Kollegen von Ihnen haben Ihr Modell nachgerechnet und gezeigt: In Deutschland führte die Marktöffnung zu einem Jobaufbau (in Österreich wären die Ergebnisse wohl ähnlich). Können die Amerikaner also von den Deutschen lernen? Die US-Industrie ist stark nach innen gerichtet, sie verkauft 80 bis 90 Prozent ihrer Produkte im eigenen Land.