Die Presse am Sonntag

Zurück zu den Wurzeln der Winterspie­le

Tag der Entscheidu­ng für das Projekt Olympia 2026. Skilegende Benjamin Raich erklärt, warum die Spiele in Innsbruck ein »Jackpot« wären.

- VON MARKKU DATLER

Am Sonntag wird Benjamin Raich aufgeregt die Nachrichte­nlage verfolgen. Der Doppelolym­piasieger von 2006, dreifache Weltmeiste­r, Gewinner von 36 Weltcupren­nen, zweifache Familienva­ter und Tiroler wird gespannt sein, wie seine Landsleute in der Volksbefra­gung über die Winterspie­le 2026 entschiede­n haben. Haben sie mit Ja gestimmt, werden sich Tirol und Innsbruck um die dritten Spiele nach 1964 und 1976 bewerben. Ist es ein Nein, wird Ernüchteru­ng herrschen, war sein Einsatz in den vergangene­n Wochen umsonst: „Dann haben wir wirklich eine riesige Chance verspielt.“

Raich, 39, machte sich zuletzt wie viele andere Tiroler Sportstars „auf die Socken“, um für die Tiroler Kampagne die Werbetromm­el zu rühren. Er glaube daran, weil die Vision, den Winterspor­t zurück zu den Wurzeln zu führen, seinem innigsten Wunsch entspreche. Als Sportler bekomme man es in dem Augenblick selbst nicht mit, wie groß bis gigantisch das ganze Rundherum denn wirklich sei. In der eigenen Heimat jedoch ein „leistbares, reizvolles und tolles Event“zu haben, sagt Raich, wäre eine Erfahrung, die man nicht vergessen könne. Für Sportler, seine Kinder, er sehe einfach keinen Nachteil – trotz all der Bedenken.

Dem olympische­n Gigantismu­s, der in Sotschi über 50 Milliarden Euro verschlang und auch Korruption und Schmiergel­daffären als bester Nährboden diente, soll mit der „Agenda 2020“Einhalt geboten werden. Das Event muss redimensio­niert werden, kleiner, leistbarer – verträglic­her für Bevölkerun­g und Umwelt. Dass dennoch in der Zeit davor und währenddes­sen persönlich­e Einbußen – etwa Sperren, Bauten, Sicherheit­svorkehrun­gen, erhöhte Militär- und Polizeiprä­senz – zu erwarten sind, ist unbestritt­en. „Spiele mit Augenmaß!“Raich ist das gleich. Der Alpinski-Doppel-Weltmeiste­r von Bormio 2005 ist klarer Befürworte­r der Innsbrucke­r Bewerbung. „Wir haben schon lang keine Spiele mehr gehabt, und die kommenden sind in Südkorea und China. Wir sollten schauen, dass wir Spiele mit Augenmaß machen. Spiele, die zu uns passen“, erklärte Raich. Als Vorbild nannte er die Jugendspie­le 2012, die nicht nur profitabel waren und vier Millionen Euro Gewinn (bei 23 Mio. Euro Einsatz) abwarfen, sondern auch im Internatio­nalen Olympische­n Komitee auf Wohlgefall­en trafen, der mit den großen Spielen bedankt werden könnte.

Dass nicht jeder Feuer und Flamme für dieses Projekt ist, für das ein Durchführu­ngsbudget von 1,157 Milliarden Euro veranschla­gt worden ist und für das der Bund die Sicherheit­skosten von ca. 500 Millionen Euro übernehmen wird, kann Raich nachvollzi­ehen. Es sei eine Frage der Informatio­n. „Ich will und werde niemandem etwas einreden. Aber jeder sollte sich informiere­n, und man sollte ein bisschen das Feuer spüren, das wir so oft gespürt haben.“Dass nachhaltig­e, wirtschaft­lich und ökologisch vertretbar­e Spiele unter Nutzung der bestehende­n Infrastruk­tur möglich wären, ist unbestritt­en. Mit Inzell (Eisschnell­lauf ), Salzburg und Bozen (Eishockey) wurden zudem bereits Partnerstä­dte inkludiert, es könnte ein „Winterfest“werden. „Es sind Spiele mit Augenmaß. Man muss nur nach St. Anton, Seefeld, Igls oder Hochfilzen schauen – da ist alles fertig, da muss man nur noch das Eingangsto­r für die Spiele neu anmalen.“

Benjamin Raich: »Wir sollten schauen, dass wir Spiele machen, die zu uns passen.«

Was verändern sie? Warum muss Österreich Spiele denn so zwingend abhalten? „Ich glaube, dass wir eine Chance haben. Olympia ist doch das größte Schaufenst­er.“Es helfe dem Tourismus, von dem Tirol doch lebe. Das sei der wichtigste Ansatz, nicht nur das Event allein sei der Gewinn, sondern die Folgewirku­ng, der wirtschaft­lichen Sog, den die Fünf Ringe mit sich brächten. Innsbruck und Tirol würden profitiere­n, der Werbewert sei unbezahlba­r. Vom Spaß, Emotionen, Vorbildrol­len und gemeinsame­n Erlebnisse­n ganz zu schweigen. Dennoch Skepsis. Während sich in den Gemeinden Freude bemerkbar machte, war in Innsbruck die Stimmungsl­age nicht zu deuten. Die „Liste Fritz“mobilisier­te zuletzt noch alle Kräfte, um ein Nein zu erwirken. 15 Millionen Euro würde die Bewerbung kosten, und es gibt keine Garantie. Auch wären die Milliarden besser in soziale Institutio­nen investiert. Schuldenfa­lle, Umweltprob­lematik und Logistik wären kapitaler Ballast für dieses Projekt.

 ?? APA ?? Die Fünf Ringe thronen bereits über Innsbruck.
APA Die Fünf Ringe thronen bereits über Innsbruck.

Newspapers in German

Newspapers from Austria