Die Presse am Sonntag

Englische Sportwagen, ein Rezept zur Entschleun­igung

Die englische Enthusiast­enmarke Morgan strebt nicht nach hohen Stückzahle­n, sondern pflegt britischen, leicht spleenigen Sportsgeis­t auf drei und vier Rädern. In Österreich betreuen Jörg Koessler und seine Frau die Fans der puristisch­en Roadster. »Es sind

- VON TIMO VÖLKER

Gegen Morgan sind sogar die englischen Edelmarken Aston Martin und RollsRoyce Massenprod­uzenten. Keine 1000 Exemplare im Jahr verlassen den 160-Mann-Betrieb in Malvern, einem kleinen Örtchen in den westlichen Midlands, nahe der Grenze zu Wales. Während die Hersteller immer mehr produziere­n und verkaufen wollen, weil Wachstum alles ist, belässt es Morgan ganz gern bei dem bescheiden­en Ausstoß – nicht das Einzige, was die Firma vom Rest der Autoindust­rie unterschei­det.

Gegründet wurde das Unternehme­n im Jahr 1909 von Henry Frederick Stanley Morgan (1881–1959), heute sehen Mister Morgans Nachfahren in dritter Generation nach dem Rechten. Der Betrieb, unveränder­t in Familienbe­sitz, gilt als älteste Fahrzeugpr­oduktion der Welt. Todesmutig. Was dieser Tage den Touch leicht elitären Roadsterve­rgnügens haben mag, begann denkbar schlicht mit einem Dreirad. Solche Cycle Cars, technisch Mittelding­er zwischen Auto und Motorrad, waren in vielen Ländern, vor allem Frankreich und England, steuerlich begünstigt und boten erschwingl­iche Motorisier­ung. Der Absatz von Morgans 3-Wheeler kam in Schwung, als er ihn mit einem zweiten Sitzplatz ausstattet­e. Das Wettergesc­hehen hatte man in dem luftigen Gefährt auf die englische Art zu nehmen.

Es waren billige Autos in einer Zeit, als sich das Automobil noch beweisen musste gegen Kutschen und Fuhrwerke. Das ließ sich publikumsw­irksam am besten im sportliche­n Wettstreit bewerkstel­ligen: Bergrennen, Geschwindi­gkeitsreko­rde, Ausdauerfa­hren, unermüdlic­h und oft todesmutig stellten die Produzente­n die Überlegenh­eit ihrer Gerätschaf­t unter Beweis.

Auch Henry Morgan war früh vom Sportsgeis­t erfasst, was sich bis heute in grundlegen­den Eigenschaf­ten seiner Vehikel niederschl­ägt: Sie sind robust und standfest, und wenn vielleicht nicht übermäßig motorisier­t (was man heute auch schon anders haben kann), so doch immer schön leichtgewi­chtig, um sich bei Rennen wie auch auf der Straße nicht abhängen zu lassen. Kein Marmor. „Ein zehn Jahre alter Morgan ist für uns ein Neuwagen“, sagt Jörg Koessler, der zusammen mit seiner Frau Marlies die Fangemeind­e mit allem versorgt, was man für das Hobby Morgan benötigt. Der Chef trägt Arbeitsgew­and und begrüßt uns mit ölverschmi­erten Händen – in der Werkstatt im südlich von Wien gelegenen Trumau packen alle an.

Marmor sucht man im angehängte­n Schauraum vergeblich, dafür gibt es Chesterfie­ldsofa und Kaminattra­ppe. Die Fahrzeuge sind nicht billig, die Einstiegsm­odelle von Morgan liegen gleichauf mit jenen von Porsche. Um die 30 Neuwagen werden im Jahr verkauft, „eine solide Geschichte“, sagt der Chef, und doch könnte man davon allein nicht leben. „Es ist ein Mosaikgesc­häft mit mehreren Standbeine­n, wo eines zum andern führt.“Neben Reparatur und Wartung fertige man auch individuel­le Teile nach Kundenwüns­chen, es gibt Morgans zu mieten, und Ehefrau Marlies kümmert sich als Reisebürof­achfrau um „Morgan on tours“, geführte Reisen im eigenen oder MietMorgan durch Kroatien, Südengland, Wales und andere Destinatio­nen, die man gern im Roadster kreuzt, ein Zweig, der immer wichtiger werde.

Bei aller Solidität ist ein Morgan – eng, hart gefedert, luftig – kaum als Alltagsaut­o gedacht, ebenso wenig zum Eindrucksc­hinden bei Nachbarn oder auf der Straße. Die Wagen sind schnell, wollen aber beherrscht werden. Wer

Ein Morgan schaffte es sogar ins Sortiment des Edelwarenh­auses Manufactum.

sind die Fahrer dieser exotischen, leicht kauzigen Spielart von Auto?

„Gehobene Mittelschi­cht“, sagt Jörg Koessler, „Genießer, die Entspannun­g und Entschleun­igung suchen“. Auffallend sei die hohe Zahl an Ärzten unter der Klientel. „60 plus“lautete die Altersstru­ktur, als das Geschäft vor 20 Jahren anlief, sie liege heute bei „40 plus“. Dem liege, so Koessler, ein gesellscha­ftlicher Wandel zugrunde. Frü-

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